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UMTS-Debakel: Europäische Mobilfunkanbieter ziehen die Notbremse

07.08.2002

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Aufgrund der schlechten Marktaussichten für den neuen Mobilfunkstandard UMTS wollen nach Quam nun zwei weitere europäische Betreiber den Ausbau ihrer 3G-Infrastruktur stoppen: Presseberichten zufolge versucht die France-Télécom-Tochter Orange, die schwedische Regulierungsbehörde dazu zu bewegen, die Frist für den Aufbau des nationalen UMTS-Netzes um drei Jahre zu verlängern. Orange hat außerdem in Großritannien, Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und Österreich UMTS-Lizenzen erworben. Dort soll der Aufbau planmäßig erfolgen.

Die schwedischen Lizenzbedingungen sehen vor, dass die Betreiber bis Ende nächsten Jahres nahezu 100 Prozent der Bevölkerung mit ihren UMTS-Diensten erreichen müssen. Bei Nichteinhaltung dieser Auflage drohen Orange hohe Strafen oder sogar ein Entzug der Lizenz. Die schwedische Regierung will nun im Herbst darüber beraten, ob den Netzbetreibern eine Fristverlängerung gewährt werden soll. Sollte Orange Erfolg haben, drohen auch dem finanziell angeschlagenen TK-Ausrüster Alcatel Umsatzausfälle. Im Februar hatte das Pariser Unternehmen den Vertrag mit Orange über die Lieferung von Equipment und Dienstleistungen für den geplanten UMTS-Netzaufbau in Schweden noch als "Meilenstein" bei der Erweiterung des Kundestamms für 3G-Ausrüstung gepriesen.

Das schwedische Mobilfunkunternehmen Tele2 wiederum bemüht sich bei der norwegischen Regierung um eine Lockerung der entsprechenden Vorschriften. Tele2 erklärte, wegen der hohen Ausbaukosten bei vergleichsweise geringen Gewinnerwartungen in der nahen Zukunft werde das Unternehmen alle weiteren UMTS-Investitionen im Nachbarland vorerst auf Eis legen. CEO Lars-Johan Jarnheimer argumentierte, es sei schwer, Ausgaben in den 3G-Standard zu rechtfertigen, wenn weder Kunden noch entsprechende Mobilfunkgeräte vorhanden seien. Die norwegische Regulierungsbehörde fordert, dass Tele2 noch bis Dezember dieses Jahres mehr als 1700 Sendestationen aufstellt. Sollte das Unternehmen diese Auflage nicht erfüllen, muss es pro überschrittenen Tag eine Säumnisgebühr von rund 26.500 Euro zahlen oder seine UMTS-Lizenz zurückgeben.

Falls die Regulierungsbehörden zugunsten der Mobilfunkbetreiber entscheiden, droht eine Ausweitung der Diskussion in andere Länder Europas. Wegen der hohen UMTS-Lizenzkosten plagen die meisten Anbieter hohe Schulden. Außerdem sind die Erwartungen aufgrund der schleppenden Nachfrage nach dem Übergangsstandard GPRS inzwischen deutlich gedämpft. In Deutschland hat der Marktführer T-Mobile den UMTS-Start auf Mitte 2003 verschoben. Der unter dem Markennamen Quam agierende UMTS-Anbieter, ein Joint-Venture zwischen der spanischen Telefónica und der finnischen Sonera, stellte vor zwei Wochen sein Geschäft angeblich nur vorläufig ein. Die Finnen haben ihre 3G-Lizenzkosten in Höhe von rund acht Milliarden Euro abgeschrieben (Computerwoche online berichtete). (mb)