Datenschutzgesetz

Umstrittene Bewerbersuche auf Facebook & Co.

17.05.2013
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Christoph Lixenfeld, seit 25 Jahren Journalist und Autor, vorher hat er Publizistik, Romanistik, Politikwissenschaft und Geschichte studiert.

1994 gründete er mit drei Kollegen das Journalistenbüro druckreif in Hamburg, schrieb seitdem für die Süddeutsche Zeitung, den Spiegel, Focus, den Tagesspiegel, das Handelsblatt, die Wirtschaftswoche und viele andere.

Außerdem macht er Hörfunk, vor allem für DeutschlandRadio, und produziert TV-Beiträge, zum Beispiel für die ARD-Magazine Panorama und PlusMinus.

Inhaltlich geht es in seiner Arbeit häufig um die Themen Wirtschaft und IT, aber nicht nur. So beschäftigt er sich seit mehr als 15 Jahren auch mit unseren Sozialsystemen. 2008 erschien im Econ-Verlag sein Buch "Niemand muss ins Heim".

Christoph Lixenfeld schreibt aber nicht nur, sondern er setzt auch journalistische Produkte ganzheitlich um. Im Rahmen einer Kooperation zwischen Süddeutscher Zeitung und Computerwoche produzierte er so komplette Zeitungsbeilagen zu den Themen Internet und Web Economy inklusive Konzept, Themenplan, Autorenbriefing und Redaktion.
Google ja, Facebook nein. Ein neues Gesetz soll Regeln, was Arbeitgeber im Web über Bewerber recherchieren dürfen. Experten halten es für nicht ausreichend praxisnah.

Der Fall hatte eine Menge Aufsehen erregt: Etwa ein Jahr lang hatte der Niederländische Arzt Ernst J. S. bis zu seiner Entlassung vor wenigen Tagen in einer Klinik in Heilbronn gearbeitet, obwohl in seiner Heimat schwerste Vorwürfe gegen den Neurologen erhoben werden. Neun Todesfälle wegen Falschdiagnosen werden ihm zur Last gelegt, darunter auch ein Selbstmord nach der Diagnose "Alzheimer". Außerdem sollen 13 Patienten als Folge seiner Fehldiagnosen ohne medizinische Notwendigkeit am Gehirn operiert worden sein.

Das Tragische daran: Der Mann hatte in den Niederlanden bereits 2006 seine Approbation zurückgegeben; dass brisante Vorwürfe gegen ihn im Raum stehen, hätte jeder potenzielle Arbeitgeber spätestens seit 2009 durch schlichtes Googeln feststellen können. Offenbar hat sich niemand die Mühe gemacht. Deshalb stellt sich grundsätzlich die Frage, wie und was Arbeitgeber über ihre zukünftigen Arbeitnehmer recherchieren sollten, dürfen, müssen.

Erlaubt ist nur jedem Zugängliches

Das Gesetz zum Arbeitnehmerdatenschutz, dass nach fast zwei Jahren Vorlauf Ende Januar im Bundestag verabschiedet werden soll, beschäftigt sich (auch) mit diesem Teil der Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Die aktuelle Rechtslage zum Thema Social Media und Recruiting ist auf den ersten Blick überraschend. Unzählige Unternehmen nutzen Facebook mittlerweile ganz gezielt, um vor allem junge, technikaffine BewerberInnen zu finden. Und auch wer einen Job sucht, will bei Facebook & Co. gefunden und geliked werden, hübscht entsprechend die diversen Profile auf.

Aus diesem Umstand allerdings zu folgern, Arbeitgeber dürften sich hemmungslos ebenjene Profile der Bewerber ansehen, ist grundfalsch, wie Carsten Ulbricht, Rechtsanwalt bei Diem & Partner in Stuttgart betont. "Eine solche Recherche ist nur dann zulässig, wenn die Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen stammen, also zum Beispiel durch einfaches Googeln zu erlangen sind." Bei Facebook ist es nach Ansicht von Ulbricht fraglich, "ob man von öffentlich zugänglichen Daten sprechen kann, wenn diese Daten nur für angemeldete Nutzer des Netzwerks recherchierbar sind."

Auf der Grundlage der heutigen Rechtsprechung sei davon auszugehen, dass die Schutzinteressen der Betroffenen aufgrund der weit verbreiteten privat geprägten Nutzung von Facebook einer Recherche im Profil des Bewerbers entgegenstehen. Sollte der Bewerber in seinen Unterlagen allerdings selbst auf ein Netzwerkprofil hinweisen oder sonst wie sein ausdrückliches Einverständnis erklären, sieht die Sache anders aus.

Die Rechtslage ändert sich

Wenn das neue Gesetz - voraussichtlich im Sommer - in Kraft trifft, gibt es hier allerdings gewisse Änderungen. Zukünftig dürfen Daten über Bewerber dann - auch in sozialen Netzwerken - erhoben werden, wenn die Kenntnis dieser Daten erforderlich ist, um die Eignung des Beschäftigten für den von ihm anvisierten Job beurteilen zu können.

Ab diesem Jahr unterscheidet der Gesetzgeber zwischen Zuckerbergs Facebook und Job-Netzwerken wie Xing.
Ab diesem Jahr unterscheidet der Gesetzgeber zwischen Zuckerbergs Facebook und Job-Netzwerken wie Xing.
Foto: ferkelraggae - Fotolia.com

Und in diesem Fall ist mit Datenerhebung auch die Recherche in sozialen Netzwerken gemeint, soweit lediglich eine Mitgliedschaft, die jeder erlangen kann, Voraussetzung für den jeweiligen Datenabruf ist. Ein Festhalten entsprechender Informationen in Schriftform oder Speichern dieser Daten muss dem Bewerber mitgeteilt werden. Sind die Daten dagegen nur einem beschränkten Personenkreis zugänglich, zum Beispiel ausgewählten "Freunden", liegt eine allgemeine Zugänglichkeit nicht vor. Dem potenziellen Arbeitgeber ist dann die Recherche untersagt.

Rechtsanwalt Carsten Ulbricht hält erstens die Unterscheidung zwischen privat und geschäftlich genutztem Netzwerk für konstruiert, zweitens stelle sich die Frage, "welche notwendigen Eignungen aus Profilen in Netzwerken herausgelesen werden könnten, die der Bewerber nicht schon in seine Bewerbung hineingeschrieben hat." Natürlich recherchieren Personalchefs gelegentlich unrechtmäßig bei Facebook, und das Entdeckungsrisiko ist hier sehr gering. Allerdings sollten sich Führungskräfte dringend davor hüten, auf diesem Weg gewonnene Erkenntnisse dem Betreffenden gegenüber zu erwähnen - zum Beispiel bei einer Kündigung.

Verstöße können teuer werden

Noch gefährlicher ist es, solche Details in der Personalakte zu vermerken. Dann drohen nicht nur Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers, sondern unter Umständen sogar strafrechtliche Sanktionen, so Carsten Ulbricht. In der Praxis lautet seine Empfehlung an Personaler vor wie nach dem neuen Gesetz: Googeln ja, alles andere nur mit Einwilligung des Bewerbers oder auf Grundlage einer gesetzlichen Erlaubnis.

Im Falle des eingangs erwähnten Mediziners hätte diese Art der Datenerhebung ausgereicht, um gewarnt zu sein. Die Webseite der überregionalen Tageszeitung de Volkskrant hatte bereits 2009 hinlänglich über den Fall berichtet. Die wichtigsten Details des Artikels sind auch ohne niederländische Sprachkenntnisse zu verstehen.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CIO.de. (mhr)