Offshoring-Alternativen

Übernehmen Roboter den IT-Betrieb?

23.04.2013
Von 


Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.
US-Unternehmen diskutieren derzeit, inwiefern sich der IT-Betrieb so weit automatisieren lässt, dass sich das Offshoring der Aufgaben ins Ausland erübrigt.
Foto: Willyam Bradberry, Shutterstock.com

Seit geraumer Zeit nehmen die US-Anwender das Auslagern von Diensten in Billiglohnländer zunehmend kritisch unter die Lupe. Zuletzt hat sich eine Diskussion über das Automatisieren von Aufgaben entsponnen hat. Vor allem für das Verlagern einfacher Routinetätigkeiten suchen die US-Kunden offenbar nach Alternativen. "Es gibt Roboter für das Staubsaugen und das Bestücken von Warenlagern. Bald werden Roboter auch Arbeiten in der IT und in den Geschäftsprozessen von Offshore-Providern übernehmen", vermutet die US-Zeitung cio.com.

Automatisierung im Backend

Auch die indischen Provider haben das Thema Automatisierung bereits entdeckt. Sie nutzen Tools und Techniken, um ihren Lieferprozessen zu optimieren. Die Hintergründe schildert Wipro-CEO TK Kurien Interview mit der Computerwoche: Der Ort der Innovationen verschiebe sich mehr in mehr zur Frontend-IT. Die Backend-IT werde zunehmend so gestaltet, dass sie sich weitgehend ohne manuelle Eingriffe betreiben lasse.

Wipro-CEO TK Kurien im Interview: "Innovationen entstehen heute am Frontend"

Beispielhaft nennt die Publikation das britische Startup Blue Prism, das die Softwareentwicklung vereinfachen will, indem Geschäftskunden ihre Prozesse selbsttätig in Software verwandeln. Blue Prism nennt es "Roboter-Automatisierung" und trifft damit offenbar den aktuellen Geschmack der Amerikaner. James R. Slaby, Analyst mit Schwerpunkt Security- und Risiko-Abschätzung im Outsourcing beim Beratungshaus HfS Research, nennt die Lösung die "neueste Alternative im globalen Business-Services-Werkzeugkasten" sowie einen "Offshore-Killer". Die Roboter seien dafür ausgelegt, beliebige Funktionen zu wiederholen und zu automatisieren. "Die Blue-Prism-Lösung überträgt Arbeit, die üblicherweise von Menschen erledigt wird, und implementiert sie in Code. Die daraus resultierende Software arbeitet weitgehend unbeaufsichtigt diese Funktionen ab", schwärmt Slaby.

Der Einsatz beschränkt sich auf einfache Routinetätigkeiten. Überall wo die Urteilskraft des Menschen gefragt ist, fällt die Software durch. Blue Prism verspricht aber auch, dass die eigene Lösung von Menschen bearbeitete Aufgaben replizieren könne, sie müsse nur entsprechend trainiert werden. Anders als Scripting-Tool-Kits und Makros, die einfache Softwarefunktionen ausführen, konzentriere sich die Blue-Prism-Applikation auf die Prozess-Automatisierung in Unternehmen.

Günstiger als Offshoring-Services

Auch Blue-Prism-Marketing-Manager Pat Geary stellt gegenüber cio.com eine direkte Verbindung zum Outsourcing her: "Üblicherweise wird ein Projekt grob umrissen und anschließend eine Lösung von Entwicklern und IT-Spezialisten entworfen, gebaut, getestet und eingeführt. Die einzige Möglichkeit, die Kosten zu reduzieren, war bislang das Outsourcing und Offshoring der Arbeiten." Blue Prism stellt um ein Drittel geringere Kosten gegenüber den Tagessätzen eines Offshore-Experten in Aussicht. Bislang kann das Unternehmen auf 1000 Installationen verweisen, unter anderem bei Telefonica.

Automatisierung durch Expertensysteme

Der US-Provider IPSoft beschreitet einen vergleichbaren Weg. Das Unternehmen bezeichnet sich selbst als autonomer IT-Service-Provider. Es wirbt damit, dass die "Infrastruktur von morgen nicht von Menschen betreut wird, sondern von Expertensystemen". Das sich selbst steuernde "IPCenter" des Anbieters kann angeblich selbsttätig Vorfälle und Ereignisse aufspüren, bewerten, korrigieren und bei Bedarf weiterreichen. Zudem könne es aus den Erfahrungen lernen und die Erkenntnisse in einer Wissensdatenbank hinterlegen, wirbt IPSoft. Der Provider arbeitet daran, die Funktionen auf den Betrieb von Geschäftsprozessen auszuweiten. "Die Automation kann uns profane Arbeiten abnehmen", wirbt Jonathan Crane, Chief Commercial Officer bei IPsoft. "Das gilt nicht nur für den IT-Support sondern auch für einfache Geschäftsprozesse. Die indischen Provider haben viele tausend Mitarbeiter, die vergleichbare Arbeiten erledigen. Der Betriebsübergang im Outsourcing ist aufwändig und die Betriebskosten steigen infolge der Inflation. Automation macht das Offshoring irrelevant."

Die Lösung ist erprobt, ein nicht namentlich genannter US-Konzern hat mit ihr das Management von mehr als 10.000 Server automatisiert. Die für das Troubleshooting und Management der Installation zuständige Mannschaft ließ sich um die Hälfte reduzieren.

Ein Finanzinstitut hat eine andere Anwendung gefunden. Es integriert IPCenter in seine Handelsplattform, um fehlerhafte Bestelleingänge zu erkennen und zu beheben. Die durchschnittliche Fehlerbehebung habe sich von 40 Minuten auf 40 Sekunden reduziert, berichtet das Institut.

Sourcing-Berater Slaby von HfS Research erachtet die Automatisierungs-Tools als geeignetes Hilfsmittel für die Outsourcing-Provider, um sich ebenfalls von einfachen Aufgaben zu entlasten und der enormen Mitarbeiterfluktuation entgegenzuwirken. Denn gerade die Aufgaben, die von Robotern erledigt werden können, seien Ursache für unzufriedene Mitarbeiter. "Zudem führen die Lösungen zu geringeren Lohnkosten, so dass Anbieter das Outsourcing noch günstiger anbieten können", erwartet Slaby. In der Tat zählen Blue Prism und IPSoft namhafte IT-Service- und Outsourcing-Provider zu ihren Kunden.

Die Grenzen des Roboter-Einsatzes sind in Umgebungen erreicht, in denen Unternehmen die Kontrolle ungern aus der Hand geben und die ohne Risiko betrieben werden müssen. "Die Unternehmens-IT meidet in der Regel jegliches Softwarekonzept, das nicht unter ihrer Kontrolle entstanden ist", vermutet Slaby. Klar ist aber auch, dass sich viele IT- und Geschäftsservices für die Automatisierung gar nicht eignen, komplett ohne menschliches Wirken geht es ohnehin in keinem Bereich. "Jeder Prozess benötigt im gewissen Maße immer die menschliche Wahrnehmung und eine minimale Anpassung der Abläufe, basierend auf jahrelanger Erfahrung", betont Berater Slaby. "Und das ist doch eine gute Nachricht für uns Menschen, die wir nach wie vor nützliche Arbeit verrichten wollen."

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