Projekt Odin bringt Ergebnisse für das Software-Engineering

Uni Karlsruhe: Neben Forschung Kapazitäten für den Mittelstand

22.02.1991

Die Universität Karlsruhe ist bereits seit Jahren ein Supercomputer-Zentrum . Der erste Höchstleistungsrechner, eine Cyber 205, wurde 1983 installiert. Mit dem im letzten Herbst in Betrieb genommenen Supercomputer S400/10 der Siemens Nixdorf Informationssysteme AG steht den Karlsruhern nun ein Rechner der neuen Generation zur Verfügung, der die zehnfache Leistung des CDC-Rechners aufweist.

In den kommenden Wochen wird dieser Rechner noch einmal hochgerüstet zum S600/20 und um einen Faktor 2,5 schneller gemacht. Dann steht in Karlsruhe einer der schnellsten Computer der Welt.

Die Universität Hannover und die Technische Hochschule Aachen wollen bald nachziehen und beide einen Rechner der gleichen Bauart aufstellen. Das Kernforschungszentrum Karlsruhe wird seinen Vektorrechner VP400-EX mit dem der Universität im Verbund koppeln.

Der schon installierte Rechner ist eine der leistungsfähigsten Monoprozessor-Anlagen in Europa. Er erreicht eine Spitzenleistung von 2 Gflops (Milliarden Rechenoperationen pro Sekunde).

Der "Trick" ist die Vektorverarbeitung

Möglich wird diese Geschwindigkeit durch ECL/VLSI-Chips des japanischen Herstellers Fujitsu mit einer Packungsdichte von 15000 Gates und einer Signalverzögerungszeit von nur 80 Picosekunden, woraus eine Zykluszeit von vier Nanosekunden resultiert. Das Flaggschiff der S-Serie bringt es bei 3,2 Nanosekunden auf 5 Gflops, und zwar auf einem einzigen Prozessor, also ohne die Notwendigkeit der Parallelisierung.

Nicht weniger wichtig als die Rechnergeschwindigkeit ist die Größe des Halbleiterspeichers. Mußte man in Karlsruhe vor ein paar Jahren noch mit den 32 MB der Cyber 205 auskommen, so bietet der S400/10 bereits 512 MB, die mit dem Ausbau zum S600 auf 2 GB vergrößert und durch einen Halbleiter-Erweiterungsspeicher auf 4 GB ergänzt werden. Mit der um den Faktor 25 höheren Rechenleistung geht also eine Speichervergrößerung um den Faktor 200 einher.

Doch die verfügbare Technologie für Prozessorlogik und Speicherbausteine liefert nur einen - allerdings ganz wesentlichen - Beitrag zur Geschwindigkeit dieser Superrechner. Der eigentliche "Trick" zum Erreichen dieser Supergeschwindigkeit ist die Vektorverarbeitung. Während ein konventioneller (skalarer) Rechner bei jeder Operation die benötigten Zahlen einzeln aus dem Speicher holt, schrittweise verarbeitet und das Ergebnis wieder abspeichern muß, arbeitet der Vektorrechner nach dem Fließbandprinzip (Pipelining): Ein Maschinenbefehl genügt, um ganze Zahlenreihen (Vektoren) untereinander zu verknüpfen. Pro Zyklus - im Beispiel des S600 also 3,2 Nanosekunden - können bis zu vier Ergebnisse erzeugt werden. Zusätzlich sind mehrere Pipelines vorhanden die parallel zueinander arbeiten können .

Weiterentwicklung der Softwaretechnologie

Ein Schwerpunkt der Arbeit mit dem Supercomputer in Karlsruhe ist ein Kooperationsprogramm der Universität mit SNI. Das Projekt trägt den Namen Odin (Optimale Datenstrukturen und Algorithmen für Ingenieur- und Naturwissenschaften auf Supercomputern), wurde 1988 initiiert und hat seither vor allem Ergebnisse im Bereich neuer Softwaretechnologien erbracht.

Ziel des Projekts ist es, das modelltechnische und algorithmische Know-how der Universität mit dem Know-how von SNI zusammenzuführen. Konkrete Ergebnisse gibt es inzwischen in drei Bereichen:

- Basis-Programme der linearen Algebra wurden hoch optimiert, so daß viele Anwendungen, die diese Programme benutzen, erheblich beschleunigt werden können, ohne daß dem Anwender zusätzliches Know-how abverlangt wird.

- Programme, die Methoden der finiten Elemente für Anwendungen zum Beispiel im Maschinenbau umsetzen, konnten weiterentwickelt und optimiert werden.

- Der Supercomputer wurde in eine Umgebung eingebettet, die Wissenschaftlern und Ingenieuren komfortablen Zugang von der Workstation aus ermöglicht.

Supercomputer Anwendungen

Mit der neuen Rechnergeneration ergeben sich ganz neue Möglichkeiten der numerischen Simulation. Dieses Werkzeug des "Computerlabors" hat in den letzten Jahren neben Theorie und Experiment als dritte Säule der Forschung Einzug in viele Disziplinen gehalten. In Karlsruhe gehören dazu vor allem der Maschinenbau, das Bauingenieurwesen, die Strömungsmechanik, die Chemie und die Physik.

Die Anlage steht im Verbund mit dem Kernforschungszentrum Karlsruhe, der Universität Kaiserslautern sowie mehreren anderen Universitäten des Landes Baden-Württemberg und seiner Nachbarländer. Auch Forscher internationaler Fakultäten nutzen den Rechner.

Daneben bieten die Karlsruher auch der mittelländischen Industrie ihre Supercomputer-Leistung an. ln diesem Sektor arbeiten nicht einmal zwei Prozent mit einem Universalrechner. Das Thema "Supercomputer" ist praktisch unbekannt.

Dabei sind die Aufgabenstellungen, die mittelständische Unternehmen zu bewältigen haben, durchaus für Supercomputer geeignet. Aber meistens werden die Berechnungsmethoden nur in einem relativ kurzen Zeitraum während der Entwicklungsphase eines Produktes gebraucht. Ein Beispiel dafür ist die Methode der finiten Elemente (FEM).

Die Universität bietet verschiedene Möglichkeiten der Zusammenarbeit an:

- Direkte Nutzung mit nur geringer personeller Unterstützung durch das Rechenzentrum:

Dieses Modell kommt in Frage, wenn das Unternehmen selbst erprobte Programme und geschultes Personal hat und nur die hohen Rechenleistungen und große Speicherkapazität des Supercomputers in der Universität benötigt. Hierbei empfiehlt sich die Nutzung des Supercomputers über Datenleitungen, zum Beispiel Datex-P, von den eigenen Workstations oder PCs aus.

- Direkte Nutzung mit starker personeller Unterstützung durch das Rechenzentrum:

Oft sind im Unternehmen zwar Fachingenieure vorhanden, nicht aber das Numerik-Fachwissen, das für die optimale Nutzung des Supercomputers nötig ist. Die Unterstützung durch Numerik-Experten kann das Rechenzentrum im Rahmen seiner personellen Möglichkeiten zur Verfügung stellen. Hierbei können die Endgeräte (Workstations, Plotter) des Rechenzentrums benutzt werden.

- Indirekte Nutzung unter Beteiligung eines Fachinstituts:

Wenn das Unternehmen für seine Aufgabe auch ingenieurtechnische Unterstützung durch ein Institut der Universität wünscht, wird sich das Rechenzentrum bemühen, einen Partner zu finden.