Verzögerungen in Japan und Spanien

UMTS-Mobilfunkstandard legt Fehlstart hin

04.05.2001
MÜNCHEN (ba) - Auf die UMTS-Vermarkter kommen schwere Zeiten zu. Mit den Verspätungen in Japan und Spanien zeichnet sich ein klassischer Fehlstart des neuen Mobilfunkstandards ab. Auch in Deutschland ist die für 2002 geplante Einführung in Gefahr. Fehlende Geräte, technische Netzprobleme und der Widerstand der Bevölkerung gegen die neuen Sendemasten bilden schwer zu überwindende Hürden für die neue Technik.

Die Hiobsbotschaften begannen mit der Nachricht des japanischen Telekommunikationsanbieters NTT Docomo, dass sich die Einführung des neuen Mobilfunkstandards von Mai auf Oktober verschieben werde. Ursprünglich war geplant, dass bereits in diesem Monat großflächig neue Services über das breitbandige Mobilfunknetz angeboten werden sollten. Stattdessen soll jetzt in den nächsten Wochen ein erster Feldversuch im Großraum Tokio starten. Kommerzielle Dienstleistungen sind ab Oktober dieses Jahres vorgesehen. So kommt UMTS schon beim Start des weltweit ersten Netzes ins Stolpern.

Ohne FunktionsgarantieEtwa 4000 japanische Mobiltelefonierer sollen ab diesem Monat mit UMTS-Handys ausgestattet werden. Die meisten davon werden Mitarbeiter von NTT Docomo sein. Allerdings warnt ein Sprecher des Telco-Giganten aus Fernost vor möglichen technischen Anfangsschwierigkeiten. Man könne nicht garantieren, dass alles funktioniert. Zunächst müsse die Stabilität des Systems und des Netzes getestet werden.

Damit verliert das in Tokio ansässige Telekommunikationsunternehmen viel von seiner Glaubwürdigkeit. Noch vor kurzem hatten die Japaner vollmundig angekündigt, das Netz werde stehen, und auch die Geräte seien bereits verfügbar. NTT Docomo sei zu schnell und zu aggressiv mit seinen Versprechen auf den Markt gestürmt und werde jetzt auf den Boden der Realität zurückgeholt, kritisiert Analyst Kirk Boodry von Dresdner Kleinwort Wasserstein.

Auch andere asiatische Telcos haben ihre Zeitpläne revidiert. Der drittgrößte Anbieter Japans J-Phone, der zu gleichen Teilen Vodafone und British Telecommunications (BT) gehört, kündigte an, sein 3G-Angebot auf nächstes Jahr zu verschieben. Der südkoreanische Netzbetreiber SK Telecom musste ebenfalls Verspätungen bei der Einführung seiner neuen Services einräumen.

In Spanien verzögert sich die Premiere des UMTS-Standards um zehn Monate. Statt wie geplant im August dieses Jahres wird das neue Mobilfunknetz erst im Juni 2002 an den Start gehen. Zu diesem Ergebnis kam eine Kommission mit Vertretern des Staates sowie der Betreiber und Hersteller der Netzinfrastruktur. Als Grund für die Verspätung nannte das Technologieministerium in Madrid technische Schwierigkeiten. So gebe es bislang kaum UMTS-fähige Mobiltelefone. Außerdem kämpfe man mit Problemen beim Aufbau der Netzinfrastruktur.

Um die Wartezeit bis zur Einführung des Mobilfunkstandards der dritten Generation (3G) zu überbrücken, wollen die spanischen Telekommunikationsanbieter mit der 2,5-G-Technologie General-Packet-Radio-Service-(GPRS-)Dienstleistungen anbieten. Damit sollen die Handy-Nutzer im Südwesten Europas einen Vorgeschmack auf mobile Internet-Services bekommen. Dieses Angebot lässt sich mit der bereits bestehenden Netzinfrastruktur verwirklichen. Pläne, zwei zusätzliche GSM-Lizenzen zu vergeben, haben die Telekommunikationsbehörden bis auf weiteres verschoben.

Damit erhalten die ehrgeizigen Vorhaben der spanischen Regierung einen empfindlichen Dämpfer. Ursprünglich wollten die Iberer zu den ersten Staaten in Europa gehören, die den Mobilfunkstandard der dritten Generation einführen. Die spanische Regierung hatte bei der Vergabe der Lizenzen im Februar 2000 die Netzbetreiber verpflichtet, bis August dieses Jahres einen funktionierenden UMTS-Service einzurichten. Diese Vorgabe mussten die Behörden jetzt fallen lassen. Mit der dadurch entstandenen Verzögerung liegt man wieder gleichauf mit den anderen europäischen Ländern, in denen die Netzbetreiber planen, Mitte bis Ende 2002 den UMTS-Standard einzuführen.

Europaweite ProblemeDoch der Fahrplan, wie ihn sich die Telco-Riesen und Regierungen vorstellen, ist umstritten. Viele Experten rechnen damit, dass es auch in anderen Ländern Probleme geben und sich die UMTS-Einführung europaweit verspäten wird. So nehmen beispielsweise die Marktforscher der Gartner Group an, dass im nächsten Jahr nur einzelne Pilotprojekte aus den Startlöchern kommen werden. Erst in den darauf folgenden Jahren 2003 und 2004 werde sich UMTS im Massenmarkt durchsetzen können.

Für die Verzögerungen gibt es nach Ansicht der Analysten verschiedene Gründe. So behindere in erster Linie die schleppende Verfügbarkeit von UMTS-fähigen Handys die Verbreitung des neuen Standards. Mobiltelefone, die den GPRS-Standard unterstützen, werden erst in der zweiten Jahreshälfte auf den Markt kommen. Mit einem breiten Angebot von UMTS-Geräten rechnen die Experten frühestens im Jahr 2003.

Dazu kommt die augenblicklich herrschende Krise bei den Handy-Herstellern. Die hochgesteckten Erwartungen haben sich nicht erfüllt. Viele Hersteller kämpfen mit rückläufigen Absatzzahlen. Siemens kündigte erst vor kurzem an, Tausende von Mitarbeitern seiner Handy-Sparte zu entlassen. In dieser Phase werden es die Hersteller zweimal überlegen, ob sie auf eine Technik setzen, deren Akzeptanz bei den Anwendern bislang umstritten ist. Gerade die fehlenden Services machen den Erfolg von UMTS schwer kalkulierbar.

Weitere Gründe für die langsame Einführung von UMTS könnten nach Einschätzung von Branchenbeobachtern die schwierige Abstimmung der Netze unterschiedlicher Hersteller sowie drohende Finanzprobleme der Netzbetreiber sein. Die Milliardenbeträge, die diese in den Kauf der Lizenzen gesteckt haben, werden die Bilanzen der Unternehmen noch in Jahren belasten.

Nicht zu unterschätzen sind nach Ansicht von Marktforschern auch die Widerstände in der Bevölkerung gegen die Aufstellung neuer Sendemasten. So haben sich beispielsweise in Deutschland bereits mehr als 600 Bürgerbewegungen gebildet, die gegen die Errichtung der Sendeanlagen protestieren. Über 500 Masten habe man laut Siegfried Zwerenz, Sprecher der Dachvereinigung Bürgerwelle, in den vergangenen Monaten bereits verhindern können. Experten schätzen, dass allein in Deutschland 60000 zusätzliche Sendemasten aufgestellt werden müssen.

Staat erschwert den MastenbauAuch der Staat macht es den Netzbetreibern nicht gerade einfach. Infolge neuer Verordnungen beispielsweise in Hessen ist für die Aufstellung der Anlagen eine Baugenehmigung erforderlich. Damit wird die Errichtung der Sendeanlagen gerade in Wohngebieten erschwert. Vertreter der Telekommunikationskonzerne befürchten, dass ganze Stadtteile in UMTS-Funklöcher fallen könnten.

Die großen Anbieter versuchen jedoch, Gelassenheit zu verbreiten. Man hoffe auf mehr politischen Rückhalt, erklärt T-Mobil-Sprecher Philipp Schindera. Immerhin habe der Staat bei der Versteigerung der Lizenzen Milliardeneinnahmen verbucht.