Rücknahme und Neuentwicklung sind teuer

Umweltverordnung begünstigt die großen Hardware-Hersteller

10.01.1992

Geht es nach dem Bundesumweltminister, müssen Hersteller, Händler und Importeure ab 1994 ausgediente Geräte zurücknehmen, egal ob sie aus ihrem Sortiment stammen oder nicht. Zudem werden sie zum Recyceln der Geräte verpflichtet. Die Umweltbehörde hofft, daß die Produkte deshalb bereits unter dem Gesichtspunkt der Wiederverwertbarkeit hergestellt werden. Dies erfordert jedoch noch viel Entwicklungs- und Forschungsarbeit, also Ausgaben. Diese können sich aber laut Axel Schönfeld* nur noch die großen Hersteller leisten.

Die seit einem Jahrhundert übliche Abfallentsorgung mit Sammlung, Transport, Lagerung, Kompostierung, Verbrennung geht von der Voraussetzung aus, daß Abfälle

- biologisch abbaubar,

- grundwasserunschädlich ablagerbar,

- ohne Schadstoffemissionen verbrennbar und

- genügend Deponien verfügbar sind.

Die Entwicklung unserer Konsum- und Arbeitswelt hat zu einer immer größeren Produktvielfalt geführt, auf die die genannten Voraussetzungen meist nicht zutreffen. Dies gilt auch für den Elektronikschrott.

Nach dem Bundesabfallrecht sind die öffentlichen Körperschaften für die Abfallentsorgung verantwortlich. Diese sind jedoch immer weniger in der Lage, die steigenden Müllmengen ökologisch vertretbar zu entsorgen. In den neuen Bundesländern gibt es faktisch fast noch keine dem heutigen Standard entsprechende Entsorgungsanlagen. Müllverbrennungsanlagen stoßen auf immer größere Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung.

Hinzu kommt, daß sich Produzenten und Verbraucher bei Produktdesign, Produktion und Kaufentscheidung bisher kaum Gedanken über den Verbleib eines ausgedienten Produktes machen.

Recycling ist eine allgemeine Forderung in Öffentlichkeit und Politik. Die Realisierung gestaltet sich aber noch schwierig. Gründe dafür sind Verbundmaterialien, Verbundkonstruktionen, Reinheitsforderungen an Einsatzstoffe, optische Anforderungen, Produktminiaturisierung und die Internationalisierung der Produktmärkte.

Computer nehmen hinsichtlich ihrer Lebensdauer eine mittlere Stellung ein. So erscheinen im PC-Bereich die jeweiligen Geräte meist nicht länger als neun Monate in den Katalogen. Professionelle Anwender tauschen ihre Anlagen schon nach zwei Jahren aus.

Mit dieser schnellen Entwicklung hält die Entsorgungstechnik bisher bei weitem nicht Schritt. Mit dieser Aufgabe wären die öffentlichen Abfallentsorger auch bei weitem überfordert. Dieser Herausforderung müssen sich Hersteller, Vertreiber und Nutzer elektronischer und elektrischer Geräte stellen.

Mit einer Verordnung nach ° 14 des Abfallgesetzes, die im Entwurf vorliegt, will der Verordnungsgeber Hersteller und Vertreiber, Importeure sowie Verbraucher von elektronischen Geräten verpflichten, alte Geräte einer Verwertung zuzuführen und nur Geräteteile einer geordneten Entsorgung zuzuleiten, die sich nachweislich nicht verwerten lassen. Im normalen Hausmüll sollen diese Abfälle nicht landen.

Die Verordnung bezieht sich auf folgende Geräte:

1. Haushaltsgeräte,

2. Geräte der Unterhaltungselektronik,

3. Geräte und Anlagen der Büro-, Inforrnations- und Kommunikationstechnik,

4. Geräte für den Geldverkehr,

5. Elektrowerkzeuge,

6. Meß-, Steuerungs- und Regelungsanlagen,

7. Beleuchtungsartikel (Lichttechnik),

8. Spielzeuge,

9. Uhren,

10. Geräte der Labor- und Medizintechnik,

11. Geräte der Bildaufzeichnung und -wiedergabe, soweit sie elektrische oder elektronische Bauteile enthalten.

Die Vertreiber von elektrischen und elektronischen Geräten werden durch die Verordnung verpflichtet, beim Verkauf eines Gerätes vom Endverbraucher auf dessen Wunsch ein gleichartiges gebrauchtes Gerät in der Verkaufsstelle zurückzunehmen oder bei Lieferung abzuholen. Er muß dem Endverbraucher für ein gebrauchtes Gerät auch ohne Neukauf eine von Herstellern und/oder Vertreibern eingerichtete Annahmestelle benennen, sofern er das Gerät nicht in seiner Verkaufsstelle zurücknimmt. Die Rücknahmeverpflichtungen werden erst nach einem Zeitraum in Kraft treten, der für den Aufbau der Annahmelogistik erforderlich ist. Vorgesehen ist das Jahresende 1993. Das Umweltbundesamt geht davon aus, daß von der Rücknahmeverpflichtung jährlich zirka 800 000 Tonnen Elektronik- und Elektrogeräteschrott betroffen sein werden, in denen zirka 100 000 Tonnen elektronische Geräte enthalten sind. Unter Schrott fallen neben Metallen auch Kunststoffe, Bildröhrenglas und elektronische Bauteile.

Durch die Verordnung sollen die Entwickler und Hersteller veranlaßt werden, bereits bei der Produktplanung die Gesichtspunkte der Abfallvermeidung und umweltverträglichen Verwertung gebrauchter Geräte durch Substitution umweltgefährdender Stoffe und Materialien, durch Erhöhung der Reparaturfreundlichkeit, der leichten Demontagemöglichkeit sowie der Verwendung wiederverwertbarer Produktteile und Materialien zu berücksichtigen.

Zudem sollen DV-Hersteller, Händler und Importeure Sammelstellen für Altgeräte einrichten, die für den Endverbraucher leicht erreichbar sind, die Voraussetzung für eine hohe Rücklaufquote. Die zurückgenommenen Geräte oder Geräteteile sollen einer erneuten Verwendung oder einer vorrangig stofflichen Verwertung zugeführt werden, wobei die Kosten für Sammlung, Verwertung und Entsorgung gebrauchter Geräte in den Neupreisen enthalten sind.

Insgesamt verlagert die Verordnung die Verantwortung für die Entsorgung gebrauchter elektronischer und elektrischer Geräte vom Endverbraucher zurück in den Distributions- und Produktionsbereich.

Die Preise für Geräte der Büro-, Informations- und Kommunikationstechnik werden sich mit Inkrafttreten der Rücknahmeverpflichtungen ohne Zweifel verteuern. Dies nimmt die Behörde bewußt in Kauf, da so die Entsorgungskosten den Abfallverursachern wie Hersteller, Handel und Kunden zugeordnet werden.

Der bisher übliche Weg des Recyclings, der im Prinzip für alle Hersteller und Produkte gangbar ist, ist der des Material-Recyclings. Dabei werden heute - am Beispiel von Computern sei dies ausgeführt - bei einem optimalen Material-Recycling zirka 82 Prozent des Materials verwertet. Zirka 50 Prozent sind Eigenschrott, zirka 30 Prozent sind NE-Metalle (Buntmetalle und Aluminium). Die restlichen 18 Prozent bestehen größtenteils aus Kunststoffen und Gläsern verschiedener Zusammensetzung, Kondensatoren, Batterien und Leiterplatten.

Während die Computerindustrie auf die 85 Prozent Recycling-Quote verweist, die übrigens bisher nur bei Großrechnern und nur vereinzelt im PC-Bereich erreicht wird, sehen die Abfallverantwortlichen besonders auf die bisher nicht verwertbaren 18 Prozent, die konzentriert auch die umweltgefährdenden Stoffe enthalten (Schwermetalle, Arsen, halogenorganische Verbindungen).

Eine Steigerung der Verwertungsquote beim Material-Recycling ist zwar noch denkbar, sie muß aber mit überproportional wachsenden Kosten und Energieverbrauch erkauft werden. Sie ist umso eher möglich, je größer die Fertigungstiefe der Hersteller und damit ihr detailliertes Wissen um die Materialzusammensetzung der Bauteile ihrer Produkte ist. So ist nur die Absicht eines Herstellers bekannt, das Recycling des Bildschirmglases in Angriff zu nehmen, da er auch auf die Bildschirmherstellung für seine Produkte im Produktionsverbund Zugriff hat.

Keine exakten Zahlen über Abfallmengen

Für "intelligent" konstruierte elektronische Geräte der Zukunft wird das Material-Recycling erst die zweite Wahl sein, nachdem alle wiederverwendbaren Teile aus den gebrauchten Geräten automatisiert

entnommen wurden. Bis zirka zum Jahre 2005 werden wir nur noch elektrische und elektronische Geräte in Gebrauch haben, bei deren Konstruktion und Produktion die zukünftige Entsorgung noch keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt. Bei Computern dürfte dieser Zeitraum jedoch viel kürzer sein.

Bauteile-Recycling, das heißt die Wiederverwendung verschleißfreier oder verschleißarmer Bauteile aus elektronischen Geräten, wird für Hersteller allein aus Kostengründen eine größere Rolle spielen. So wie heute komplizierteste elektronische Schaltungen von Lötrobotern zusammengefügt werden, werden sie in Zukunft auch von Robotern nach dem Entlöten wieder auseinandergenommen.

Bisher liegen keine exakten Zahlen über die jährlich zu entsorgenden Computerabfallmengen vor. Schätzungen gehen von 7500 Tonnen pro Jahr aus, Tendenz steigend. Bezogen auf das Aufkommen von Halbleitern, Platinen und Bauelementen für alle elektronischen Geräte wurde von uns eine grobe Abschätzung auf 20-30 000 Tonnen pro Jahr vorgenommen. Da Im- und Export von Bauelementen sich bei leichtem Exportüberschuß die Waage halten, stimmt die ermittelte Menge von zirka 24 600 Tonnen pro Jahr mit unserer Grobabschätzung überein.

Neben dem Bauelemente-Recycling wird Modultausch in Zukunft drastisch zur Reduzierung von DV-Abfall führen. Die elektromechanischen Komponenten, das heißt vor allem Laufwerke, Lüfter und Tastaturen, sind einem mechanischen Verschleiß ausgesetzt; Bildröhren verschleißen chemisch (Wärme-, Elektronen- und elektromagnetische Strahlenbelastung). Bildröhren haben heute effektive Lebensdauern von zirka 10 000 Stunden, Festplatten von zirka 20 000 Stunden, Lüftergebläse von zirka 30 000 Stunden. Keyboard-Tasten vertragen bis zu 10 Millionen Anschläge pro Taste. Die Gehäuse sind praktisch zeitlich unbegrenzt haltbar.

Durch Wiederverwendung gebrauchter Geräte, Reparatur,

Wiederinstandsetzung durch Modulaustausch, technische Hochrüstung älterer Geräte kann die Nutzungsdauer von Produkten verlängert werden. Eine Verlängerung der Lebensdauer von Computern erfordert neben einer verstärkten Langzeitnutzbarkeitsstrategie bereits bei Design und Produktion von Computern und ihrer Bauteile eine intensive Schulung des Fachhandels und der Anwender über die Möglichkeiten des Hochrüstens der Geräte.

Es darf dabei nicht übersehen werden, daß die Strategie der Lebensdauerverlängerung bei gleichzeitigem technologischen Fortschritt der Geräte nur von Herstellern zu realisieren ist, die die Fertigung von Geräten in einer hinreichenden Tiefe, den Vertrieb, die Wartung, Hochrüstung, Kundenschulung über lange Zeiträume ausreichend beherrschen und garantieren können. Eine weitere Konzentration auf große leistungsfähige Hersteller wird die kaum vermeidbare Folge sein.