Trotz Flaute bei Großrechnern

Unisys und NEC buhlen um die Führerschaft bei den Mainframes

29.03.1991

FRANKFURT/TOKIO (CW) - Mit immer neuen Geschwindigkeitsrekorden warten die Großrechner Hersteller auf, um Käufer zu gewinnen. Unisys und NEC sind die jüngsten Beispiele. Doch die anhaltende Kaufzurückhaltung gegenüber Mainframe-Systemen, eine zunehmende Vorliebe der Anwender für abgespeckte, preisgünstigere Großrechner und die Dominanz der IBM in diesem Marktsegment könnten beiden Unternehmen Vermarktungsprobleme bescheren.

Für die NEC Corp. und Unisys ergibt sich darüber hinaus eine weitere Schwierigkeit: Sowohl das jetzt angekündigte "Acos-3900"-System - eine Fortführung des im vergangenen Frühjahr vorgestellten "Acos-3800"-Mainframes und der seit vier Jahren existierenden Acos-System-2000-Serie (vergleiche CW Nr. 28 vom 13. Juli 1990, Seite 21: "NECs neuer Acos-Großrechner...") - als auch der "A19"-Mainframe von Unisys entsprechen im Gegensatz zu steckerkompatiblen Konkurrenzprodukten etwa von Hitachi (in Deutschland von der HDS und Comparex vertrieben), Fujitsu und Amdahl nicht dem von IBM vorgegebenen Betriebssystem-Standard MVS/ ESA.

Vergangenes Jahr wollte sich Hiroshi Hatta, General Manager von NECs EDP Produktplanungs-Abteilung, deshalb wohl mit seinem Großrechner noch auf den japanischen Markt beschränken. "Der US-Markt für IBM-kompatible Mainframes ist sehr, sehr groß", zollte Hatta der Erkenntnis Tribut, daß Auslandsmärkte für den proprietären japanischen NEC-Großrechner nur schwer zu erobern sind.

Nun jedoch zielt man mit den Acos-Rechnern, die auch im eigenen Land bei nur acht Prozent Marktanteil für dieses Rechnersegment einen eher schmalen Erfolg verbuchen können, ausdrücklich auf internationale Kunden.

Um das überseeische Geschäft mit Mainframe-Systemen zu aktivieren, bedient NEC sich der seit längerem bestehenden OEM-Kanäle. Von den laut Planziel innerhalb der nächsten fünf Jahre zu installierenden 350 Mainframes will NEC allein 250 über die Bull S. A. Frankreich in Europa und durch den USA-Partner Bull HN Information Systems Inc. in Amerika an den Kunden bringen, wobei Hatta für beide Kontinente gleiche Stückzahlen erwartet.

NEC wird die "Acos-3900" Mainframes mit dem proprietären "Acos-61NVX"-Betriebssystem - einer neuen kompatiblen Version des früheren Acos-6/MVXII - ausliefern. An den Großrechner angeschlossene Workstations lassen sich unter Unix und TCP/IP betreiben.

Die Acos-3900-Modelle können mit maximal acht CPUs bestückt werden - bei den 3800Systemen arbeiten höchstens sechs Prozessoren. Hieraus ergibt sich auch der nun reklamierte Zuwachs in der Rechenleistung von vormals 500 auf nun etwa 700 MIPS. Dieser Wert sollte allerdings nur mit Vorbehalt genannt werden, da die jeweiligen Unternehmen solche Angaben unter optimierten Bedingungen und Anwendungen ermitteln, die mit den Alltags-Applikationen der Anwender nicht verglichen werden können.

Neue Topmodelle sind nicht MVS-kompatibel

Bei weiteren technischen Angaben handelt es sich um mit den 3800-Großrechnern vergleichbare Werte: Schon vor einem Jahr konnte NEC-Manager Hatta auf eine Gatterverzögerungszeit von 70 Picosekunden und die hochintegrierte Bauweise der Mehrschichten-Boards mit 100 auf einer Fläche von 22,5 x 22,5 Zentimetern untergebrachten VLSI-Keramik-Schaltkreisen verweisen. Für diese Technologie machte NEC Anleihen bei seiner SX3-Supercomputer-Entwicklung.

Allerdings wurde die Peripheriespeicher-Kapazität erheblich vergrößert: Bis zu 4 Petabyte (oder 4000 Billionen Byte) stehen für die 3900-Mainframes zur Verfügung. Mit den NEC-Rechnern ist nicht vor Mitte 1992 (bei den Ein- bis Sechs-Prozessor-Modellen) beziehungsweise Ende kommenden Jahres (bei den Top-Systemen mit sieben und acht Prozessoren) zu rechnen.

Ebenfalls nicht MVS/ESA-kompatibel ist der neueste Unisys-Top-Großrechner aus der A-Serie, das Modell "A19". Nach Unternehmensangaben soll der mit bis zu sechs Prozessoren ausgestattete luftgekühlte Mainframe aufgrund des TPC-A-Benchmarks (Transaction Processing Council) den höchsten Leistungsgrad im kommerziellen Bereich aufweisen. Ein A19 Einprozessorsystem habe gegenüber dem bisherigen Spitzenmodell A16 einen Geschwindigkeitszuwachs um den Faktor 1,8 erbracht.

Erreicht würde die Leistungssteigerung durch eine neuentwickelte superskalare Architektur, die eine verbesserte Lastverteilung auf die einzelnen Prozessoren gewährleisten soll. Zudem würde zur Durchsatzbeschleunigung die Abarbeitung von Befehlsfolgen entsprechend verfügbarer Systemressourcen gesteuert.

Unisys hat als Verfügbarkeitsdatum für den Großrechner das dritte, Quartal 1991 angegeben. Einstiegsmodelle sollen etwa neun Millionen Mark kosten.