Herstellerunabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit als Vertriebskonzept der neuen Tochter:

Univac-Hauptabteilung von Ikoss übernommen

08.01.1982

STUTTGART - Sperry Univac trennte sich von einer glücklosen Hauptabteilung, und die Stuttgarter Ikoss GmbH vergrößerte mit dieser Transaktion ihren Mitarbeiterstab über Nacht von 100 auf 160 Leute. Ikoss-Generalbevollmächtigter Willi Bannow - vormals Univac-Geschäftsführer - kehrt damit in vertraute Gefilde zurück; er nämlich soll ab Januar die ehemalige Univac-Hauptverwaltung "Systemhaus Aachen" unter dem Namen "Iko Software Service GmbH, Aachen" leiten. Diese Neuigkeiten gab Ikoss-Geschäftsführer Peter Beyer auf einer Pressekonferenz bekannt.

Beyer wertet die mit Wirkung vom 1. November erfolgte hundertprozentige Übernahme als Stärkung der Know-how-Basis seines Hauses mit Zeitspareffekt. Die Chance, sich den Aachener Happen einverleiben zu können, habe Ikoss bewogen, die Unternehmensplanung kurzfristig und tiefgreifend umzustellen. Nicht ohne Stolz rechnet Beyer sein Unternehmen jetzt zum ersten Dutzend der deutschen Softwarehäuser und zu den ersten drei, vier, fünf wirklich unabhängigen Häusern".

Zufrieden mit -dem Transfer ist man auch in Aachen, versicherte Henner Hardt, bisher Univac-Hauptabteilungsleiter und jetzt stellvertretender Geschäftsführer an gleicher Stelle. Die Zeiten, in denen Univacs Hardwareverkäufer den Aachener Softwarespezialisten die Richtung wiesen, seien nun vorbei, meinte er und lieferte damit eine mögliche Antwort auf eine Frage, die Beyer ausdrücklich in den Raum gestellt hatte: Ist das Ausgliedern dieser Softwareabteilung symptomatisch für ähnlich gelagerte Vorgänge bei anderen Mainframern?

Die Aachener Tochtergesellschaft, um die sich auch eine in Norddeutschland ansässige Unternehmensberatung bemüht hatte, erhielt von Ikoss ein Stammkapital von einer halben Million Mark. Diese Konstruktion, erläuterte Beyer, bedeute keine Haftungstrennung von der Stuttgarter Mutter, sondern sei Ausfluß des Profit-Center-Gedankens.

Die Integration der neuen Tochter wird sich nach Beyers Überzeugung nicht schwierig gestalten, vor allem da es gelte, in Aachen erst einmal ein Verwaltungs- und Vertriebsteam auf die Beine zu stellen. So etwas habe es zu Univac-Zeiten in Aachen nicht gegeben - mit eine Ursache dafür, daß es zwischen der Sulzbacher Zentrale und der "Remote"-Hauptabteilung in Aachen zu Spannungen gekommen sei. Diese wiederum, so war in Stuttgart zu hören, hätten Meinungsverschiedenheiten zwischen Bannow und dem Sperry-Management ausgelöst und zu Bannows Ausscheiden aus seiner damaligen Position beigetragen.

Nach, Darstellung Hardts versteht Ikoss-Aachen sich als Systemhaus, das im Prinzip offen für alle am Markt vertretene Hardware und Basissoftware ist und sich neben den überkommenen Textverarbeitungs- , Fertigungssteuerungs- und Netzwerk-(Kabelfernseh-)Anwendungen neue Impulse und Perspektiven erhofft. Beginnen soll die neue Phase mit der Einstellung von vier oder fünf Vertriebsleuten, die sich sowohl auf ihre Stuttgarter Kollegen wie auch auf die Unterstützung durch die eigenen Soft-Werker verlassen dürfen. Gerade letzteres, glaubt Hardt, wird Vertriebsideen zutage fördern, die in der Univac-Vergangenheit "immer wieder gedämpft" worden seien.

Zwei Drittel der in Aachen Beschäftigten, berichtete Hardt, sind Ingenieure und Techniker mit durchschnittlich acht Jahren Softwareprojekt-Erfahrung. Sie erstellen modulare Cobol- , Fortran- oder Pascal-Programme (Hardt: "Ada? Mal sehen.") und verwenden dazu ein modifiziertes PDL (Program Design Language). Zu den bisher realisierten Projekten der Aachener gehören

-eine Remote-Standby-Anlage der München-Dachauer Papierfabrik an den Standorten Dachau und Plattling,

-eine Steuerung der Feinblech walzanlage bei den Vereinigten Aluminiumwerken in Grevenbroich und

-ein Textverarbeitungspaket "Intexta", das beispielsweise in der "Stern"-Redaktion eingesetzt wird.

Mit dem "nahezu konkurrenzlosen" (Hardt) Intexta-Paket hat Ikoss-Aachen einen "sehr substantiellen Marktanteil" (Beyer).

Nicht System-Großserien sind nach Meinung Beyers für Ikoss ein erfolgversprechendes Unternehmenskonzept, sondern der nach seiner Einschätzung überdurchschnittliche Spezialisierungsgrad seines Hauses und die (daher) weltweiten Geschäftsbeziehungen. Zufrieden mit dem zu Ende gehenden Geschäftsjahr ist Beyer nicht. Die rund 300 000 Mark Gewinn, die - wie schon 1980 - herausspringen dürften, wertet er als "blaues Auge, mit dem Ikoss davongekommen ist". Warum die Entwicklung ungünstiger als erwartet verlief, weiß Beyer:

-Die öffentliche Hand zog Mittel zurück und zwang Ikoss zu Eigenfinanzierungen.

-Das rauher werdende Marktklima veranlaßte verschiedentlich die Revidierung von Preisvorstellungen.

-Neue Aktivitäten erwiesen sich teilweise als teure Lernprozesse.

Beyer: "Man muß da den einen oder anderen Tausendmarkschein ansetzen. Aber auch so etwas ist ja eine Investition."

Für 1982 erwartet Ikoss eine bessere Ertragssituation. Der Auftragsbestand liegt jetzt schon bei 14 Millionen Mark.