Big Blue kooperiert mit Kombinat für Datenverarbeitung

Über 370-Standard findet IBM Einstieg in RZ-Markt der DDR

16.03.1990

STUTTGART/BERLIN (ciw)- In aller Stille hat die IBM Deutschland GmbH ihren Einfluß auf große Rechenzentren in der DDR ausgedehnt. Die Stuttgarter kooperieren ab sofort mit sieben Datenverarbeitungszentren, die zum Kombinat Datenverarbeitung gehören, das mit etwa 13 000 Mitarbeitern unter den DV-Versorgern in der DDR den zweiten Platz einnimmt.

"Die IBM Deutschland, DDR-Datenverarbeitungszentren (DVZ) und die Weiterbildungsakademie des Kombinats Datenverarbeitung", heißt es in der offiziellen Mitteilung des Unternehmens, "wollen bei der Aus- und Weiterbildung, der Software-Entwicklung, dem Vertrieb von ausgewählten IBM-Produkten sowie Wartung und Beratung in der DDR zusammenarbeiten." Dabei handelt es sich um PS/2-Rechner, 9370-Maschinen und die AS/400.

Nach Aussage von Johann Weihen, bei der IBM zuständig für die Geschäftsbeziehungen mit der DDR, können die Vertriebsaktivitäten sofort aufgenommen werden - und zwar in Anlehnung an das Händlerkonzept, an das sich die Stuttgarter auch in der Bundesrepublik halten. Deshalb durchlaufen die inzwischen als eigenständige Betriebe im Handelsregister eingetragenen DVZ-Schulungen in Sachen Wartung, Vertrieb und Marketing, um sich als IBM-Händler zu qualifizieren.

Für das Kombinat Datenverarbeitung hat man sich Weihen zufolge auch deshalb entschieden, weil in deren Rechenzentren "sehr qualifizierte Mitarbeiter in der Software-Entwicklung und Kundenbetreuung" vorhanden seien. "Auch im Westen", so der IBM-Mann weiter, "sind diejenigen Händler am stärksten, die über den Boxenverkauf hinaus das gesamte Dienstleistungspaket anbieten können.

Die bisherige Arbeit der DVZ habe nicht nur im Anbieten von Rechenzeit bestanden, sondern auch in der Bereitstellung von Software. "Diese Häuser haben in der Regel die Anwendung entworfen, designed, programmiert, getestet und dann beim Kunden installiert", erklärt Weihen.

Allerdings geht er davon aus, daß in Zukunft auch andere DDR-Betriebe als IBM-Händler zugelassen werden, wenn sie sich qualifiziert haben: "Die Konzentration auf die DVZ wird allein nicht ausreichen."

Die Größenordnung der DVZ liegt laut Weihen zwischen 600 und 800 Angestellten. Bis auf ein paar Ausnahmen, die bereits über IBM-Rechner (4340 )verfügen, sind alle diese Rechenzentren mit sogenannten ESER-Rechnern (Einheitliches System der elektronischen Rechentechnik) ausgerüstet. Diese im ganzen Ostblock verbreiteten Computer sind IBM /370 kompatibel. Gute Absatz-Chancen für die Stuttgarter: "Aufgrund der installierten ESER-Basis ist eine gewisse Nähe zu IBM-Produkten vorhanden", räumt auch Weihen den Wettbewerbsvorsprung ein.

Alfred E. Eßlinger, Geschäftsführer der IBM-Deutschland GmbH, wertet die Vereinbarung hingegen aus anderer Perspektive: "Das ist für beide Seiten ein wichtiger Schritt, damit die Unterstützung der DDR-Betriebe mit Informationstechnik schnell Gestalt annehmen kann."

Cocom-Vereinbarungen faktisch überholt

Auch der Vorsitzende der IBM-Geschäftsführung, Hans-Olaf Henkel, zeigte sich davon überzeugt, daß moderne Informationstechnik dazu beitragen werde, die Unternehmen in der DDR produktiver und damit konkurrenzfähiger zu machen. Dafür müßten allerdings die staatlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen und für klare Handlungsspielräume der Unternehmen besorgt werden.

Im Vorfeld der Leipziger Frühjahrsmesse forderte Henkel deshalb, die Cocom-Mauer abzubauen oder "das Gebiet der DDR sofort aus dem Cocom-Bereich herauszunehmen. Er wertete die Cocom-Vereinbarungen, die nach wie vor den Export strategischer Hochtechnologie-Güter in den Osten erschweren würden, als in vielen Bereichen "faktisch überholt".

Um dem "großen Interesse nach westlicher Informationstechnologie in der DDR" Rechnung zu tragen, zeigen die Stuttgarter in Leipzig unter anderem PS/2-Modelle, 9370-Systeme sowie Lernprogramme.