Unified Messaging

18.10.2001
Von Martin Seiler
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Geschwindigkeit ist Trumpf - dieses Motto gilt für Firmen, wenn sie via Fax, Telefon oder E-Mail Kontakt zu ihren Kunden und Partnern halten wollen. Die Vielfalt der Kommunikationsmittel kann aber auch Probleme bereiten. Richtig eingesetzt, sollen Unified-Messaging-Systeme helfen, die Kontrolle zu behalten.

Nie standen Unternehmen mehr Möglichkeiten zur Verfügung, sich elektronisch mit Partnern oder Kunden zu verständigen als heute. Telefon, Fax und E-Mail haben sich ihren festen Platz in den Firmen erobert und sind aus den Geschäftsabläufen kaum noch wegzudenken. Doch bei allen Vorzügen gibt es einen Nachteil, der sich störend auf den Kommunikationsfluss auswirken kann: Die Medien sind nicht miteinander verbunden, dadurch entstehen oft unnötige Verzögerungen und Komplikationen.

Getrennte Kommunikationswelten

Das beginnt damit, dass die Angestellten ihre elektronischen Postfächer, Sprach-Mailboxen und Faxe getrennt abfragen müssen. Auch der Versand erfolgt auf verschiedenen Wegen. Ist ein Mitarbeiter nicht im Büro, hat er entweder gar keinen oder nur begrenzten Zugriff auf die dort vorhandenen Kommunikationsmittel. Eingehende Anfragen kann er so nicht bearbeiten, Irrläufer nicht an den korrekten Adressaten weiterleiten. Schlimmstenfalls ruhen Vorgänge, bis er wieder zurück an seinem Arbeitsplatz ist.

Unified Messaging (UM) stellt eine Möglichkeit dar, mit derlei Problemen Schluss zu machen, indem es - vereinfacht gesagt - die verschiedenen im Unternehmen vorhandenen elektronischen Kommunikationsmittel zusammenführt. Ziel ist dabei, den Mitarbeitern den gleichzeitigen, gemeinsamen Zugriff auf alle an sie gerichteten Faxe, E-Mails und Sprachnachrichten zu geben. Außerdem sollen die Angestellten die Möglichkeit erhalten, aus dieser Umgebung heraus auch selbst die verschiedenen Übertragungskanäle direkt zu benutzen.

Ein weiterer Vorteil von UM ist, dass sich Redundanzen, etwa mehrfach vorhandene Adressbücher, vermeiden lassen. Gleichgültig, ob eine Nachricht per Fax, E-Mail oder SMS verschickt wird - UM bedient sich für alle Kommunikationsformen einer einzigen, zentralen Datenquelle. Dabei muss nicht unbedingt ein spezielles Verzeichnis eingerichtet werden, die meisten Lösungen sind in der Lage, sich in die Adressdatenbanken der Mail-Systeme "Exchange" von Microsoft oder "Lotus Notes" einzuklinken. Dabei beschränkt sich UM nicht nur auf die bereits genannten Techniken: Immer mehr Anbieter entsprechender Lösungen integrieren den Mobilfunk-Kurznachrichtendienst Short Message Service (SMS).

Anwender können so direkt aus ihrem UM-Client heraus dem Kollegen eine Mitteilung auf das Handy schicken. Künftig werden Instant-Messaging-Techniken oder Voice over IP (VoIP) integriert. Eher selten findet sich die Berücksichtigung der klassischen Briefpost in einem UM-System. Dies würde bedeuten, dass sämtliche Postsendungen bei ihrer Ankunft gescannt und in einem optischen Archiv gespeichert werden - ein zeitlicher und auch technischer Aufwand, der sich kaum lohnt.

Dafür findet sich im Zusammenhang mit UM sehr häufig die Forderung, die in der zentralen Eingangsbox vorliegenden verschiedenen Nachrichtentypen von möglichst jedem Zugangsgerät aus abrufen zu können. Neben dem Zugriff via Internet und Web-Browser gehört dazu beispielsweise, sich von unterwegs per Handy im Büro eingetroffene Mails durch das Unified-Messaging-System vorlesen zu lassen und ebenfalls via Mobiltelefon auch gleich darauf zu reagieren - Verfahren wie Text-to-Speech und das Wireless Application Protocol (WAP) machen’s möglich. Das hat allerdings seine Grenzen, etwa wenn ein Spreadsheet als Mail-Anhang eingetroffen ist. Auch wird nicht immer ein Faxgerät zur Verfügung stehen, auf das sich der Mitarbeiter ein wichtiges Dokument oder eine Mail weiterleiten kann.

Effektiver kommunizieren

Dennoch liegen die Vorteile von UM auf der Hand: Die Mitarbeiter können nicht nur effektiver kommunizieren, sondern sparen dabei sogar deutlich Zeit und damit unterm Strich dem Unternehmen auch bares Geld. Die Berliner Beratungsfirma Conber GmbH kommt in ihrer Studie "Die Auswirkungen von Unified Messaging auf die betriebliche Organisation" zu dem Schluss, dass nahezu alle Bereiche einer Organisation von verbesserten Reaktionszeiten, mehr Flexibilität beim Senden von Nachrichten und der Integration von Messaging in Anwendungen profitieren können. Die Autoren der Studie, Sebastian Jung und Martin Puhlmann, sehen in der Folge eine Effizienzsteigerung, die mit einer Senkung der Kosten für die Verwaltung der gesamten Messaging-Infrastruktur sowie niedrigeren Ausgaben für die Unternehmenskommunikation einhergeht.

Die Zeitersparnisse lassen sich konkretisieren. So ergab eine von den Unternehmen Comgroup und AVT initiierte Studie vom Januar 2000, dass Angestellte allein für das Überprüfen der "traditionellen" Nachrichteneingänge (Fax, E-Mail und Voice-Mail) etwa doppelt so lange brauchen, als dies mit einer UM-Lösung der Fall ist: Können alle Nachrichtentypen in einer einzigen Oberfläche angezeigt werden, dauert es lediglich drei Minuten, bis der Anwender einen Überblick über die eingegangenen neuen Mitteilungen hat. Gravierender sind die Unterschiede beim Fernzugriff: Hier braucht es fast 17 Minuten, um die einzelnen Eingangskanäle zu überprüfen – in den Tests mit Unterstützung durch UM waren es nur fünf Minuten.

Beim Empfangen und Versenden von Faxnachrichten lassen sich dabei die größten Zeitgewinne erzielen. Es verwundert daher auch nicht, dass viele Unternehmen über diese Funktion den Einstieg in das Unified Messaging angehen. Da die meisten UM-Lösungen modular aufgebaut sind, erleichtert dies die stufenweise Integration der Kommunikationsmittel ebenfalls. Reiner Ahle, Solution Consultant bei Ericsson Business Networks (EBN), berichtet, dass die meisten Kunden diese Herangehensweise bevorzugen: "Es passiert eher selten, dass eine Firma gleich die gesamte UM-Palette haben möchte." Selbst wenn Unternehmen eine umfassende Lösung anstreben, empfehle sich die stufenweise Einführung schon deswegen, weil dann der produktive Betrieb nicht so sehr gestört werde.

Schrittweise einsteigen

Die Einführung einer UM-Lösung umfasst mehrere Komponenten. Dazu gehören der Server, auf dem das UM-System läuft, ein Fax-Gateway und der dazugehörige Fax-Server sowie eine oder mehrere ISDN-Faxkarten. Hinzu kommen unter Umständen dann noch das SMS-Gateway und das Voice-Mail-Gateway. Neben den Kosten für diese Module werden noch Lizenzgebühren für die Benutzung der Software fällig. Für eine komplette Lösung inklusive eines Funkmodems für den drahtlosen Versand von SMS-Nachrichten verlangt beispielsweise der Anbieter Ferrari Electronic rund 21000 Mark (Notes-Version mit fünf Benutzern). Soll der Hersteller die Lösung implementieren, müssen Unternehmen dies extra bezahlen. Die Conber-Studie kommt auf durchschnittliche Installationskosten von etwa 500 bis 1000 Mark pro zu integrierenden Arbeitsplatz.

Erleichtert wird eine UM-Einführung dadurch, dass bereits vorhandene Messaging-Lösungen wie Microsoft Outlook/Exchange oder Lotus Domino/Notes in der Regel weiterbenutzt werden können. Die von Herstellern wie CAE, Com:On oder Tobit angebotenen Produkte klinken sich in diese Kommunikations-Tools ein und erweitern deren Funktionsumfang. Die Mitarbeiter können mit ihrem gewohnten E-Mail-Client weiterarbeiten, haben aber zusätzlich neue Dienste zur Verfügung. Zusätzlich bieten die meisten UM-Produkte Connectoren zu Office-Lösungen sowie Customer-Relationship-Management-(CRM-) oder Enterprise-Resource-Planning-(ERP-)Systemen.

Faxen direkt aus Anwendungen

Der "Communication Server One" von Topcall etwa unterstützt nach Angaben von Stefan Zeitler, Marketing-Manager Deutschland, sämtliche Connectoren, die SAP anbietet (unter anderem Sapcomm, Sapconnect, RB Tele und Sapphone). Das ermöglicht beispielsweise einem Sachbearbeiter, direkt aus der Arbeit mit einem SAP-R/3-Modul heraus ein Fax zu verschicken. Bei der Einführung einer UM-Lösung ist vor allem darauf zu achten, welche Schnittstellen das jeweilige Produkt unterstützt. Die bereits erwähnte Conber-Studie weist diesem Bereich oberste Priorität innerhalb eines solchen Projekts zu. Neben Software-Schnittstellen zur Anbindung von Mail- oder auch Datenbanksystemen ist vor allem abzuklären, ob der reibungslose Austausch zwischen dem angepeilten Produkt und der im Haus installierten TK-Anlage möglich ist. Das ist wichtig, damit Voice-Mails problemlos übergeben werden, spielt aber auch bei der Nutzung von Computer-Telephony-Integration (CTI) eine Rolle.

Ericsson-Mann Ahle mahnt zudem, bei der Auswahl einer UM-Lösung größten Wert auf Performance und Ausfallsicherheit zu legen: "Die meisten Systeme sind PC-basiert, aber da sie an die TK-Anlage angeschlossen werden, erwarten die Anwender eine Verfügbarkeit rund um die Uhr." Außerdem sollten Unternehmen darauf achten, dass nur hochwertiges Equipment zum Einsatz kommt. Bei einem Faxaufkommen von mehreren tausend Sendungen pro Tag könne es sonst passieren, dass die Faxkarte im Server den Dienst aufgibt, warnt der Consultant. Christian Nicolai, Vorstand Vertrieb bei Ferrari Electronic, empfiehlt zu überlegen, ob die Weitverkehrsanbindung zwischen vernetzten Standorten ausreichend leistungsfähig ist: "Bei einer 64-Kbit-ISDN-Wählverbindung kann es da schon eng werden."

Die Dauer einer UM-Implementierung hängt stark vom jeweiligen Projekt ab. Consultant Ahle zufolge ist die eigentliche Implementierung in fünf bis zehn Tagen zu schaffen. Nach seiner Erfahrung steckt die meiste Arbeit darin, abzuklären, was der Kunde genau will, welche User-Profile es im Unternehmen gibt, welche Leistungsmerkmale "scharf" geschaltet werden sollen und welche nicht. Außerdem gelte es herauszufinden, welche Vorarbeiten an den miteinander zu verbindenden Systemen noch zu leisten sind: "Unter Umständen muss Notes oder SAP modifiziert werden, was im Prinzip unproblematisch ist." Es sei jedoch möglich, dass der Kunde irgendwelche Einstellungen an seinem System vorgenommen hat, die Schwierigkeiten verursachten. So verlangt die von Ericsson eingesetzte Lösung des US-Anbieters Captaris eine Modifikation der Mail-Templates von Notes. Da die meisten Kunden nicht die Standardvorlagen einsetzen, sondern diese verändern, muss im Vorfeld abgeklärt werden, wie das Template von Ericsson mit dem des Kunden zusammenpasst.

Alternative: UM als Dienstleistung

Unternehmen, die angesichts möglicher Probleme vor einem Eingriff in ihre IT zurückschrecken, haben alternativ die Möglichkeit, UM als gehostete Dienstleistung eines Application-Service-Providers zu nutzen. Firmen wie die Web.de-Tochter Workways offerieren Geschäftskunden eine integrierte Kommunikationszentrale, auf die sie via Internet oder WAP-Handy zugreifen können. Sie vereint E-Mail, Fax, Voice-Mail und SMS.

"Workways UC – Unified Communication for Professionals" erlaubt Angaben des Unternehmens zufolge sogar den Faxversand direkt aus gängigen Office-Anwendungen wie Word oder Excel. Auch müssen Anwender nicht unbedingt mit dem Browser arbeiten, wenn sie den Service nutzen wollen, Faxe und SMS-Nachrichten lassen sich von der gewohnten Outlook-Umgebung senden und empfangen. Von unterwegs besteht die Möglichkeit, via WAP-fähiges Handy das Postfach auf Neueingänge zu überprüfen. Dabei sollen sich

E-Mails lesen, schreiben und senden lassen. Nur eine Text-to-Speech-Funktion, die das Vorlesen von Nachrichten erlaubt, fehlt derzeit noch. Dafür steht in Form des "Kontaktcenters" seit kurzem eine Funktion bereit, die Benutzern anzeigt, ob für sie wichtige Kontaktpersonen gerade online sind. Diesen können dann Kurzmitteilungen, so genannte Telegramme, nahezu in Echtzeit zugeschickt werden. Adressen lassen sich mit den im persönlichen Mail-Client vorhandenen Angaben synchronisieren.

Boom für Services?

Analysten prognostizieren dieser Form des Unified Messaging eine gute Zukunft. So geht International Data Corp. (IDC) davon aus, dass sich die Zahl der gehosteten UM-Mailboxen von einer Million im Jahr 1999 bis 2004 auf 38 Millionen erhöhen wird. Der Löwenanteil davon entfällt den Marktforschern zufolge auf die Vereinigten Staaten, doch auch im europäischen Raum soll diese UM-Variante auf steigende Akzeptanz stoßen. Ferrari-Vorstand Nicolai ist jedoch noch skeptisch: "Für Anwender, die keinen eigenen Mail-Server installieren wollen, kann ein gehosteter UM-Service eine echte Alternative sein. Aber die meisten Firmen in Deutschland wollen die Kontrolle über ihre E-Mail-Kommunikation nicht aus der Hand geben."

Er sieht daher gute Chancen für UM-Lösungen, die direkt im Unternehmen installiert werden, auch wenn er die Euphorie der Analysten nicht ganz teilen kann. So glaubt der Manager, dass ein Markt für UM "definitiv vorhanden" ist, aber die in den verschiedenen Studien angegebenen Wachstumsraten haben seiner Meinung nach "nichts mit der Realität zu tun".

Firmen, die sich zu einer Einführung von UM entschieden haben, sollten auf jeden Fall bedenken, dass dabei nicht nur die Technik eine Rolle spielt. So weist die Berliner Beratungsfirma Conber GmbH darauf hin, unbedingt auch das Personal bei der Planung zu berücksichtigen. Wenn die Mitarbeiter die Technik nicht akzeptieren und aktiv benutzen, können Unternehmen nach Meinung des Beratungshauses auch das Potenzial einer integrierten Kommunikationslösung nicht ausschöpfen.