Übernahmewelle erfasst SOA-Spezialisten

23.10.2006
Im Markt für SOA-Verwaltungswerkzeuge schlucken die Großen der Branche immer mehr Spezialanbieter. Der Trend zu kompletten Software-Stacks bringt Anwendern nicht nur Vorteile.

Lange Zeit waren SOA-Protagonisten wie IBM, Bea und Webmethods vor allem für ihre Middleware oder Entwicklungs-Tools bekannt. Seit einigen Monaten verändert sich die Situation grundlegend: Softwareanbieter, die im Markt für SOA-Infrastruktur mitmischen wollen, bauen ihre Portfolios systematisch um Verwaltungs-Tools aus.

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Steigender Bedarf

Der Sinneswandel kommt nicht von ungefähr. Bis zum Jahr 2010 werden 65 Prozent der großen Unternehmen und Organisationen mehr als ein Drittel ihrer Anwendungen nach SOA-Prinzi- pien ausrichten, prognostiziert Gartner. Anders ausgedrückt: Sie bauen eine Infrastruktur aus lose gekoppelten fachlichen und technischen Softwareservices. Noch im vergangenen Jahr lag dieser Wert unter fünf Prozent. Aus den Erfahrungen mit ersten größeren Projekten ziehen die Gartner-Experten vor allem auch diese Erkenntnis: Unzureichende Governance-Mechanismen sind der Hauptgrund für gescheiterte SOA-Vorhaben.

Softwareschmieden wie der Registry-Anbieter Infravio oder Flashline mit seinem Metadaten-Repository haben den Bedarf frühzeitig erkannt. In dem noch jungen Segment erschlossen sie sich eine lukrative Nische. Doch seit dem Markteintritt der Branchengrößen wird die Luft für die Spezialisten dünner. Im September schnappte sich Webmethods die viel kleinere Infravio mit 65 Mitarbeitern. Deren "X-Registry" und weitere Verwaltungs-Tools baut der Käufer in seine Integrationsplattform "Fabric" ein. Für Webmethods war es die zweite Übernahme innerhalb von drei Wochen. Bereits im August kaufte der US-amerikanische Hersteller die kalifornische Cerebra, die sich auf das Thema Metadaten-Management spezialisiert hat. Mit den Cerebra-Tools können Unternehmen Informationen verwalten, die in mehreren verteilten Repositories liegen, ein oft unterschätztes Problem gerade in größeren SOA-Installationen. Webmethods-CEO Dave Mitchell erklärte, seine Firma investiere strategisch in SOA-Werkzeuge.

Einen ähnlichen Kurs steuert Bea Systems. Mit den Übernahmen von Flashline und Fuego baute der Middleware-Anbieter sein "Aqualogic"-Portfolio für Service-orientierte Architekturen weiter aus. Flashlines Repository-Technik für das Speichern und Verwalten von Service-Metadaten vermarkten die Kalifornier künftig unter dem Namen "Bea Aqualogic Enterprise Repository". Kombiniert mit der "Aqualogic Service Registry", einer OEM-Version von Systinets UDDI-Registry, könnten Anwender den kompletten SOA-Lifecycle verwalten, verspricht Bea-CTO Rob Levy.

Knackpunkt Metadaten

Auch Beas OEM-Partner Systinet ist längst nicht mehr selbständig. Im Januar 2006 legte Mercury Interactive 105 Millionen Dollar für die Softwareschmiede auf den Tisch. Mercury wiederum wird von Hewlett-Packard (HP) gekauft; die Transaktion soll im vierten Quartal perfekt sein. Experten werten die Übernahmen als Indiz für einen Trend zu umfassenden SOA-Stacks: "Die Tage der Anbieter von Stand-alone-Repositories sind gezählt," kommentiert Gartner-Analyst Jess Thompson. Vor allem Kunden von Infrastrukturanbietern hätten mit den großen Mengen an Metadaten und Service-Artefakten zu kämpfen, wie sie im Zuge von SOA-Projekten entständen. Vor diesem Hintergrund ergänzten die Branchengrößen ihre ohnehin schon umfangreichen Software-Stacks um einschlägige Verwaltungswerkzeuge.

Für diese These sprechen auch die Produktstrategien von IBM und der Software AG. Big Blue unterhält das derzeit breiteste SOA-Portfolio und baut seine Produktpalette weiter durch Zukäufe und Eigenentwicklungen aus. Anfang Oktober präsentierte der IT-Konzern das lange erwartete "Websphere Registry and Repository" (WSRR), das vor allem in größeren SOA-Installationen als zentrales Verwaltungswerkzeug dienen soll. Die Software lässt sich mit vorhandenen Registries oder Repositories koppeln und biete damit eine Gesamtsicht auf SOA-Komponenten und deren Metadaten, werben die Marketiers. Ähnliches verspricht die Software AG mit ihrem kombinierten Registry- und Repository "Centrasite", einer Gemeinschaftsentwicklung mit dem Partner Fujitsu. Die Darmstädter vermarkten Centrasite als Teil ihrer SOA-Linie "Crossvision".

Anne Thomas Manes vom Beratungshaus Burton Group vergleicht die Konsolidierung im SOA-Umfeld mit dem Markt für Web-Services-Management: "Vor vier Jahren gab es mehr als ein Dutzend Anbieter in diesem Segment." Heute agierten neben der Progress-Tochter Actional nur noch zwei unabhängige Hersteller: Amberpoint und SOA Software. Schon zuvor wurden fast alle Anbieter von Web-Services-Plattformen von den großen Playern geschluckt. Übrig blieb seinerzeit nur die zwischenzeitlich von Mercury gekaufte Systinet. Im Marktsegment Registry und Repository sieht Manes mit der US-amerikanischen Logic Library ebenfalls nur noch einen eigenständigen Anbieter.

"Die kaufenden Hersteller bereiten sich auf den großen Run auf solche Repositories vor", urteilt Rüdiger Spies, Executive Advisor bei der Experton Group. "Es ist die Zeit des Experimentierens - für Anbieter wie für Kunden." Ob die lautstark beworbenen Software-Stacks der Branchengrößen Anwendern Investitionsentscheidungen erleichtern, darf indes bezweifelt werden: Die von Herstellern stets betonte Integration der diversen Produkte sei zwar "potenziell" vorteilhaft, warnt Manes. Eine wirklich komplette Lösung für alle Aspekte der SOA-Governance könne derzeit aber kein Anbieter vorweisen. Weder Bea Systems noch IBM beispielsweise unterstützten mit ihren Produkten ein Contract- oder Policy-Management für Softwareservices.

Auch Joachim Quantz, Analyst beim Berliner Marktforschungshaus Berlecon Research, ist skeptisch. Zwar könnten Anwender theoretisch von integrierten Software-Stacks profitieren. Voraussetzung sei aber, dass die Hersteller einschlägige Versprechen auch einlösten. Eben dies sei noch längst nicht der Fall: "Bisher gibt es kaum gut integrierte Governance-Plattformen für SOA auf dem Markt." Trotz der jüngsten Übernahmen sieht Quantz auch in Zukunft Chancen für Nischenanbieter.

Welche Anbieter überleben?

Weniger optimistisch schätzt Burton-Expertin Manes die Überlebenschancen der kleinen Softwareschmieden ein: Amberpoint, der Hersteller mit dem derzeit breitesten Portfolio für SOA- Governance, werde bis zum Jahresende profitabel und könne dann womöglich "noch eine Weile" unabhängig bleiben. Der ähnlich gut aufgestellte Konkurrent Actional gehört mittlerweile zu Progress und sei deshalb bis auf Weiteres vor weiteren Übernahmen sicher. Für die kalifornische SOA Software hingegen, die unter anderem Bea, IBM und Oracle zu ihren Vertriebspartnern zählt, könnte sich schon bald ein Käufer interessieren. Anwendern mit SOA-Plänen rät Manes stets zu Best-of-Breed-Lösungen, schon um die Abhängigkeit von einem Hersteller gering zu halten. Das aber wird mit der anhaltenden Marktkonsolidierung immer schwieriger.