Künftige Rolle Microsofts im Applikationsgeschäft bleibt undurchsichtig

Überraschungen im Oracle-Prozess

02.07.2004
MÜNCHEN (CW) - Oracle hat im Gerichtsverfahren um die Genehmigung der angestrebten Fusion mit Peoplesoft zur Verblüffung der Beobachter darauf verzichtet, dessen CEO Craig Conway in den Zeugenstand zu rufen. Für Irritation sorgten auch Zeugenaussagen von Microsoft, wonach das Unternehmen nicht plane, ERP-Systeme an Großunternehmen zu verkaufen. Dabei war ebenfalls im Prozess publik geworden, dass der Softwareriese SAP schlucken wollte.

Microsoft verfolge das Ziel, in erster Linie kleine und mittlere Unternehmen mit Geschäftsapplikationen zu versorgen, betonte Microsoft-Manager Orlando Ayala gegenüber Richter Vaughn Walker, der das Verfahren zwischen dem US-amerikanischen Justizministerium und Oracle in San Francisco leitet. Es entspreche nicht der Konzernstrategie, Großunternehmen mit Business-Anwendungen zu beliefern. Der Aufwand, Produkte für dieses Marktsegment zu entwickeln, sei zu hoch, ergänzte Douglas Burgum, Senior Vice President von Microsoft und verantwortlich für die Business-Software-Sparte. Microsofts Stärke bestehe darin, günstige Lösungen an ein möglichst breites Kundenspektrum zu verkaufen.

Mit dieser Aussage stützte die Gates-Company die Position der US-Justiz. Die Kartellwächter definieren das Geschäft mit Konzernlösungen als eng begrenzten Markt, in dem im Grunde nur SAP, Peoplesoft und Oracle eine Rolle spielten. Sollte Oracle die feindliche Übernahme gelingen, gehe dies zu Lasten des Wettbewerbs. In der Folge hätten die Kunden steigende Preise zu befürchten. Wegen dieser Befürchtungen versucht das US-amerikanische Justizministerium gemeinsam mit Staatsanwälten verschiedener US-Bundesstaaten, die angestrebte Akquisition verbieten zu lassen.

Trotz der Beteuerungen der Microsoft-Manager, keine Ambitionen in Richtung Highend zu hegen, bleibt die Rolle des US-amerikanischen Softwarekonzerns undurchsichtig. So musste Burgum im Kreuzverhör durch Oracle-Anwalt Daniel Wall einräumen, dass Microsoft mit der Software "Axapta", die im Zuge der Navision-Akquisition Teil des ERP-Portfolios wurde, bereits eine Lösung für Großunternehmen im Programm habe. Außerdem ziele das Projekt "Green", mit dem Microsoft derzeit an einer neuen Produktlinie für Geschäftsanwendungen arbeitet, nicht nur auf kleine und mittlere Unternehmen (siehe Seite 1).

Auch die mittlerweile abgebrochenen Übernahmegespräche zwischen Microsoft und SAP werten Experten als Zeichen dafür, dass die Redmonder durchaus Absichten im Highend-Bereich des Applikationsgeschäfts verfolgen. Microsoft habe mit SAP verhandelt, um das eigene Datenbankgeschäft zu schützen, wiegelt dagegen Burgum ab. So habe man Microsoft-intern befürchtet, Oracle könnte nach einer geglückten Übernahme die Peoplesoft-Anwender dazu zwingen, auf Oracle-Datenbanken zu wechseln. Diese Strategie wäre zu Lasten von Microsoft- und IBM-Produkten gegangen.

Damit wird deutlich, dass Microsoft im Hintergrund gegen eine Übernahme von Peoplesoft durch Oracle arbeitet. So brachte das Gerichtsverfahren an den Tag, dass Bill Gates einen Tag nach dem feindlichen Übernahmeangebot von Oracle an Peoplesoft in einer E-Mail an Steve Ballmer, Chief Executive Officer von Microsoft, mögliche Hilfsmaßnahmen für den angegriffenen Softwarteanbieter anregte. Gates soll sogar empfohlen haben, einen Minderheitsanteil an Peoplesoft zu erwerben, um das Unternehmen in seiner Unabhängigkeit zu unterstützen.

Schützenhilfe bekommt Oracle indes von SAP. Richard Knowles, bei den Walldorfern für das Nordamerika-Geschäft zuständig, sagte, eine solche Fusion würde den Wettbewerb nicht behindern, sondern - im Gegenteil - verschärfen. SAP sieht demnach Microsoft als zukünftigen Hauptgegner im ERP-Geschäft. Laut Knowles hätte Oracle nach der Peoplesoft-Übernahme in den USA einen Marktanteil von 38 Prozent, SAP läge mit 34 Prozent an zweiter Position. Auch hier wurden zur Beweisführung interne E-Mails und Schreiben von SAP vorgelegt, die belegen sollen, dass der deutsche Anbieter sich in erster Linie wegen Microsofts Aufstieg im Marktsegment der Business-Software sorgt.

Thomas Barnett, Anwalt des Justizministeriums, bemühte sich jedoch, die Bedeutung der Aussage von Knowles herunterzuspielen. Die Äußerungen eines Wettbewerbers seien in diesem Zusammenhang weniger relevant als die der Anwender. Diese gaben bis dato übereinstimmend zu Protokoll, dass sie lieber drei als zwei Anbieter hätten.

Das gilt auch für Peoplesoft-Chef Craig Conway, der in dem Verfahren eigentlich von Oracle in den Zeugenstand berufen und dort sechs Stunden lang im Kreuzverhör vernommen werden sollte. Inzwischen hat sich Oracle anders entschieden. Man habe im Prozess dargelegt, was wichtig sei, außerdem hätten mit Rick Bergquist und Philip Wilmington zwei Topmanager von Peoplesoft bereits ausgesagt, sagte Oracle-Anwalt Wall. Conways Darlegungen seien damit überflüssig geworden. (hv/ba)

Scheinargumente

Um Richter Vaughn Walker davon zu überzeugen, dass eine Übernahme von Peoplesoft den Wettbewerb nicht schmälert, ist den Oracle-Verantwortlichen jedes Mittel recht. Neben anderen Applikationsanbietern ruft der Datenbankspezialist auch Dienstleister in den Zeugenstand. So versicherte beispielsweise Michael Sternklar von Fidelity Employer Services, dass nicht nur Spezialisten wie SAP oder Peoplesoft den Wettbewerb bestimmten. Auch Serviceanbieter hätten ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. Fidelity-Kunde Brian Mearns von der Banc of America stieß ins gleiche Horn. Neben einem Upgrade seiner Peoplesoft-Lösung habe er auch die Auslagerung seiner IT als Alternative wählen können. Vertreter des US-amerikanischen Justizministeriums entlarvten diese Argumentation jedoch als Augenwischerei. Ein IT-Dienstleister müsse letztendlich auch auf die Produkte der Applikationsanbieter zurückgreifen. Sollten das Angebot knapper werden und damit die Preise steigen, würde dies an die Kunden weitergegeben.