Der Gastkommentar

Trotz SW-Marktbereinigung koennen auch Kleine ueberleben

29.01.1993

Die bundesdeutsche Wirtschaft unterliegt aufgrund der allgemeinen Rahmenbedingungen einem intensiven Wettbewerbs- und Kostendruck. Das spueren vor allem auch die Anbieter von Dienstleistungen und Investitionsguetern durch ruecklaeufige Auftragseingaenge.

In der DV-Branche wirkt sich diese Tendenz, in Verbindung mit allgemeinen Trends wie Downsizing, Client-Server, offene Systeme, Marktkonzentration etc., verstaerkt aus. Neben den Grossen sind davon insbesondere die mittelstaendischen Anbieter von Softwareleistungen betroffen. Welche Ursachen hat das?

Aus der Erfahrung von ueber 300 DV- und Softwareberatungs- Projekten und Gespraechen mit Soft- und Hardware-Anbietern wurden die Anforderungen der mittelstaendischen Unternehmen an die Leistungen der Soft- und Hardware-Anbieter gesammelt.

Zusammenfassend muss gesagt werden, dass grosse Teile der Softwarebranche das Grundverstaendnis fuer praxisnahe Loesungen, verbunden mit den Unternehmensanforderungen und den Moeglichkeiten des Kunden-Managements, nicht ausreichend in ihrer Arbeit umgesetzt haben. Die derzeitige Krise betrifft bekanntlich nicht die gesamte DV-Branche. Besonders hart betroffen sind mittelstaendische Software-Anbieter.

Die Richtigkeit dieser These beweisen erfolgreiche Wettbewerber in allen Einzelsegmenten der Branche wie Microsoft, SAP, Compaq, Dell, um einmal die Grossen zu nennen. Diese Unternehmen haben es verstanden

- zukuenftige Entwicklungen vorherzusehen,

- ertragreiche Marktsegmente zu erkennen,

- ihre Unternehmensressourcen auf diese Kernaktivitaeten zu konzentrieren,

- echten Nutzen fuer die Kunden zu erwirtschaften sowie

- ihre Kostenstrukturen auch in der allgemeinen Wachstumseuphorie in den richtigen Dimensionen zu halten.

In der derzeitigen Marktsituation besteht aus diesem Grunde fuer einen mittelstaendischen Software-Anbieter besonderer strategischer Positionierungsbedarf, um nicht im Strudel der Ereignisse in die falsche Richtung zu investieren.

Es sind Fragen zu beantworten wie:

- Wer ist eigentlich meine (zukuenftige) Zielgruppe?

- Wie ist der Wettbewerbsdruck in diesem Marktsegment?

- Wie muessen meine zukuenftigen Produktstrukturen gestaltet sein?

- Welche der Trends in der Branche haben auch auf mich erhebliche Auswirkungen?

- Ist das einzelne Unternehmen langfristig wettbewerbs- und ueberlebensfaehig?

Wie muss nun der mittelstaendische Software-Anbieter der Zukunft aussehen? Ausgangspunkt fuer die Beantwortung dieser Fragestellung sollte eine Untersuchung der aktuellen Situation, der Entwicklung des Unternehmens in den letzten Jahren sowie ein Vergleich mit der Branche (Benchmarking) sein.

Dabei wird der einzelne Unternehmer beispielhaft feststellen, dass

- die bisherigen Kundenpotentiale im produzierenden Gewerbe - im Rahmen der Wirtschaftsentwicklung hin zu einer staerkeren Dienstleistungsgesellschaft - schrumpfen;

- neben den bisher eher technisch orientierten Ansprechpartnern bei den Kunden (zum Beispiel DV-Leitern, nun Anwender mit Forderungen nach der Unterstuetzung ihrer Taetigkeitsprofile zu ueberzeugen sind;

- fallende Hardwarepreise nicht nur hier die Margen gegen Null schrumpfen lassen, sondern auch laengst die Softwarepreise verfallen;

- der bisher durch Ausrichtung auf eine Basishardware fest definierte Kundenkreis (zum Beispiel alle IBM AS/400-Anwender), durch Einsatz offener Systeme nun von einem viel breiteren Wettbewerberspektrum bedient werden kann;

- Anwender aufgrund ihrer Erfahrung mit umfassenden PC- Funktionalitaeten nun auch Multimedia-Loesungen, Windows, Antwortzeiten im Zehntelsekunden-Bereich fuer Ihre Auftragsbearbeitung oder Ihre Finanzbuchhaltung fordern.

Neben diesen erschreckenden Feststellungen wird jeder Software- Anbieter noch weitere solche Bereiche finden. Die Folgerung wird in vielen Faellen sein, dass die bisherigen Produkte, Kunden, Strategien, Kostenstrukturen und Partner, die noch vor ein oder zwei Jahren als eine sichere Basis fuer die zukuenftige Entwicklung schienen, nun laengst nicht mehr diese Bedeutung haben.

Der Massnahmenkatalog sowie die zukuenftige Strategie werden fuer das einzelne Unternehmen jeweils individuell zu gestalten sein, einige Grundtendenzen fuer mittelstaendische Software-Anbieter muessen aber auf jeden Fall beruecksichtigt werden:

- Das Hauptgeschaeft mit der Standardsoftware wird immer staerker von einigen grossen, kundenanonym operierenden Unternehmen abgedeckt.

- Der Preis- und Margenverfall im Hard- und Softwarebereich macht ein Ausweichen in die Dienstleistung erforderlich.

- Fuer die Beherrschung des Dienstleistungsgeschaeftes sind wesentliche Unternehmensparameter (Organisation, Kosten, Kunden- und Mitarbeiterorientierung) zu veraendern.

- Handels- und Dienstleistungsunternehmen werden verstaerkt zum potentiellen Kundenkreis gehoeren - Produkte und Marktangang sind hierauf abzustimmen.

- Die Anzahl der moeglichen Wettbewerber wird aufgrund der Thematik offene Systeme weiter zunehmen.

- Der mittelstaendische Software-Anbieter muss sich klar definierte Nischen mit geringem Wettbewerbsdruck suchen, um die notwendigen Margen fuer die Ueberlebensfaehigkeit erzielen zu koennen.

Die neuen Wege muessen bald beschritten werden, da es bei dem hohen Innovationsgrad der DV-Branche durchaus in zwei bis drei Jahren wieder ein voellig veraendertes Anbieterbild geben kann.

*Die Deutsche Gesellschaft fuer Mittelstandsberatung mbH ist eine Tochter der Deutschen Bank und der Unternehmensberatung Roland Berger & Partner. Die DGM wird in Deutschland ueber neun Bueros von 130 Beratern vertreten.

Thomas Scheuse ist Teamleiter IM-/DV-Beratung, bei der DGM- Duesseldorf