Unix: Immer noch besser als Windows NT

08.04.1994

SYDNEY (IDG/CW) - Kirk McKusick gilt als Unix-Autoritaet. Er war die treibende Kraft hinter den neueren Unix-Entwicklungen an der University of Berkeley's Systems Division (BSD). Mit ihm unterhielt sich John Hilvert, Redakteur der australischen "Computerworld".

CW: Welchen Sinn hat die Weiterentwicklung von BSD-Unix angesichts der Bemuehungen, Unix zu vereinheitlichen, zum Beispiel durch das Common-Open-Systems-Envi- ronment-(COSE-)Buendnis?

McKusick: BSD ist nicht fuer den Markt konzipiert, sondern fuer die Forschung. Wir halten es wie die Copyshops: Jeder ist aufgefordert, beliebig viele Kopien zu machen, weiterzugeben und auch sonst damit zu tun, was immer er moechte. Wir haben geforscht, um zu verhindern, dass die kommerziellen Unix-Anbieter sich auf einen abstrusen und langfristig schaedlichen Standard einigen.

CW: BSD ist also ein Unix fuer Eierkoepfe?

McKusick: Etwas mehr als das. Eierkoepfe sind immer wieder fuer Geistesblitze gut. Das liegt auch daran, dass BSD billiger ist als handelsuebliches Unix und mit Quellcode ausgeliefert wird. Einige dieser innovativen Ideen halten dann im kommerziellen Bereich Einzug.

CW: Der Ruf von BSD-Unix ist nicht der beste. Die Fehler in den Sicherheitseinrichtungen waren lange ebenso gefuerchtet wie heute die Inkompatibilitaeten mit dem OSF-Kernel. Wichtiger ist, dass die Aussenseiterrolle von BSD als Beleg dafuer gilt, dass die Branche sich nicht auf ein Standard-Unix einigen will.

McKusick: BSD-Unix muss in solchen Diskussionen haeufig als Pruegelknabe herhalten. Zwar sind die BSD-Erweiterungen inzwischen in fast jedem Unix zu finden, das Problem bestand jedoch darin, dass jeder Anbieter andere Erweiterungen uebernahm, so dass die Systeme zu guter Letzt alle verschieden waren. Schliesslich kam es 1987 zur Allianz zwischen AT&T und Sun. Man wollte das von BSD abgeleitete Sun-Unix mit dem AT&T-Unix kombinieren. Das einzig wahre System sollte entstehen. Dagegen wehrten sich Anbieter wie IBM und HP, weil sie den Marktvorteil ihrer eigenen Unix-Derivate gefaehrdet sahen. Sie schufen die Open Software Foundation und setzten dem AT&T/Sun-Unix ein Konkurrenzprodukt entgegen. Erst als Microsoft Windows NT auf den Markt brachte, bildete der Unix-Markt COSE, um Unix zu standardisieren und den Konkurrenzkampf zur Abwechslung einmal mit Hardware auszutragen.

CW: Wie schaetzen Sie den Erfolg von COSE ein?

McKusick: Es gehoerte zu meinen Aufgaben, die COSE-Spezifikationen kritisch zu bewerten. Ich war verbluefft. Man hat sich auf eine gemeinsame System-Schnittstelle fuer Anwendungsprogramme einigen koennen, die fuer jedes Unix-System gel-ten soll. Das ist ein gutes Ergebnis.

CW: Was dachten Sie, als COSE-Member Sun seine Open-Look- Oberflaeche zugunsten von OSF/Motif fallenliess?

McKusick: Ich war so gluecklich, dass ich auf der Strasse tanzte. Open Look war ein adaequates Windows-System. OSF/Motif ist es auch. Wenn aber Motif als Standard gewuenscht wird, ist das viel wichtiger.

CW: Was halten Sie von dem Krieg zwischen Windows NT und Unix?

McKusick: Ich habe die Server-Version von NT getestet und war alles andere als beeindruckt. Aber ich bin eben ein unverbesserlicher Unix-Fan.

CW: Welche Aspekte haben Sie am NT Advanced Server enttaeuscht?

McKusick: Ich fand bemerkenswert, was er alles nicht kann und wie langsam er war. Fuer das Login-Verfahren brauchte ich etwa zwei Minuten. Bei Unix dauert das knapp fuenf Sekunden. NT wurde als Mehrplatzsystem angepriesen. Doch ist es das nur, wenn sich ein Benutzer nach dem anderen anmelden kann. Aber wehe, zwei versuchen es gleichzeitig.

CW: Es zeichnet sich ab, dass Unix am Desktop-Markt keine grossen Chan- cen hat. Aber wird es von NT nicht auch auf der Server-Seite bedraengt?

McKusick: Auf dem Server-Markt sehe ich in den naechsten Jahren keinen Siegeszug von NT. Vor fuenf Jahren wurde OS/2 als Nonplusultra hingestellt, hat sich dann aber als Nischen- Betriebssystem erwiesen. Aber auch Unix wird die Welt nicht erobern. Es hat aber Vorteile gegenueber NT, weil es fuer die gleiche Leistung schon jetzt weniger Hardware benoetigt. NT ist noch nicht fertig, und ich habe niemals gesehen, dass Software bei der Entwicklung schlanker wuerde. Kaeufern von Servern ist Unix vielleicht nicht sonderlich sympathisch, doch es laeuft stabiler als NT, es braucht entschieden weniger Mittel und es funktioniert.