Nach Protesten

Tschechien setzt ACTA-Ratifizierung vorerst aus

07.02.2012
Nach Polen hat nun auch Tschechien die Ratifizierung des umstrittenen Urheberschutz-Abkommens ACTA vorerst ausgesetzt.

Das Kabinett von Ministerpräsident Petr Necas müsse den Pakt zunächst näher analysieren, bestätigte Regierungssprecher Jan Osuch am Montag der Nachrichtenagentur dpa. "Wir dürfen auf keinen Fall zulassen, dass die bürgerlichen Freiheiten und der freie Zugang zu Informationen in irgendeiner Weise bedroht sind", erklärte Necas.

Vor der überraschenden Ankündigung des Regierungschefs hatten die Proteste gegen das Abkommen in Tschechien einen neuen Höhepunkt erreicht. Hacker der Gruppe Anonymous entwendeten eine Liste mit privaten Informationen zu allen Mitgliedern der Regierungspartei ODS und spielten sie am Montag tschechischen Zeitungen zu.

Tschechien und 21 weitere EU-Mitgliedsstaaten hatten das Handelsabkommen zum Kampf gegen Fälschungen (ACTA, Anti-Counterfeiting Trade Agreement) im Januar unterzeichnet.

Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk diskutierte unterdessen am Montag mit Bürgern und Bloggern über das umstrittene ACTA-Internetgesetz. Nach anhaltenden Protesten und Demonstrationen hatte Tusk die Ratifizierung des bereits unterschriebenen Abkommens in der vergangenen Woche ausgesetzt. Am Montag entschuldigte er sich für die mangelnde Transparenz in der bisherigen Diskussion über das Gesetz, das Urheberrechtsverletzungen im Internet bekämpfen soll. "Wir sind der Routine zum Opfer gefallen", sagte er. "Mit ein bisschen Zeit und gutem Willen hätte ich mich mit den Nutzern der Internets (schon vorher) treffen können."

Gleichzeitig betonte Tusk, die polnische Regierung werde ihre Unterschrift unter das ACTA-Abkommen nicht zurückziehen, "bloß weil eine Gruppe das fordert. Eine solche Regierung kann gleich zurücktreten", sagte er. Es gelte, die westliche Kultur vor Internet-Piraterie zu schützen.

In Polen hatten Hacker tagelang die Webseiten der Regierung blockiert, Tausende gingen gegen ACTA auf die Straße. Sowohl die linke wie auch die nationalkonservative Opposition ging auf Distanz zu dem internationalen Abkommen und klagte über unzureichende Informationen über das Gesetz und seine Auswirkungen. Da auch Datenschützer Bedenken angemeldet hatten, beauftragte Staatspräsident Bronislaw Komorowski die Ombudsfrau für Bürgerrechte mit einer Überprüfung des Gesetzes.

Tusk rechnete am Montag damit, dass es Anfang Mai eine erste Einschätzung geben werde, ob durch ACTA die Freiheit im Internet verletzt werde. (dpa/tc)