Restrukturierungspläne rufen lautstarken Protest hervor

Übernahme der Telecom Italia wird zum Politikum

08.10.1999
MÜNCHEN (CW) - Noch vor wenigen Monaten war Olivetti-Chef Roberto Colaninno in Italien ein gefeierter Star. Er hatte den um ein Vielfaches größeren ehemaligen Staats-Carrier Telecom Italia (TI) zu 52 Prozent geschluckt und war damit der Deutschen Telekom zuvorgekommen. Jetzt, wo es darum geht, die Rechnung zu begleichen, sinkt Colaninnos Stern.

Mit drastischen Kurseinbrüchen reagierte die italienische Börse auf die Pläne des Chefs von Olivetti und TI, die Beteiligungen zu restrukturieren. Vor allem die Rolle der Finanzholding Tecnost, an der Olivetti 70 Prozent der Anteile besitzt und die als Vehikel für die Übernahme genutzt worden war, weckt das Mißtrauen der Anleger.

Tecnost, das nach der TI-Übernahme mit rund 29 Milliarden Mark verschuldet ist, soll nach den Vorstellungen Colaninnos künftig die Mobilfunkgesellschaft Telecom Italia Mobile (TIM) kontrollieren. Dieses Unternehmen gilt als Perle im TI-Portfolio; es beherrscht den italienischen Mobilfunkmarkt, den größten Europas, zu zwei Dritteln.

TIM gehörte dem ehemaligen Staatskonzern bisher zu 60 Prozent und wirtschaftet deutlich umsatz- und ertragsstärker als die vor allem im Festnetzgeschäft aktive Mutergesellschaft. Colaninno möchte die Beteiligung an der TIM auf Tecnost übertragen, um aus dem operativen Cash-flow der Mobilfunkgesellschaft die kritische Finanzlage der hoch verschuldeten Holding zu verbessern und darüber hinaus steuerliche Vorteile zu erzielen. Damit rückt er von ursprünglichen Plänen ab, wonach Telecom Italia und Tecnost miteinander verschmolzen und die Akquisitionsschulden aus den Überschüssen des fusionierten Konzerns abgetragen werden sollten.

Bei den TI-Aktionären stößt die Ausgliederung der TIM aus der Muttergesellschaft auf wenig Gegenliebe - unter anderem, weil der Transfer mit neuen Tecnost-Aktien beglichen werden soll. Jeder TI-Aktionär erhält demnach zusätzlich zu jedem TI-Anteil zwischen 1,5 und 1,65 Tecnost-Aktien.

Analysten und Kommentatoren sehen den Restrukturierungsplan als nachteilig für TI-Aktionäre an. Angesichts des zu erwartenden Wertverfalls der Aktie sei die Summe zu gering, außerdem hatten viele der TI-Anteilseigner im Mai 1999 auch deshalb gegen die Übernahme durch Olivetti gestimmt, weil sie nicht nur mit Bargeld, sondern auch mit den wenig geliebten Tecnost-Aktien bezahlt werden sollten.

Auch im Verwaltungsrat von TI herrschte nach Veröffentlichung der Colaninno-Pläne schlechte Stimmung. Die drei Vertreter der mit 3,95 Prozent beteiligten italienischen Regierung und zwei Repräsentanten von beteiligten Investment-Fonds enthielten sich der Stimme und forderten eine Prüfung der Aktientausch-Pläne durch eine unabhängige Bank. Pikanterweise besitzt die Regierung eine sogenannte Golden Share, die ihr ein Vetorecht einräumt. Sie könnte also theoretisch die Operation noch verbieten.

Vieles hängt nun davon ab, wie die Regierung als größter Einzelaktionär entscheidet. Während die einen Beobachter vermuten, daß die Politiker Colaninno insgeheim auf seinem Kurs unterstützen, zweifeln andere an einem Plazet der Finanzbehörden, weil der Druck der Öffentlichkeit und der Opposition zu groß sei.

Die Regierung hatte nach Bekanntgabe der Colaninno-Pläne erklärt, das Restrukturierungsvorhaben genau prüfen zu wollen. Sie steht auch seitens der Wirtschaft unter Druck: Immerhin sollen große Anteile des staatlichen Energiekonzerns Enel Spa. in diesen Wochen erfolgreich an die Börse geführt werden - die Regierung möchte dabei bis zu 14 Milliarden Mark einnehmen. Dazu müßte aber die Gunst der großen Fond-Verwalter gewonnen werden.

Führt der Olivetti-Chef seine Pläne zuende, wird der entstehende italienische IT- und TK-Riese zu einem höchst komplizierten Gebilde. Tecnost wäre das operative Management-Zentrum sowohl für das Mobilfunkgeschäft der TIM, an dem die Holding 60 Prozent halten würde, als auch für das Festnetz-Business der TI (52 Prozent). Der Einfluß der Dachorganisation wäre vergleichbar mit dem der staatlichen Stet SpA, die TI vor der Privatisierung im Jahr 1999 kontrollierte.

Olivettis Anteil an Tecnost würde von gegenwärtig 70 Prozent auf einen Wert zwischen 41 und 43 Prozent fallen. Diese Reduzierung käme zustande, weil TI im Rahmen der Transaktion für knapp neun Milliarden Mark 34 Prozent ihrer eigenen, nicht stimmberechtigten Anteile zum Preis von sechs Euro (zwölf Prozent unter dem Marktwert) zurückkaufen soll. Diese Transaktion wurde notwendig, weil steigende Zinsen es für Tecnost schwieriger machten, Schulden zu begleichen, und weil die Olivetti-Aktie nach der Übernahme um zirka ein Viertel gefallen war. Aus diesem Grund wurde auch der ursprünglich vorgesehene Merger von Tecnost und Telecom Italia wieder verworfen: Olivettis Kontrolle über den kombinierten Konzern wäre in Gefahr geraten. Bei der Deutschen Telekom in Bonn wird man die Vorgänge im Nachbarland genau beobachten: Vielleicht ergibt sich eine zweite Chance.