IT-Unternehmen entdecken das Sozialsponsoring

Tue Gutes und rede darüber

14.12.2001
Sozialsponsoring ist für deutsche IT-Unternehmen kein Fremdwort mehr, auch wenn sich die Zuwendungen nicht mit denen vergleichen lassen, die in den Sport fließen. Vorteil des Sozialengagements ist es, dass sich die Firmen eines positiven Images sicher sein können. Und ihre Mitarbeiter lernen dazu. Von Mirjam Müller*

Auf der Zukunftskonferenz der CDU Deutschlands interessierte sich im Sommer dieses Jahres mancher Politiker mehr für ein Computerspiel als für die Vorträge. Kein Wunder: Das Spiel ist ein Welthit. In über 140 Ländern von Afghanistan bis Zimbabwe wird "Catch the Sperm" gespielt. Über zehn Millionen Menschen versuchen mit Kondomen, Spermien und vor allem Viren zu fangen. Kommt ein Virus durch, ist der Spaß vorbei. Diese Botschaft wird weltweit verstanden - ohne Erklärungen und Übersetzungen. Und das ist auch der Sinn der Sache: Mit dem PC-Spiel will das Kinderhilfswerk Unicef das Thema Aids bei Jugendlichen gesellschaftsfähig machen. Catch the Sperm trifft junge Leute dort, wo sie gerne sind: im Netz. Statt mit erhobenem Zeigefinger werden sie auf unterhaltsame Weise an das Thema herangeführt. Ein weiterer Pluspunkt der Kampagne: Das Kinderhilfswerk musste für das Spiel nichts bezahlen. Die mit den Moorhuhn-Spielen bekannt gewordene Phenomedia AG aus Bochum hat die virtuelle Virenjagd entwickelt und stellt sie Unicef kostenlos zur Verfügung.

Vor allem Großkonzerne spenden für SozialesIn den USA ist soziales Engagement von Firmen längst etabliert - klassische Geldspenden, Sponsoring und Pro-bono-Leistungen für gute Zwecke sind dort Standard. Doch obwohl solche Aktivitäten ein enormes Potenzial für Mitarbeitermotivation und Firmenimage haben, nutzen deutsche Unternehmen die Möglichkeit, den guten Zweck mit den Firmenzielen zu verbinden, vergleichsweise wenig.

Zwar bedenken vor allem große Konzerne soziale Organisationen regelmäßig mit Geldspenden, verglichen mit anderen Aktivitäten ist das Engagement für wohltätige Zwecke aber eher bescheiden: Im vergangenen Jahr gaben deutsche Firmen 4,9 Milliarden Mark für Sponsoring aus - allein 2,9 Milliarden flossen in den Sport und ebenfalls beträchtliche Mittel in Kultur, während für Sozialprojekte nur 0,3 Milliarden Mark ausgegeben wurden. Für das Jahr 2001 schätzt die Internationale Sportrechte Gesellschaft (ISPR) die Gesamtausgaben auf 5,4 Milliarden Mark. Auf den Sport sollen davon 3,1 Milliarden entfallen, für Soziales werden Firmen wohl nur knapp ein Zehntel davon aufwenden.

Für Phenomedia hat sich das Engagement auch binnenatmosphärisch gelohnt: "Der Game-Sektor steht unter dem Verdacht, unnütz zu sein. Da kommt ein soziales Engagement bei den Mitarbeitern besonders gut an", erklärt Phenomedia-Sprecher Ulf Hausmanns. "Neben dem guten Zweck ist auch der Erfolg eine Motivation für das Team. Immerhin haben wir es geschafft, eine schwierige Botschaft erfolgreich umzusetzen", so Hausmanns. Die Mohrhuhn-Entwickler hätten gezeigt, dass sich Computerspiele als Teil der Medienwelt bewähren und schwierige Botschaften oder Produkte gut transportieren können. Keine Broschüre werde 90-mal angeschaut - und so oft haben die registrierten Nutzer durchschnittlich "Catch the Sperm" gespielt.

Die Spieleexperten haben mittlerweile Erfahrung mit solchen Initiativen. Schon im vergangenen Jahr haben sich die Bochumer mit dem PC-Spiel "Kick out Polio" an der Anti-Polio-Kampagne der Unicef beteiligt, und das Engagement soll unter anderem mit Aktionen zum Welt-Aids-Tag weitergehen. "Insgesamt profitieren wir von der zusätzlichen PR und dem seriösen Image, das solche Aktionen mit sich bringen", meint Sprecher Hausmanns.

Der Öffentlichkeitseffekt steht auch bei den meisten Geldspenden im Zentrum. Für rund 10000 Mark ist ein 30-Zeilen-Artikel mit Foto in Lokalzeitungen durchaus zu haben, bereits für rund 2000 Mark gibt es eine Meldung - zu zahlen an einen guten Zweck. Die "Schüttelhände" - meist ein Herr mit Scheck und einige sozial engagierte Damen - sind regelmäßig auf den Regionalseiten zu finden. Solche Medienberichte zählen zu den Hauptmotivationsfaktoren für Firmenspenden, die so deutlich mehr als ein gutes Gewissen versprechen: Neue Werbemöglichkeiten, Kontakt zu Zielgruppen, Publicity und Pluspunkte beim Image tauchen neben der Zuwendungsbestätigung fürs Finanzamt auf der Habenseite der Gönner auf.

Wegen des direkten Bezugs zum Umfeld der Firmen ist Sozialsponsoring auf lokaler Ebene besonders Publicity-trächtig. Und Initiativen wie beispielsweise das Hamburger Spendenparlament machen auch kleinen und mittelständischen Firmen das Geben schmackhaft: Seit der Gründung im Jahr 1995 wurden über vier Millionen Mark beim Spendenparlament nach wahrhaft demokratischen Grundsätzen an gemeinnützige Projekte in der Hansestadt verteilt. Die über 3000 Mitglieder wissen so nicht nur, wohin ihre Spenden fließen - sie können die Empfänger selbst mitbestimmen. Vor allem tatkräftige Unterstützung ist gefragt, denn beim Spendenparlament gilt die in der Satzung festgehaltene Devise "Keine Mark für Werbung". Um dennoch möglichst viele Unterstützer zu gewinnen, sind neben klassischen Werbeaktionen auch die neuen Medien ein wichtiges Kommunikationsinstrument. "Gerade die jüngere Generation informiert sich im Internet. Entsprechend hoch ist die Zahl der Visits auf www.spendenparlament.de", erklärt Martina Krusekamp. Die Beraterin arbeitet ehrenamtlich für das Spendenparlament und hat die Homepage gemeinsam mit ihrem Freund an vier Wochenenden programmiert.

Fast schon ein "Klassiker" sind Patenschaften für Kinder aus wenig entwickelten Ländern. "Immer mehr Firmen spenden für unsere Projekte statt Geschäftspartner und Kunden mit Weihnachtsgeschenken zu beglücken. Andere stellen ihre Patenkinder in der Weihnachtspost vor", sagt Isabel Reusch, Pressesprecherin beim CCF Kinderhilfswerk. "Bei den Empfängern kommt das gut an. Nach solchen Aktionen erhalten wir regelmäßig Anfragen von anderen Firmen." Ende Oktober hat das CCF Kinderhilfswerk unter http://www.ccf-kinderhilfswerk.org eine neue Website ins Netz gestellt. An Konzept und Realisierung hat die Internet-Agentur Rahlfs + Ross Multimedia 160 Stunden gearbeitet - zum Selbstkostenpreis.

Positives Image fördert den UmsatzDie zehn Mitarbeiter von Rahlfs + Ross Multimedia unterstützen das Kinderhilfswerk gerne. "Unser soziales Engagement passt in die Firmenphilosophie, da bei uns nicht alles aufs Geschäftliche reduziert ist. Die Reaktionen des Teams waren durchweg positiv", freut sich Ross. "Und weil von den Stundensätzen, die in unserer Branche bezahlt werden, eine Familie in der Dritten Welt einen ganzen Monat leben kann, haben wir uns auch gleich für eine Büropatenschaft bei CCF entschieden."

Auch Corporate Volunteering, bei dem Unternehmen einen Teil ihrer Leistung pro bono zur Verfügung stellen, wird für Unternehmen interessant. Positives Image fördert den Umsatz und motiviert die Mitarbeiter, die bei den gemeinnützigen Einsätzen wichtige soziale Kompetenzen gewinnen. "Der Einzug digitaler Techniken und die Internationalisierung des Wettbewerbs verändern die Arbeitsplätze und die Anforderungen an die Mitarbeiter", erklärt Gerd Mutz, Leiter des Munich Institute for Social Sciences.

Manager arbeiten in Non-Profit-EinrichtungenDas probate Mittel zur Herausbildung dieser Fähigkeiten sieht Mutz im sozialen Lernen: "Sozialwissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die Fähigkeit zur Perspektivenverschränkung gefördert werden kann, wenn sich Menschen immer wieder aktiv in unterschiedlichen Welten bewegen, die ein soziales Lernen ermöglichen." Derartige Lernfelder sollten sich grundsätzlich vom beruflichen Alltag unterscheiden, sie müssen aber genügend Anknüpfungspunkte für eine Übertragung der neuen Erfahrungen auf den Arbeitsplatz und in den Kollegenkreis bieten.

Bei der Siemens AG sind diese Erkenntnisse bereits im Alltag erprobt. Vor zwei Jahren hat der Elektronikriese unter dem Motto "Corporate Citizenship" gemeinsam mit dem Sozialreferat der Stadt München auf der Basis einer Public-Private-Partnership ein Weiterbildungsmodell gestartet, bei dem Führungskräfte des Konzerns für eine Woche ehrenamtlich in einer Non-Profit-Einrichtung mitarbeiten.

Mit "Switch - die andere Seite" will Siemens seine gesellschaftspolitische Verantwortung wahrnehmen und gleichzeitig für einen erweiterten Horizont der eigenen Manager sorgen. Hans-Georg Ducoffre ist Abteilungsleiter im zentralen Bereich Siemens ICN Business Transformation and Coordination. Als ihn ein Kollege aus der Sozialabteilung zwischen Tür und Angel fragte, ob er nicht an Switch teilnehmen wolle, sagte der 49-Jährige spontan zu.

Nach dem Vorgespräch mit dem Projektleiter der Non-Profit-Einrichtung tauschte Ducoffre sein Büro für eine Woche gegen eine Werkbank in der Münchner Schreinerwerkstatt Pronova. Der Meisterbetrieb hilft seit 17 Jahren psychisch Kranken, Behinderten und Langzeitarbeitslosen mit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen bei der Integration in die Arbeitswelt. Im Rahmen des Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramms lernen die Mitarbeiter über maximal zwei Jahre, wieder einem geregelten Berufsalltag nachzugehen.

Dem Siemens-Manager bot der Ausflug in den Handwerksbetrieb die Gelegenheit, das eigene Führungsverhalten in einer nicht alltäglichen Situation zu überprüfen und sich direkt mit Fragen, Problemen und Zukunftsängsten auseinander zu setzen, die auch Siemens-Mitarbeiter in wirtschaftlich schwierigen Zeiten bewegen. "Das Ziel war, durch die direkte Zusammenarbeit einen Kontakt herzustellen. Nach einer kurzen Vorstellung habe ich die Dinge auf mich zukommen lassen und wie ein Praktikant in der Schreinerei mitgearbeitet", erinnert sich Ducoffre.

"Dabei haben sich meine Befürchtungen, dass mir die Mitarbeiter reserviert begegnen würden, keineswegs bewahrheitet. Im Gegenteil: Sie haben von sich aus bereitwillig über ihre Situation gesprochen." Dabei wurde dem Manager das eigene Schubladendenken bewusst: "Ich habe erfahren, dass alle aus eigenem Antrieb an dem Projekt teilnehmen, und mich auch von meinem über Jahre entwickelten Vorurteil verabschiedet, dass Langzeitarbeitslose durch eigenes Verschulden in diese Situation geraten und dort verbleiben."

Heute weiß er, dass oft auch Hilfe und Sensibilität des Umfelds gefehlt haben, um die Stellungslosen wieder zu integrieren. Die Erkenntnisse haben Einfluss auf seinen eigenen Führungsstil: "Heute gebe ich jemandem viel eher als früher eine zweite Chance. Bei Schwierigkeiten frage ich mich intensiver, welche Qualitäten der Mitarbeiter hat und ob es einen Platz gibt, an dem er sie besser einsetzen kann." (hk)

*Mirjam Müller ist freie Journalistin in Hamburg.

SpendensiegelWas Unternehmen und Privatpersonen oft vom Spenden abhält, ist die Ungewissheit darüber, ob das Geld tatsächlich beim gewünschten Empfänger ankommt. Bei der Suche nach solchen maßgeschneiderten Engagements hilft das Deutsche Institut für soziale Fragen (dzi). Dessen Spendensiegel gilt derzeit als einzig verlässliche Qualitätsgarantie für überregionale Spendensammler aus dem humanitär-karitativen Bereich. Firmen, die auf der Suche nach einem passenden Empfänger sind, können unter www.dzi.de selbst recherchieren oder sich von den Berliner Profis helfen lassen. Auf der Web-Seite hat das DZI auch einen Überblick und Ratschläge zu Spendenmöglichkeiten anlässlich der Terroranschläge veröffentlicht.