Bundesurlaubsgesetz

Übertragung oder finanzielle Abgeltung bei Krankheit?

21.12.2009
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Bundesarbeitsgericht folgt Europäischem Gerichtshof

Entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung gab das BAG ihrer Klage statt. Damit folgte das BAG wiederum einer Entscheidung des EuGH (Europäischer Gerichtshof) vom 20.01.2009. Denn der EuGH entschied im Januar 2009 nach einem Vorlagebeschluss durch das LAG Düsseldorf (dortiges Az.: 12 Sa 486/06), dass der europarechtlich garantierte Mindesturlaub von 20 Tagen pro Kalenderjahr auch dann nicht verfällt, wenn der Arbeitnehmer aus Gründen einer andauernden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit daran gehindert ist, seinen Urlaub bis zum Ende des einzelstaatlich normierten Übertragungszeitraums anzutreten. Dabei berief sich der EuGH auf den Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und erklärte die bisherige Auslegung des § 7 BUrlG durch die deutsche Rechtsprechung für gemeinschaftsrechtswidrig (EuGH, Urteil vom 20.01.2009 zu C-350/06 "Schulz-Hoff").

Demzufolge blieb dem BAG nichts anderes übrig, als seine bisherige Rechtsprechung an diese neuen Vorgaben des EuGH anzupassen und die deutschen Regelungen in § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG gemeinschaftsrechtskonform fortzubilden. Das bedeutet, dass künftig Ansprüche auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs selbst dann nicht erlöschen, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraums erkrankt und daher arbeitsunfähig ist. Des Weiteren betonten die Richter des BAG, dass diese neue Rechtslage zumindest seit der Veröffentlichung des Vorabentscheidungsgesuchs des LAG Düsseldorf vom 02.08.2006 gelten solle (BAG, Urteil vom 24.03.2009, Az.: 9 AZR 983/07).

Wichtig ist zunächst, zu erkennen, dass sich diese neue Rechtsprechung erst einmal nur auf die gesetzlichen Mindesturlaubsansprüche von vier Wochen bezieht, nicht jedoch auf weitergehendere vertragliche oder tarifvertragliche Ansprüche. Gleichwohl dürften auch so schon die wirtschaftlichen Folgen für Arbeitgeber erheblich sein. Da die gesetzlichen Urlaubsansprüche (dauerhaft) erkrankter Arbeitnehmer nun nicht mehr nach dem Ende des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraumes verfallen, sondern bestehen bleiben, werden auch in den Bilanzen künftig hierfür entsprechende Rückstellungen gebildet werden müssen. Diese können durch die immer weiter auflaufenden Urlaubs(abgeltungs)ansprüche auch nicht unerhebliche Beträge erreichen. Daher werden wohl viele Arbeitgeber zukünftig über den Umgang mit dauerhaft erkrankten Arbeitnehmern intensiver nachdenken und gegebenenfalls früher von den Möglichkeiten zur krankheitsbedingten Kündigung Gebrauch machen. Insoweit bleibt spannend, ob das BAG im Gegenzug auch die bisher sehr hohen Hürden für eine krankheitsbedingte Kündigung hieran anpasst. (oe)

Der Autor Dr. Christian Salzbrunn ist Rechtsanwalt in Düsseldorf.

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