Kerngeschäft aus den Augen verloren

Unerwartet hoher Verlust stellt Informix vor große Probleme

11.04.1997

Informix gab bekannt, man rechne im ersten Quartal lediglich mit einem Umsatz von 130 bis 145 Millionen Dollar. Im vergleichbaren Vorjahreszeitraum hatte das Unternehmen Einnahmen von 204 Millionen Dollar verbucht. An der Wall Street, wo sogar ein Umsatzsprung auf 250 Millionen Dollar erwartet worden war, quittierten die Anleger die Hiobsbotschaft mit hastigen Verkäufen: Der Aktienkurs fiel um mehr als ein Drittel auf einen Wert zwischen acht und neun Dollar.

Informix begründet das Desaster mit einem Marketing-Fehler. Die öffentliche Aufmerksamkeit sei voll auf das neueste Datenbankprodukt "Universal Server" gelenkt worden. Dabei handelt es sich um ein objektrelationales Hybridsystem, das auf der eigenen relationalen Datenbanktechnik basiert, die mit dem zugekauften Multimedia-System von Illustra verschmolzen wurde.

Zwar bescheinigten Analysten dem Anbieter, den Nerv des Internet-Zeitalters getroffen zu haben; Systemen, die nicht nur Text- und Zahlenmaterial, sondern auch Multimedia-Daten wie Video, Sound, Fotos etc. speichern und ganze Web-Seiten verwalten können, gehöre die Zukunft. Offenbar läßt jedoch der Boom auf sich warten.

Marktbeobachter bezeichnen den Universal Server angesichts der Quartalsschwäche zwar noch nicht als Flop, doch sie prophezeien, daß sich Informix bei der Vermarktung auf längere Zeiträume einstellen müsse. Offenbar wurde eine Menge Geld in die voreilige Vermarktung eines Zukunftsprodukts gesteckt, alle anderen Geschäftszweige haben die Softwerker sträflich vernachlässigt.

White: "Verliebt in unsere Technologieführerschaft"

"Wir waren buchstäblich verliebt in unsere Technologieführerschaft und haben darüber unser Kerngeschäft aus den Augen verloren", räumte Informix-Chef Phil White gegenüber Investoren ein. Auch die Reorganisation des Vertriebs habe noch nicht die erwarteten Erfolge gebracht. Vor allem in Europa verfehlte man die Umsatzziele, während Oracle hier kräftig zulegen konnte.

Der Marktführer, der Informix in den vergangenen Monaten eine erbitterte Marketing-Schlacht geliefert hatte, ist seinen Kunden bisher die eigene Variante einer Multimedia-Datenbank - ebenfalls als Universal Server deklariert - schuldig geblieben. Oracle-Anwender scheint das nicht weiter zu stören. Sie warten gelassen auf das für Mitte dieses Jahres in Aussicht gestellte "Oracle 8" und machen keine Anstalten, auf das System des Wettbewerbers Informix zu wechseln.

Zu all den Sorgen, die Informix mit Oracle hat - unter anderem ist der Rechtsstreit um angeblich von Oracle abgeworbene Topentwickler noch nicht beendet - kommt hinzu, daß mit Microsoft ein weiterer Gegner in den Ring gestiegen ist. Mit seinem SQL Server, der als Bestandteil des Back-Office-Pakets angeboten wird, hat sich Bill Gates vor allem im unteren Marktsegment schon jetzt ein unerwartet großes Stück vom Datenbankkuchen abgeschnitten.

Zwar werden dem Produkt Mängel in puncto Performance, Zuverlässigkeit und Skalierbarkeit nachgesagt (siehe CW Nr. 14 vom 4. April 1997, Seite 15), doch handelt es sich um ein konkurrenzlos preiswertes Low-end-System, das in jede PC-Umgebung ohne allzu großen Aufwand eingeführt werden kann. Auf die Preisstrukturen angestammter Anbieter wie Informix und Oracle dürfte der Eintritt von Microsoft in dieses Geschäft spürbare Auswirkungen haben.