Turbulente Ermittlungen bei Siemens

21.11.2006
Die Vorstände zählen nach der Großrazzia nicht zu den Beschuldigten.

Ermittlungsbeamte und die Staatsanwaltschaft geben sich in Büroräumen und in Privatwohnungen von Angestellten und Vorständen der Siemens AG die Klinke in die Hand.

Das Unternehmen hat nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen in den vergangenen Jahren ein System zur Finanzierung von Bestechungsgeldern aufgebaut. Die Adressaten für die Zuwendungen waren weltweit verteilt. Über 100 Millionen Euro sollen inoffiziellen Berichten zufolge an Schmiergeldern geflossen sein.

Die Hausdurchsuchungen betrafen sogar die Vorstandsbüros von Firmenchef Klaus Kleinfeld und weiteren Topmanagern. Nach den vorliegenden Informationen werden die Siemens-Vorstände aber nicht beschuldigt, in die Angelegenheit verwickelt zu sein. Sie seien Zeugen in den Ermittlungen. Die Durchsuchungen fanden sowohl in Büroräumen als auch in Privatwohnungen in München, Erlangen und in Österreich statt.

Das firmeninterne System zur Finanzierung von Schmiergeldern soll im Firmenkundensegment (Enterprise Networks) der Festnetzsparte ICN geknüpft worden sein. ICN und die Mobilfunksparte ICM waren im Oktober 2004 zum Bereich Com zusammengelegt worden.

Zwölf Verdächtige

Als Verdächtige in der Angelegenheit werden die ehemaligen Mitglieder des Bereichsvorstands von ICN, Andy Mattes (45) und Michael Kutschenreuter (52), namentlich genannt. Kutschenreuter war Finanzchef von ICN. Kleinfeld wiederum war 2004 im Zentralvorstand von Siemens zuständig für das Gebiet Information and Communications (IC). Zu diesem gehörte die Com-Sparte. Mattes bekleidet seit Anfang 2006 den Posten des Vertriebschefs der Technology Solutions Group von Hewlett-Packard (HP). Kutschenreuter ist heute Bereichsvorstand der Sparte Siemens Real Estate.

Der Verdacht der Staatsanwaltschaft München unter Leitung von Oberstaatsanwalt Christian Schmidt-Sommerfeld richtet sich gegen zwölf Personen. Nach den vorliegenden Informationen haben sich drei Beschuldigte umfassend zu den Vorwürfen geäußert, was der Staatsanwaltschaft weitere Belege für die Anschuldigungen gab. Die jetzt von der Staatsanwaltschaft in München vorgenommenen Untersuchungen wurden ursprünglich durch Ermittlungen in der Schweiz initiiert. Die dortige Meldestelle für Geldwäscherei hatte Hinweise an die Bundesanwaltschaft der Eidgenossen gegeben und damit im Spätsommer 2005 Ermittlungen ausgelöst.

Von den Untersuchungen in der Schweiz war Siemens bereits vor einem Jahr informiert worden. Daraufhin habe man, so ein Unternehmenssprecher, eigene Ermittlungen angestellt. Zudem sei seitdem der Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats regelmäßig informiert worden. Deutsche Ermittlungsbehörden habe man nicht eingeschaltet, weil ja bereits die schweizerischen tätig geworden seien. (jm)