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Dealipedia - Fusionen im Web

Übernahmen 2.0: Alle Karten offen auf den Tisch

29.02.2008
Von Handelsblatt 
Wikipedia für Firmendeals: Die Internetseite dealipedia.com will ein Verzeichniss von Geschäftsdaten werden. Der Gründer Michael Robertson will setzt dabei auf die Weisheit der Masse und die Offenheit der Nutzer. Er selbst geht mit gutem Beispiel voran.

DÜSSELDORF. Über Geld, sagt der Volksmund, spricht man nicht. Erst recht nicht, wenn es um viel Geld geht. Darüber zu schreiben ist dagegen erlaubt, meint der US-Unternehmer Michael Robertson - und fordert alle an Geschäftsabschlüssen Beteiligten dazu auf, ihre Geheimnisse der Öffentlichkeit preiszugeben. Wann immer etwa ein Gründer sein Unternehmen verkauft oder eine Finanzierung bekommt, soll er auf Dealipedia.com ausplaudern, wie viel er dabei verdient hat. Robertson geht selbst mit gutem Beispiel voran: 115 Millionen Dollar strich der kalifornische Unternehmer ein, als er 2001 seine Gründung MP3.com an den Musikkonzern Universal verkaufte. "Ich habe kein Problem, dass die Leute das wissen", sagt er. "Das zeigt doch, dass ich ein anständiger Geschäftsmann bin."

Stellt sich allerdings die Frage, ob andere das auch so sehen. Wenn etwa die Internet-Konzerne Google oder Yahoo auf Einkaufstour gehen, schweigen sie häufig darüber, wie viel Geld geflossen ist. Man lässt sich eben nicht so gerne in die Karten schauen. Robertson setzt aber darauf, dass andere Beteiligte - Banker, Investoren oder die stolzen Gründer - mitteilungsfreudiger sind. Um die Hemmschwelle zu senken, können sie die finanziellen Details anonym veröffentlichen.

Wenige Wochen nach dem Start ist die Zahl der Einträge allerdings noch recht übersichtlich. Immerhin findet man schon bislang geheime Details zur Übernahme des beliebten Online-Fotoalbums Flickr durch Yahoo: 25 Millionen Dollar hat Yahoo demnach dafür bezahlt - ein echtes Schnäppchen nach heutigen Maßstäben. Dabei haben die beiden Gründer Stewart Butterfield und Caterina Fake jeweils fünf Millionen Dollar kassiert. Die Zahlen sind freilich kaum zu überprüfen. Robertson setzt darauf, dass falsche Informationen von den Nutzern korrigiert werden. Dealipedia funktioniert dabei nach dem gleichen Prinzip wie die Online-Enzyklopädie Wikipedia: "Wir verlassen uns auf die Weisheit der Masse", sagt Robertson.

Daneben will Robertson Dealipedia als Datenbank für frei zugängliche Informationen über alle Arten von Geschäften etablieren. Knapp 19.000 Einträge enthält die Seite bisher, die meisten stammen von Dealipedia-Mitarbeitern und Bekannten Robertsons. Das Angebot ist gratis und soll sich durch Werbung finanzieren. Der 40-Jährige will damit etablierten Anbietern solcher Daten wie Bloomberg oder Dow Jones das Leben schwer machen. Für ihn sind das Firmen der "Old Economy", die eines gemein haben: "Sie wollen die Informationen einsperren und viel Geld dafür verlangen."

Es wäre nicht das erste Mal, dass Robertson den etablierten Firmen erfolgreich in die Suppe spuckt: Mitte der 90er-Jahre knöpfte er sich mit der Gründung von MP3.com die Musikindustrie vor. Als einer der Ersten sammelte er Tausende von Musikdateien im Internet ein, stellte sie zum Herunterladen auf das Portal - und läutete damit den Niedergang der Musikindustrie mit ein.