Handy-Hersteller haben Nachholbedarf

UMTS: Geschäftskunden sind erste Wahl

02.04.2004
Mit zweijähriger Verspätung ist die dritte Mobilfunkgeneration, kurz 3G oder UMTS genannt, in Deutschland an den Start gegangen. Nach Vodafone haben nun auch T-Mobile, E-Plus und O2 Dienste angekündigt, die Geschäfts- und Privatkunden für mobiles Multimedia gewinnen sollen. Anwendungen sind jedoch noch dünn gesät.Von Bernd Reder*

Seit Mitte Februar ist es endlich so weit: Nachdem UMTS in Österreich, Italien und Großbritannien bereits seit 2003 verfügbar ist, können nun auch Anwender in Deutschland 3G-Dienste nutzen. Publikumswirksam drückte Jürgen von Kuczkowski, Vorsitzender der Geschäftsleitung von Vodafone D2, am 14. Februar in Düsseldorf auf den roten Knopf und läutete damit die aktive UMTS-Ära ein. Seit diesem Zeitpunkt können Kunden für 309 Euro mit Vertrag die "Mobile Connect Card UMTS" für Notebooks kaufen, um damit drahtlos im Internet zu surfen, E-Mails zu senden und zu empfangen oder Daten mit Servern im Corporate Network auszutauschen. Im 3G-Netz beträgt die Datenrate bis zu 384 Kbit/s, der Adapter unterstützt aber auch langsamere Verbindungen mit dem Übertragungsverfahren General Packet Radio Service (GPRS).

Auf der CeBIT zogen nun auch die anderen Netzbetreiber mit konkreten Terminen nach. T-Mobile-Chef René Obermann kündigte für Mai die Vermarktung von UMTS-Diensten für Geschäfts- und Privatkunden an. Die Bonner werden ebenfalls eine kombinierte GPRS- und UMTS-Karte auf den Markt bringen, planen aber im Gegensatz zu den übrigen Providern, auch schon das UMTS-fähige Handy "7600" von Nokia zu vertreiben.

Neben T-Mobile wollen auch O2 und E-Plus ihren Kunden Adapterkarten für Notebooks anbieten. O2 startet im April, E-Plus erst im Juni. Beide Unternehmen beabsichtigen aber ebenso wie Vodafone, 3G-Handys erst später in ihr Portfolio aufzunehmen, bekundeten sie auf der CeBIT. Gründe dafür sind die noch fehlende Zuverlässigkeit, schlechte Akkuleistung sowie die zu kleine Palette an verfügbaren Modellen. "Die UMTS-Handys sind noch in keinem Zustand, der es uns erlaubt, sie auf den Markt zu bringen", bemängelt Kuczkowski den aktuellen technischen Entwicklungsstand der Endgeräte.

Nutzer wollen klassische Anwendungen

Die Tatsache, dass sich die vier großen Mobilfunker zunächst darauf konzentrieren, Adapterkarten für GPRS, WLAN und UMTS zu vermarkten, ist aber mit Sicherheit nicht nur auf die mangelnde Verfügbarkeit von Telefonen zurückzuführen. Sie ist auch ein Indiz dafür, welchen Kundenkreis die Carrier zunächst mit dem neuen Dienst ansprechen möchten, nämlich Geschäftskunden, die mit portablen Rechnern unterwegs sind. Zumindest in der Anfangsphase dürfte diese Klientel eher bereit sein, sich UMTS-Services und die kostspieligen Endgeräte zu leisten. Hinzu kommt, dass für einen professionellen Anwender ein Notebook das Arbeitsmittel par excellence ist.

Aufschluss darüber, welche Anwendungen Geschäftskunden in erster Linie über ein 3G-Netz nutzen möchten, geben eine Vielzahl von Studien. Sie brachten allesamt ans Licht, dass in erster Linie klassische Angebote wie E-Mail, Internet-Zugang oder der Transfer von Daten, sei es das Herunterladen von Preislisten oder das Synchronisieren von Kundeninformationen und Auftragsdaten mit Datenbanken, im Firmennetz gefragt sind. Die Umfragen zeigen aber auch, dass viele potenzielle Nutzer noch nicht genau wissen, wo die Vorteile von UMTS eigentlich liegen. Deshalb versuchen sowohl die Serviceanbieter als auch die Hersteller von Mobilfunkausrüstung, den möglichen Nutzen deutlicher zu machen, zum Beispiel mit Hilfe von Pilotprojekten.

Mehr Zeit für Kundenbesuche

So initiierten T-Mobile und Lucent in Nürnberg einen UMTS-Feldversuch, an dem sich fünf Unternehmen aus der Region beteiligten. Neben dem Dienstleister Datev waren dies die Wirtschaftsprüfer Rödl & Partner, die Sandata-IT-Gruppe, das DV-Systemhaus BRZ Deutschland Bauinformationstechnologie und das Beratungs- und Systemhaus Dr. Städtler. Alle Firmen rüsteten ihre Mitarbeiter im Außendienst und Vertrieb mit dem UMTS-Adapter von Novatel Wireless aus, damit sie von ihren Notebooks drahtlos auf Daten und Anwendungen im Firmennetz zugreifen konnten.

Zu den genutzten Applikationen zählten die Bearbeitung von Aufträgen, der Zugriff auf Datenbanken wie Microsoft Access SQL und Sybase DB, Mailing sowie das Aufspielen von Software-Updates. Neben Messaging-Systemen wie Outlook oder Notes setzten die Testpersonen auch komplexe Anwendungen ein, etwa Programme für das Management von Kundenbeziehungen, darunter Lösungen von SAP. Die Zeitersparnis pro Mitarbeiter betrug nach Angaben der Firmen durchschnittlich 13 Prozent oder umgerechnet fünf Arbeitsstunden pro Person und Woche. Vorteilhaft sei vor allem gewesen, dass die Außendienstler vor Ort beim Kunden Anfragen beantworten und Informationen aus Datenbanken abrufen konnten. Insgesamt, so das Projektfazit, erhöhten sich die Kontaktzeiten beim Kunden um elf Prozent. Als positiv bewerteten die Beteiligten auch, dass Mitarbeiter einen Teil ihrer Arbeit unterwegs oder zu Hause erledigen konnten. Es gab aber auch Kritik an den Übertragungskosten, die im Vergleich zu DSL als zu teuer betrachtet wurden.

Auf diese Vorwürfe hat T-Mobile mittlerweile reagiert und auf der CeBIT neue Datenoptionen für sein UMTS-Angebot angekündigt, das der Konzern unter dem Namen "T-Mobile Multimedia" (TM3) vermarkten wird. Der Anwender hat die Wahl zwischen einer Flat-rate sowie zeit- und volumenbezogenen Modellen. Die Kosten pro Megabyte übertragene Daten liegen je nach Tarif zwischen 69 Cent und 3,36 Euro. Allerdings sind davon noch die Freikontingente abzurechnen. Bei "Data Flat 500" etwa sind in der monatlichen Grundgebühr von rund 95 Euro 500 MB enthalten. Ein Anwender, der damit auskommt, bezahlt pro MB rund 19 Cent.

Unter Kostenaspekten sollten sich Unternehmen jedoch immer fragen, ob ihre Mitarbeiter wirklich die höhere Bandbreite von UMTS benötigen, um auf die IT in der Zentrale zuzugreifen. Bei bandbreitenhungrigen Anwendungen wie CRM ist UMTS sicher die beste Wahl, während zum Beispiel bei der Kommunikation zwischen Maschinen oder dem Management von Fahrzeugflotten eine geringere Transferrate ausreicht.

Ein Szenario, das die Anbieter von 3G-Diensten besonders gerne bemühen, ist das des "mobilen Büros". Dahinter verbirgt sich die Idee, Mitarbeitern unterwegs dieselben Daten und Applikationen zur Verfügung zu stellen wie am Arbeitsplatz im Büro. In diesem Anwendungsspektrum eröffnet sich für UMTS tatsächlich ein weites Feld, zumal immer mehr Angestellte Notebooks den Vorzug vor stationären Systemen geben. Da alle vier Mobilfunkunternehmen 3G-Dienste in 200 bis 300 Städten und Ballungsräumen anbieten, steht für diese Nutzergruppe ein relativ dichtes Zugangsnetz bereit. In Regionen, die nicht mit UMTS versorgt sind, kann der Anwender dann auf GPRS oder notfalls auf GSM zurückgreifen.

Es ist allerdings eher selten der Fall, dass der typische Geschäftsreisende ausschließlich auf das Mobilfunknetz angewiesen ist, will er von seinem Notebook aus den Zugang zum Internet oder Firmennetz herstellen. Wesentlich häufiger ist der mobil-stationäre Einsatz, beispielsweise auf Flughäfen und Bahnhöfen oder Messe- und Kongresszentren. An solchen Plätzen, so genannten Hotspots, bieten sich als Alternative zum Mobilfunknetz öffentlich zugängliche Wireless LANs an.

In Deutschland gibt es nach Angaben der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post derzeit rund 1200 öffentliche Hotspots. Bis Ende des Jahres soll die Zahl auf 10000 steigen, nach Informationen der Netzbetreiber sogar auf bis zu 20000. Die Vorteile von WLANs sind hohe Übertragungsraten von mehreren Mbit/s und günstigere Tarife. T-Mobile etwa bietet für 14 Euro einen dreistündigen WLAN-Access an. Eine Schwachstelle der Funk-LANs ist jedoch die geringe Flächendeckung. Hinzu kommen derzeit noch Probleme mit dem Roaming und häufig auch umständliche Abrechnungsverfahren.

WLAN als komplementärer Wachstumsfaktor

Allerdings haben die Mobilfunker erkannt, welches Potenzial in öffentlichen WLANs steckt. Sie treten verstärkt auch als Betreiber solcher Hotspots auf. T-Mobile will beispielsweise bis Ende des Jahres weltweit den Zugang über 15 000 Hotspots realisieren. Der Verbraucher hat somit die Option, das Mobilfunknetz oder WLANs zu nutzen, ohne sich bei unterschiedlichen Carriern registrieren zu müssen. Auf der CeBIT kündigte T-Mobile zudem an, voraussichtlich ab Mai ein netzübergreifendes Preismodell für die Sprach- und Datenkommunikation über UMTS, GPRS und Wireless LAN einzuführen.

Bei der Diskussion über das richtige Übertragungsmedium wird in Unternehmen allerdings häufig ein wesentlicher Faktor übersehen - die Geschäftsprozesse. Sie müssen nämlich eine dezentrale Arbeitsweise unterstützen. Das setzt Schnittstellen voraus, über die der mobile Mitarbeiter Zugang zu Back-Office-Anwendungen erhält, aber auch Sicherheitsmechanismen wie virtuelle private Netze und Datenverschlüsselung.

Fazit: Es hat den Anschein, als sei UMTS trotz der Startprobleme ein besseres Schicksal beschieden als ähnlich anspruchsvollen Projekten, die scheiterten: Stichwort Toll Collect. Dennoch müssen sich die UMTS-Protagonisten fragen lassen, ob sie nicht zu lange ihre eigenen Interessen statt denen der Anwender im Auge hatten. Das kritisiert die für Informations- und Kommunikationstechnik zuständige Gruppe der Fraunhofer-Gesellschaft in einem Thesenpapier. Dort heißt es: "Die Entwicklung der Informationsgesellschaft wird in immer stärkerem Maße von den Vorgaben und Erwartungen der IT-Industrie geprägt und nicht vom existierenden Bedarf. Der UMTS-Standard ist ein aktuelles Beispiel für ein Technologie-Marketing, das nicht auf Bedarfsanalysen basiert." (pg)

*Bernd Reder ist freier Journalist in München.

UMTS-Services für Geschäftskunden

Netzbetreiber / Vodafone / T-Mobile / O2 / E-Plus

Start / Februar 2004 / Mai 2004 / April 2004 / Juni 2004

Endgeräte / PC-Card für Notebooks. Im Lauf des Jahres UMTS-Handys / PC-Card für Notebooks und UMTS-Handy / PC-Card für Notebooks. Ab zweitem Quartal UMTS-Handys / PC-Card für Notebooks. Im Lauf des Jahres UMTS-Handys

Kosten (zuzüglich Mehrwertsteuer) / PC-Card: 309 Euro (mit Vertrag) / PC-Card: keine Angaben / PC-Card: 285 Euro (mit Vertrag) / PC-Card: keine Angaben

Volumentarif / Vodafone-Volume: 10, 30 oder 60 Euro pro Monat inklusive 10, 50 oder 150 MB Daten / Data 2, 10, 50 und 150 für monatlichen Aufpreis auf Business-Tarife von 4,31 Euro, 8,62 Euro, 30,17 Euro und 60,35 Euro. Datenvolumen inklusive: 2 MB, 10 MB, 50 und 150 MB / Active UMTS Data für Monatsgebühr von 4,27 Euro. Data 10: Grundgebühr 10 Euro inklusive 10 MB. Data 50: Grundgebühr 25 Euro inklusive 50 MB. Data 150: Grundgebühr 50 Euro inklusive 150 MB / In Vorbereitung

Zeittarif / Vodafone-Time: 10, 30 oder 60 Euro pro Monat inklusive 10, 20 oder 30 Freistunden / Data Time 120, 600 und 1800 für monatlichen Aufpreis auf Business-Tarife / keine Angaben / In Vorbereitung

Flatrate / Nicht für Netzzugang via Notebook / Data Flat 500: 95 Euro pro Monat Aufpreis auf Business-Tarif inklusive 500 MB Daten / Soll ab Mitte Mai angeboten werden. Kosten: zirka 5 Euro pro Monat / Keine Angaben

Verfügbarkeit / Derzeit in rund 300 Städten / Derzeit in mehr als 200 Städten / Derzeit in mehr als 200 Städten / Ende 2004 in 300 Städten