Turbo-NAS mit Mail-Server

26.02.2009
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Daten im Netz speichern – das war die Aufgabe eines Network Attached Storage (NAS). Moderne Highend-NAS wie die getestete "Synology DS508" sind heute aber mehr: Als Netzwerk-Server übernehmen sie Mail-Server-Aufgaben.

Es gibt selten Testgeräte, die in einer Redaktion mit Hochspannung erwartet werden – die DS508 von Synology zählt dazu, denn im US-amerikanischen Markt hatte das Gerät schon viele Vorschusslorbeeren bekommen. So kürte unsere Schwesterpublikation PCWORLD den Netzspeicher bereits zum "NAS of the Year". Und die Werbung des Herstellers schraubte mit Sprüchen wie "Network Server with Flexible Office Applications" die Erwartungen weiter hoch – als ob die eigentliche Hauptaufgabe des NAS, nämlich ein ausfallsicherer Raid-Datenspeicher mit bis zu fünf hot swappable Festplatten zu sein, nicht bereits anspruchsvoll genug wäre.

Plattenwechsel im Betrieb

Zumindest auf dem Papier scheint der Hersteller der DS508 die erforderlich Hardware zur Erfüllung dieser Ansprüche mit auf den Weg gegeben zu haben. Herzstück der NAS ist eine 800 Megahertz schnelle Power-PC-CPU, der 512 MB RAM zur Seite stehen. Anschluss an das Netz findet das Speichersystem über zwei Gigabit-Ethernet-Schnittstellen. Zur direkten Konfiguration verfügt das Gerät zudem über einen seriellen Konsolen-Port. Waren bei der von uns im letzten Jahr getesteten Synology DS207+ (http://www.computerwoche.de/knowledge_center/netzwerke/1862045/) die Festplatten fest in das Gehäuse integriert, so sind diese bei der DS508 über fünf Laufwerkschächte von außen zugänglich und können im laufenden Betrieb gewechselt werden, ohne dass die NAS hierzu heruntergefahren werden muss. In unserem Testgerät waren vier 80 GB große SATA-II-Festplatten von Western Digital verbaut. Maximal kann die NAS intern mit bis zu 5 TB bestückt werden.

Neue Firmware

Die eigentliche Konfiguration verläuft bei der DS508 auf die gleiche Weise wie bei den kleineren Modellen und bietet somit keine Überraschungen. Per Assistant wird der Netzspeicher im Netz gesucht und dann die aktuelle Firmware aufgespielt. Hatten wir die DS207+ mit dem Diskstation-Manager in der Version DSM 2.0-0640 getestet, so konnten wir jetzt eine Betaversion der für März angekündigten Version 2.1 näher unter die Lupe nehmen. Sieht man von einigen Übersetzungsfehlern und anderen Kleinigkeiten ab, erwies sich die Beta mit der Versionsnummer DSM 2.1-0803 als recht stabil. Augenfälligste Neuerung der Betaversion ist, dass jetzt die Netzspeicher auch die Aufgaben eines Mail-Servers übernehmen können.

Doch der Reihe nach. Nach der Installation der Firmware initialisiert der Administrator die verbauten Festplatten. Dabei hat er die Wahl zwischen einer Konfiguration als Raid 0, Raid 1, Raid 5, Raid 5 + spare, Raid 6 sowie JBOD (Just a Bunch of Disks). Zur Benutzer- und Rechteverwaltung hat der Administrator zwei Möglichkeiten: Entweder er entscheidet sich für das systeminterne Authentifizierungssystem, oder er verwendet in einem Windows-Domain-Netz die Active-Directory-Unterstützung (ADS) als übergeordnete Kontrollinstanz. Dabei hat Synology bei der neuen Firmware die systeminterne Benutzerverwaltung deutlich überarbeitet. So können jetzt für jeden User automatisch Home-Verzeichnisse angelegt werden. Zudem ist der Administrator in der Lage, Zugriffsrechte auf die Diskstation-Anwendungen (Filestation, Fotodatenbank, Blog etc.) an zentraler Stelle zu vergeben. Neu ist auch, dass die Benutzer, wie von Linux gewohnt, für ihre Unterverzeichnisse Zugriffsrechte selbst vergeben können. Auch sonst hat Synology in die Firmware eine Menge Feintuning investiert, das dem normalen Benutzer nicht sofort ins Auge springt.

Während diese Änderungen dem Anwender im Büroalltag kaum auffallen dürften, springen ihm dagegen die Veränderungen an den Applikationen der NAS sofort ins Auge. So ist ein Zugriff auf die Filestation, die als Web-basierender Client für das Hoch- und Runterladen von Dateien dient, jetzt direkt möglich ohne Umweg über die Management-Konsole. Und die Photo Station, die interne Bilddatenbank-Anwendung der NAS, wartet nun mit einer Suchfunktion auf, was die Praxistauglichkeit dieser Anwendung etwa für Redaktionen und Agenturen deutlich steigert.

Überarbeitete Applikationen

Eine Renovierung beziehungsweise ein Update erfuhren teilweise auch die anderen Diskstation-Applikationen wie etwa der Apache Web-Server, der integrierte MySQL Server oder die Multimedia-Dienste. Da es sich hier meist nur um kleinere Verbesserungen handelt, gehen wir an dieser Stelle nicht weiter auf diese Anwendungen ein. Interessierte Leser finden hierzu mehr Informationen unter http://www.computerwoche.de/knowledge_center/netzwerke/1862045/index2.html.

Highlight der neuen Version ist auf Applikationsseite sicher die integrierte Mailstation. Mit den entsprechenden Records auf den DNS kann die NAS so als eigenständiger Mail-Server dienen. In Zeiten von Google-Mail-Accounts mit Speicherplatz im Gigabyte-Bereich mag mancher am Sinn dieser Funktion zweifeln. Doch sie hat durchaus ihre Berechtigung, wenn man sich das Einsatzgebiet der DS508 etwa in abgesetzten Niederlassungen oder kleinen Büros und Unternehmen anschaut. Hier erspart sie unter Umständen die Anschaffung eines dedizierten Mail-Servers, oder sie fungiert als Backup, falls eine Niederlassung einmal keinen Zugriff auf die zentralen Mail-Server hat. Der Mail-Abruf selbst kann per Outlook oder andere gängige Clients erfolgen sowie direkt per Web-Browser. Für Letzteres nutzt die NAS die Linux-Anwendung Round Cube.

Angesichts der Vielzahl an Funktionen, die sich zudem einfach über das Package-Management-System "Itsy Package Management System" (ipkg) um über 900 Linux-Programme erweitern lassen, gerät der eigentliche Zweck der DS508 fast in Vergessenheit: ihr Einsatz als Datenspeicher.

Performance-Messung

Um das Maximum an Leistung herauszuholen, haben wir die vier Festplatten unserer NAS als Raid 0 konfiguriert. Angesichts der Tatsache, dass damit die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls und Datenverlusts auf das Vierfache steigt, ist diese Betriebsart im Alltag nur mit einem täglichen Backup zu empfehlen. Den Mut zum Risiko belohnte die DS508 aber mit guten Transferraten. Mit Hilfe des ATTO-Disk-Benchmarks maßen wir Schreibraten um die 50 MB/s. Beim Lesen wurden Werte um die 70 MB/s über das Gigabit-Ethernet-LAN erreicht. Der Versuch, beide Gigabit-Anschlüsse der NAS per Link-Aggregation zur Erhöhung der Transferraten zu nutzen, war nicht von Erfolg gekrönt. Letztlich kann der zweite LAN-Anschluss als eine Art Backup betrachtet oder dazu genutzt werden, den NAS direkt mit zwei unterschiedlichen IP-Netzen zu koppeln.

Vorteile und Nachteile

Plus:

  • Gute Transferraten;

  • leistungsfähige CPU;

  • ausgereifte Admin-Oberfläche;

  • kann als Server genutzt werden;

  • geringes Betriebsgeräusch.

Minus:

  • Keine automatische Wiederherstellung des Volumes nach Fehler;

  • kein zusätzlicher Einbaurahmen für Ersatzfestplatte;

  • Apache Web Server ist in seiner Funktionalität beschränkt;

  • volle Apache-Funktionalität erst nach Modding;

  • PHP-Umfang ist ebenfalls teilweise beschnitten.

Eher ernüchternd verlief dagegen ein simulierter Festplattenausfall mit der DS508 in einer Raid-5-Konfiguration. So alarmierte die NAS per E-Mail über die Störung und teilte ihre Probleme mit einem lautstarken Gepiepse mit, eine automatische Fehlerbehebung fand nicht statt. Eigentlich hätten wir erwartet, dass die NAS nach dem Einschub einer neuen fehlerfreien Platte ihr Volume auto-matisch wiederherstellt. Leider ist das nicht der Fall. Vielmehr muss der Administrator den Vorgang über die Management-Konsole über den Befehl "repair" selbst anstoßen, was auch remote möglich ist. Danach gelang die Wiederherstellung der Daten ohne Probleme. Im Zusammenhang mit dem simulierten Festplattenausfall fiel uns noch ein Schönheitsfehler auf: Synology sollte der NAS einen leeren Einschubrahmen beilegen, in den eine Ersatzfestplatte eingebaut werden kann. Denn das Herausziehen und Einschieben eines solchen Rahmens kann auch einem IT-unbedarften Mitarbeiter in einer Zweigstelle zugemutet werden. Das Schrauben erfordert dagegen einen Supportmitarbeiter vor Ort.

Technische Daten

Gerät: Synology DS508;

Hersteller: www.synology.com;

Typ: NAS mit bis zu fünf Festplatten;

Speicher: bis zu 5 TB;

Anschlüsse: zweimal Gigabit Ethernet, seriell;

CPU: 800-Megahertz-Power-PC;

RAM: 512 MB;

Betriebssystem: Beta des DSM2.1-0803

Anwendungen: Web-Server, Fotodatenbank, File-Server, P2P-Client, Server für IP-Kameras, Print-Server, MySQL, Mail-Server, iTunes-Server, Blog;

Preis: bei Internet-Händlern ab 750 Euro (ohne Festplatten).

Fazit

Wie schon die früheren Synology-Speicher konnte auch die DS508 im Alltag überzeugen. Für das Gerät spricht unter anderem die Performance sowie die einfach zu bedienende Admin-Oberfläche in Form des Diskstation Manager. Mit der 800-Megahertz-CPU und 512 MB RAM hat die NAS im Vergleich zu den früher getesteten Modellen auch genügend Rechen-Power für Server-Aufgaben.