Mainframe-basierendes Eincheck-System im Rechenzentrum Kelsterbach fällt sechs Stunden aus

Unisys-Software legt Lufthansa-Betrieb lahm

01.10.2004
MÜNCHEN (wh) - Nach dem Ausfall ihres weltweit genutzten Check-in-Systems von Unisys musste die Lufthansa am Donnerstag vergangener Woche rund 60 Flüge streichen. IT-Experten vermuten den Fehler im Betriebssystem "OS 2200".

Der Morgen des 23. September dürfte nicht nur den IT-Verantwortlichen von Europas drittgrößter Airline in Erinnerung bleiben. Ab 6.30 Uhr stand das Check-in-System für sämtliche nationalen und internationalen Lufthansa-Stationen still. Fluggäste mussten per Hand eingecheckt werden, weltweit kam es zu Verspätungen von Flügen, die wiederum Verzögerungen bei anderen Airlines nach sich zogen.

Erst sechs Stunden später arbeitete das System wieder. Die Lufthansa strich 60 Flüge mit etwa 6000 gebuchten Passagieren. Betroffen waren auch regionale und internationale Partner des Frankfurter Unternehmens, darunter die Austrian Airlines, die polnische Lot und British Midland. Deren Check-in-Prozesse laufen ebenso wie die der Lufthansa über das ausgefallene IT-System im Rechenzentrum Kelsterbach. Insgesamt, so eine Sprecherin, hatten 46 Fluggesellschaften direkt oder indirekt mit den Folgen der IT-Panne zu kämpfen. Die Frachttochter Lufthansa Cargo stellte den Transport innerhalb Europas teilweise auf LKWs um.

Wie es zu dem Ausfall kam, blieb zunächst unklar. Während einige Medien über Probleme während eines Software-Updates spekulierten, nannte die IT-Tochter Lufthansa Systems, die für den Konzern das Check-in-System betreibt, eine routinemäßige Hardwaremodernisierung als Ursache.

Karlheinz Natt, Chief Quality Officer für den Bereich Infrastruktur bei Lufthansa Systems, beschreibt den Hergang so: In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag habe man Daten der proprietären Check-in-Software "Unisys Standard Airline System" (Usas) auf ein moderneres Speichersubsystem migriert. Nach der Aktion seien in dem zugehörigen Betriebssystem "OS 2200" mehrere Routineprozesse im Zusammenhang mit der Datenhaltung angestoßen worden. Natt: "Einer dieser Prozesse hat das System zum Stillstand gebracht." Auch ein Reboot der Installation sei nicht mehr möglich gewesen.

Der Versuch, die Software auf dem alten, ebenfalls von Unisys stammenden Speichersystem zum Laufen zu bringen, schlug fehl. Das Betriebssystem meldete den gleichen Fehler wie auf dem Neusystem. Die IT-Veranwortlichen forderten daraufhin zusätzliche Spezialisten von Unisys an. Ihnen gelang es gegen 12.30 Uhr, die Anwendung auf dem alten Plattenspeicher wieder in Betrieb zu setzen.

Nach der exakten Ursache des Problems forschen Lufthansa Systems und Unisys derzeit in getrennten Teams, erläutert Natt. Nach seiner Darstellung handelte es sich bei dem Update um eine "Routineprozedur", wie sie in diesem Umfang ein bis zwei Mal pro Monat vorkomme. Insgesamt nehme man jedes Jahr rund 1000 Änderungen an der Software vor.

Die Lufthansa nutzt das Check-in-System des US-amerikanischen Herstellers bereits seit 1990. Zwar wurde die Installation immer wieder modernisiert, die Architektur jedoch blieb weitgehend unverändert. Dabei handelt es sich um eine Kombination aus proprietären Großrechnern des Typs "Clearpath" unter dem Betriebssystem OS2200 und der Anwendung Usas, die nach Herstellerangaben weltweit mehr als 200 Fluglinien nutzen.

Welche Konsequenzen Lufthansa Systems aus der IT-Panne zieht, könne man erst beantworten, wenn die genaue Ursache bekannt sei, so Natt. Ein Umstieg auf ein anderes System wäre für die Lufthansa mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden: Die Airlines nehmen in der Regel viele individuelle Anpassungen vor, berichtet der IT-Manager. Der entstandene Schaden lässt sich nach Angaben einer Konzernsprecherin noch nicht beziffern. Offen ist bislang auch, ob und welche Schadensersatzforderungen Lufthansa an Unisys stellt. Laut Natt werden derzeit die Verträge geprüft.

Unisys reagierte spät auf die zahlreichen Anfragen von Medienvertretern. Immer wieder musste die deutsche Tochtergesellschaft auf ein zugesagtes Statement der US-amerikanischen Zentrale verweisen. Erst am Montag sah sich das Management zu einer knappen Stellungnahme bemüßigt. Es handele sich um "komplexe Systeme", so die Verlautbarung. Man untersuche derzeit "alle möglichen Gründe", die zu einem solchen Fehler geführt haben könnten.