US-Unternehmen verlieren Milliarden durch Exportbeschränkungen

Uncle Sam schneidet sich ins eigene Fleisch

27.03.1987

WASHINGTON - Die Außenhandelsrestriktionen der Vereinigten Staaten werden von Wirtschaftswissenschaftlern für den Verlust von

188 000 amerikanischen Arbeitsplätzen und eine Umsatzeinbuße von mehr als neun Milliarden Dollar verantwortlich gemacht. Diese für die Industrie alarmierenden Zahlen hat kürzlich die Washingtoner Nationale Akademie der Wissenschaften (NAS) publiziert.

Die Aussagen des NAS-Reports waren Wasser auf die Mühlen der Computer and Business Equipment Manufacturers Association (CBEMA), des betroffenen Industrieverbands in der US-Hauptstadt. "Unsere Mitgliedsfirmen sagen schon seit Jahren, daß viele der Exportvorschriften uns Milliarden von Dollar kosten, ohne in irgendeiner Weise die nationale Sicherheit zu erhöhen", triumphiert CBEMA-Präsident Vico E. Henriques. "Wir zwingen unseren Kunden in den westlichen Ländern viel Papierkrieg auf."

Schützenhilfe bekam die CBEMA von der American Electronics Association, der das Fazit der Studie - Titel: "Balancing the National Interest: U.S. Security Export Controls and Global Economic Competition" - ebenfalls sehr gelegen kam. In achtzehnmonatiger Arbeit waren die Forscher zu dem Ergebnis gekommen, daß die in den letzten Jahren vorgenommenen Korrekturen der amerikanischen Außenhandelspolitik mögliche Schwächen auf dem Gebiet der militärischen Sicherheit überkompensiert hätten. Die Regierung habe es nicht geschafft, gleichermaßen das wirtschaftliche Wachstum zu fördern. Außerdem sei in der Export-Kontrollpolitik keine klare Linie zu erkennen; wer auf Regierungsebene in diesen Dingen den Ton angebe, bleibe unerfindlich, kritisierte die NAS mit Blick auf das Kompetenzgerangel zwischen Handels-, Verteidigungs- und Außenministerium.

Die harsche Abrechnung des Forscherpanels mit der Reagan-Administration gipfelte in dem Vorwurf, hier würden nicht nur überflüssige Barrieren im Handel mit nichtkommunistischen Staaten aufgebaut, sondern auch unmittelbar die Beziehungen zum Cocom beeinträchtigt. Das in Paris ansässige Cocom ist die multilaterale Organisation, nach deren Empfehlungen sich die meisten westlichen Nationen beim Erlaß von Ausfuhrbestimmungen richten.

In einem Anhang zur NAS-Untersuchung stellt die Washingtoner Consulting-Firma Quick, Finan & Associates fest, bei "sehr konservativer Schätzung" betrügen allein die unmittelbaren kurzfristigen Schäden die der US-Handelsbilanz entstünden, für 1985 an die 9,3 Milliarden Dollar. Die Summe wird wie folgt aufgeschlüsselt:

- Verwaltungsaufwand für die Unternehmen: 500 Millionen Dollar

- Umsatzeinbußen im Handel mit westlichen Ländern: 5,9 Milliarden Dollar;

- Umsatzeinbußen im Handel mit östlichen Ländern: 1,4 Milliarden Dollar;

- verminderte Ausgaben für Forschung und Entwicklung: 500 Millionen Dollar;

- Gegenwert verweigerter Exportlizenzen: 500 Millionen Dollar

- Gewinneinbußen im Außenhandel: 500 Millionen Dollar.

Für jede Milliarde Dollar verhinderter Exporte veranschlagten die Volkswirtschaftler einen Verlust von 25 800 Arbeitsplätzen - mithin bei 7,3 Milliarden Dollar Minder-Umsatz rund 188 000 vernichtete Jobs. Diese blamable Bilanz einer ungeliebten Politik rief auch das Joint Economic Committee im US-Kongreß auf den Plan. Dieser parlamentarische Wirtschaftsausschuß erinnerte daran, daß die USA im vorigen Jahr erstmals ein Handelsdefizit im Technologie-Sektor erwirtschaftet hatten - mit High-Tech-Einfuhren die die Ausfuhren um 2,6 Milliarden Dollar übertroffen hätten. Noch 1980 hatten die Staaten mit einem Überschuß von 27 Milliarden Dollar glänzend dagestanden.

Jetzt wartet die Front der Restriktionsgegner auf politische Entscheidungen. Einige Rezepte liegen schon auf dem Tisch. Die NAS-Studie etwa empfiehlt:

- die Genehmigungspflicht für Produkte aufzuheben, die technisch wenig anspruchsvoll sind

- Wiederausfuhrkontrollen für solche Produkte aufzuheben, die für die Auslieferung in andere Cocom-Staaten bestimmt sind;

- den Ablauf des Verfahrens zu beschleunigen, in dem die "Verfügbarkeit im Ausland" überprüft wird - danach soll ein Produkt, das auch außerhalb der USA von nichtamerikanischen Unternehmen angeboten wird, innerhalb längstens 20 Tagen eine Lizenz erhalten;

- bessere Instrumente für die Lösung von Konflikten zwischen den beteiligten Ministerien zu schaffen - so kann das Verteidungsministerium, wenn es auch nicht die offizielle Politik bestimmt, mit seinem Veto doch das State Department und das Handelsministerium in Schach halten.

Malcolm Baldrige, Chef des Department of Commerce, hat kürzlich einen Vorstoß gewagt, den ihm einige Polit-Kollegen ziemlich übelgenommen haben. Ohne große Abstimmung mit anderen Beteiligten kündigte er einen Elf-Punkte-Plan an, mit dem die Mißstände bekämpft werden sollen, die sich aus übertriebenem Sicherheitsdenken ergeben haben. "Wir sind zu weit gegangen", gestand Baldrige, denn inzwischen benötigten schon 40 Prozent aller US-Waren für den Export eine Genehmigung der Regierung.

Um 20 Prozent soll der Plan der US-Administration das Aufkommen an Lizenzverfahren senken helfen - ausgehend von einem heutigen Wust von 120 000 Anträgen jährlich. Auf diese Weise meinen die Wirtschaftspolitiker in Washington die abtrünnigen ausländischen Kunden wiedergewinnen zu können. Für den Trend, den es zu stoppen gilt, hat Baldrige ein für amerikanische Ohren schockierendes Schlagwort geprägt. Es heißt "De-Americanization" .