Zwei neue Clearpath-Modelle vorgestellt

Unisys überträgt CMP-Architektur auf Mainframes

04.05.2001
PARIS (kk) - Was bei PC-Servern so prima funktionierte, hat Unisys nun auch den Mainframes zugänglich gemacht. Die Architektur, auf der jetzt auch die Rechenboliden basieren, nennt sich Cellular Multiprocessing (CMP) und garantiert hohe Skalierbarkeit und weitgehende Flexibilität.

Anlässlich der Unisys Users Association Conference, die dieses Jahr in Paris stattfand, präsentierte der Hersteller aus Blue Bell, Pennsylvania, die zwei neuen "Clearpath-Plus"-Mainframes "CS7802" und "CS7101". Beide basieren auf der CMP-Architektur (siehe CW 12/01, Seite 50), die bei PC-Servern derzeit das Maß aller Dinge darstellt und von den Branchengrößen Compaq, Dell, Hitachi, ICL und auch Hewlett-Packard in Lizenz genommen wurde. HP konnte sich aber bislang nicht dazu entschließen, sie auch in ein Produkt umzusetzen (siehe dazu auch das untenstehende Interview).

32-Wege-SystemeWie bei den PC-Servern "ES7000" koppelt Unisys auch bei den Mainframes bis zu 32 CPUs in einem Gehäuse. Der als Mittelklassemaschine positionierte CS7101 verwendet ausschließlich Intel-Prozessoren, derzeit kommen Pentium III mit 700 Megahertz zum Einsatz. Der Umstieg auf schneller getaktete Bausteine stellt nach Herstellerangaben aber kein großes Problem dar. Ebenso sollen sich Intels 64 Bit breite CPUs einbauen lassen. Der Mainframe arbeitet mit Microsofts Betriebssystem Windows 2000 Advanced Server, emuliert aber auch das proprietäre MCP der alten Burroughs-Rechner. Die Rechenleistung des Systems liegt zwischen zwölf und 57 Millionen Befehlen in der Sekunde (MIPS).

Der größere Bruder CS7802 kann sowohl mit Intel-Prozessoren als auch mit der neuen Version der hauseigenen "IX6800"-Chips bestückt werden. Die unter dem Codenamen Voyager entwickelten Prozessoren sollen um die Hälfte mehr Leistung liefern als die Vorgänger. Außer Windows kann hier auch das Sperry-Betriebssystem "OS2200" gefahren werden. Damit habe man das Ziel, eine einheitliche Architektur für PC-Server und Mainframes zu entwickeln, erreicht, erklärte Kevin McHugh, Vice President Program Marketing.

Beide Rechner lassen sich in bis zu acht Partitionen mit je vier CPUs unterteilen. Für beide Systeme stellt Unisys die ebenfalls erweiterte Middleware-Suite "Heterogenous Multiprocessing" (HMP) zur Verfügung, die die Rechenboliden auch für das E-Business tauglich machen soll. HMP erlaubt, moderne Techniken wie Java, XML, MQ Series oder Microsoft.NET zu nutzen. Die Middleware, die von Unisys selbst und Drittanbietern stammt, soll darüber hinaus für eine enge Integration der unterschiedlichen Betriebssystem-Umgebungen der Systeme sorgen.

Capacity on DemandUnter dem Stichwort Capacity on Demand hat der Hersteller ein Bündel an Maßnahmen ausgearbeitet, die dem Anwender in verschiedenen Notsituationen aus der Patsche helfen sollen. Da die Rechner mehr CPUs enthalten, als bestellt wurden, übernimmt beim Ausfall eines Prozessors automatisch ein Zusatzchip die Arbeit. Für die reibungslose Leistungserweiterung sorgt die Möglichkeit, sich zusätzliche Rechenpower per Softwareschlüssel über das Internet freischalten zu lassen. Das funktioniert auch im Fall von kurzfristigen Engpässen, wenn etwa beim Jahresabschluss für kurze Zeit mehr Prozessoren benötigt werden oder um ein Disaster Recovery schnell zu bewerkstelligen. Ähnliche Möglichkeiten für die unbürokratische Kapazitätserweiterung soll es auch bei den angeschlossenene Speichern geben. Für die Clearpath-Systeme agiert EMC als Speicherlieferant.

Unisys will die neuen Mainframes zu einem Preis von weniger als 1000 Dollar je MIPS-Rechenleistung anbieten. Die CS7101-Modelle sind ab sofort lieferbar, die OS2200-Systeme sollen im dritten Quartal verfügbar sein.

Fehlendes Know-howKein Zweifel, der Mainframe hat sich gewandelt, ist offener und integrativer geworden, ohne seiner alten Stärken verlustig gegangen zu sein. Aber im Zuge des Client-Server-Computings erlitt er einen schweren Imageverlust, von dem er sich bis heute nicht erholt hat: Mainframes sind nicht cool. Die Folge davon ist, dass der Nachwuchs fehlt. Universitäten bilden dafür nicht aus. Anwender von Maschinen der Marken Unisys oder IBM leiden darunter ebenso wie Compaq-Kunden von Alpha-Servern unter Open VMS.

Josh Krischer, Research Director der Gartner Group, empfiehlt den Herstellern deshalb, selbst Weiterbildungsprogramme aufzulegen. Unisys hat derzeit keine Pläne, hier Unterstützung zu bieten und etwa Studenten für Inhouse-Trainings an den Clearpath-Servern anzulocken. Die Systeme seien so automatisiert, dass mancher IT-Manager, der eine Applikation betreut, im Grunde gar nicht weiß, dass sie auf einem Mainframe läuft. Dennoch muss das Gerät gewartet und aufgerüstet werden. Auch wenn dafür Dienstleistung eingekauft werden kann, sind die Firmen auf Mainframe-Know-how angewiesen. Deshalb versucht beispielsweise Compaq derzeit in Europa, mit Hochschulen in Kontakt zu kommen, um Kurse für Open VMS zu organisieren.

"Die Applikation stellt den Wert dar"Mit dem Chefentwickler der Cellular-Multiprocessing-(CMP-) Architektur, Leo Daiuto, Vice President und General Manager Product Development and Technology, sprach CW-Redakteurin Kriemhilde Klippstätter.

CW: Unisys bietet als Betriebssystem für die neuen Clearpath-Server außer OS2200 und MCP nur Windows 2000 an. Wieso keine Versionen von Unix oder Linux?

Daiuto: Vom technischen Standpunkt aus betrachtet, unterstützt die CMP-Plattform alle Betriebssysteme, die auf Intel-Prozessoren laufen. Wir haben uns aber entschlossen, nur Windows 2000 anzubieten.

CW: Ist das kein Nachteil gegenüber Unternehmen etwa wie IBM, die fast alle Plattformen bereitstellen können?

Daiuto: IBM ist so groß, die können alles machen. Wir mussten uns beschränken und haben unsere Vertriebsmannschaft auf Windows konzentriert. Das war keine Frage, welches Betriebssystem besser ist, sondern auch eine strategische.

CW: Inwiefern?

Daiuto: Die Konkurrenz bei Unix und Linux ist groß, aber wer bietet leistungsstarke Server für Windows an?

CW: Wie ist das Verhältnis von Unisys zu Hewlett-Packard?

Daiuto: Nun, wir haben - ebenso wie mit Compaq, Dell, Hitachi und ICL - auch mit HP einen Lizenzvertrag für die PC-Server ES7000 geschlossen. Offenbar konnten sich dort aber die Unix- und die NT-Fraktion nicht einigen, und deshalb ist der Kontrakt offen. HP hat übrigens bei uns angefragt, ob wir seine Unix-Version HP-UX auf unsere Maschinen portieren. Aber wir machen nur Windows und natürlich unsere eigenen Betriebssysteme. Durch Partner ist es aber möglich, Linux und Unix, soweit sie auf Intel-Prozessoren laufen, auf unseren Servern installieren zu lassen.

CW: Sie haben zeitgleich mit den beiden neuen Mainframes auch eine leistungsstärkere Version der proprietären CMOS-Prozessoren mit dem Codenamen Voyager vorgestellt. War das die letzte Neuvorstellung, bevor Sie komplett auf Intel umsteigen?

Daiuto: Vielleicht die vorletzte. Das hängt davon ab, wie schnell Intel entsprechend leistungsstarke Prozessoren auf den Markt bringt.

CW: Ist das Design der neuen Mainframes gleich dem der PC-Server? Also jeweils vier Prozessoren auf einem Board?

Daiuto: Ja, das gilt auch für die Voyager-Prozessoren.

CW: Wie läuft die Zusammenarbeit mit Microsoft?

Daiuto: Bestens. Wir kooperieren auf vielen Gebieten und befruchten uns gegenseitig. Microsoft entwickelt Datacenter ja auf unseren ES-7000-Maschinen. Und die Stimmung in beiden Entwicklerteams ist prächtig, zum ersten Mal eine richtige Partnerschaft.

CW: Wie ist das zu verstehen?

Daiuto: Beide Teile profitieren, und wir konkurrieren nicht.

CW: Was hat Unisys davon?

Daiuto: Microsoft bringt uns den Markt, die Kunden und die Promotion. Im Gegenzug eröffnen wir ihnen den Enterprise-Markt.

CW: Sie lernen also von den Desktop-Profis?

Daiuto: Das ist tatsächlich ein anderes Spiel, aber je tiefer wir da einsteigen, desto mehr Spass macht es.

CW: Wo liegt derzeit der Schwerpunkt in der Entwicklung?

Daiuto: Wir gehen davon aus, dass für die Unternehmen die Applikationen den Wert darstellen. Deshalb entwickeln wir und auch unsere Partner unter der Bezeichnung Heterogeneous Multiprocessing (HMP) immer mehr Middleware. Sie sorgt für eine enge Integration der unterschiedlichen Betriebsumgebungen des Systems.

CW: Was lässt sich damit beispielsweise integrieren?

Daiuto: Mit dem HMP-Bundle können neue Techniken eingesetzt werden, die für das E-Business erforderlich sind. Also Dinge wie Java, XML, MQ Series oder Microsoft.NET.

CW: Der Großrechner spielt sich praktisch in der Middleware ab?

Daiuto: So könnte man sagen. Früher musste man die Software dediziert für das System schreiben, das ist vorbei. Der Vorteil für die Kunden ist, dass sie mit unserer Architektur nicht eingesperrt sind. Was zählt, ist die Applikation.

CW: Wie sieht die nächste Generation der CMP-Architektur aus? Kommt nach dem 32-Wege-System die Maschine mit 64 Prozessoren, oder sind es weniger?

Daiuto: Beides. Was ich damit meine ist, wir versuchen immer modularer und gleichzeitig flexibler zu werden. Wir möchten höher skalierbare Rechner, die zudem mit noch mehr unterschiedlichen Prozessoren bestückt werden können. Der PC wird weggeworfen, wenn er veraltet ist, wir wollen alte CPUs weiterverwenden können. Ziel ist also Investitionsschutz für die Kunden durch logische Partitionierung der Systeme.

CW: Wie wirkt sich das auf die Softwarepreise aus? Zahle ich dreimal, wenn ich Microsofts Datacenter in drei Partitionen laufen lasse?

Daiuto: Sie werden einen Aufschlag auf die Uni-Version entrichten müssen, aber die Kosten steigen sicher nicht linear. Linearität soll es nur bei höherer Prozessorleistung geben.