McKinsey-Studie: 58 Prozent der befragten europäischen Geldhäuser zeigen sich von Outsourcing-Resultaten enttäuscht

Trotz Skepsis lagern Banken IT aus

08.08.2003
MÜNCHEN (CW) - Unter europäischen Banken hat sich das Outsourcing als Management-Werkzeug etabliert, wenngleich viele Anwender von den Ergebnissen enttäuscht sind. Zuallererst geht es den auslagernden Unternehmen nämlich um Kosteneinsparungen, die sich allerdings nur erzielen lassen, wenn die Verantwortlichen gut vorbereitet in die Diskussion mit dem Anbieter eintreten.

Der Status quo und die Entwicklung im Outsourcing-Geschäft mit europäischen Banken sind ermutigend - zumindest für Outsourcing-Befürworter. Jedes der 31 von der Unternehmensberatung McKinsey im Rahmen der Studie "ICT and Operations Outsourcing in Banking" befragten Finanzinstitute hat schon wenigstens einen Auslagerungsvertrag abgeschlossen. Outsourcing ist auf oberster Führungsebene demnach als brauchbares Management-Werkzeug akzeptiert, sei es zur Kostensenkung, Effektivitäts- oder Flexibilitätsverbesserung.

Allerdings äußerten sich auch 58 Prozent der befragten Anwender enttäuscht über die Ergebnisse ihres Outsourcing-Projekts. Damit bestätigt die nicht repräsentative McKinsey-Umfrage die Erhebungen anderer Institute, die von rund 50 Prozent unerfüllten Erwartungen nach Auslagerungsprojekten sprechen: Entweder wurden die Kosten nicht in dem erwarteten Maße gesenkt, die Qualitätsansprüche verfehlt oder die Ziele nicht termingetreu erreicht - die Kritiker dürften die Klage über diese Mängel mit Genugtuung vernehmen.

Ziele im Vorfeld klar definieren

"Outsourcing ist ein valides Mittel zur Wertsteigerung, gerade im IT-Bereich", bilanziert Oliver Schein, McKinsey-Projektleiter und Co-Autor der Studie. "Es bietet aber keinesfalls die Möglichkeit, interne Probleme quasi durch einen Federstrich zu lösen, schon gar nicht, wenn zum Projektstart die Ziele nicht eindeutig definiert sind." Gerade Letzteres ist oftmals Ursache für späteren Verdruss über Outsourcing-Projekte. Weitere Fehlerquellen sind die unterschätzten Kosten für die Migration sowie für die auch nach dem Betriebsübergang erforderlichen internen IT-Aufwendungen.

Umgekehrt hat sich bei der Erhebung gezeigt, dass solche Unternehmen gute Ergebnisse mit dem Outsourcing erzielen, die im Vorfeld Kosten- und Prozesstransparenz geschaffen haben. McKinsey-Berater Schein rät, noch weiter zu gehen und einen Outsourcing-Geschäftsplan zu erstellen. Ein solches Papier listet beispielsweise Einsparziele auf und ermöglicht eine permanente Erfolgskontrolle. "Wer schwarz auf weiß formuliert, was er sich von einem Auslagerungsprojekt verspricht, dem fällt auch die Provider-Auswahl und die Vertragsgestaltung leichter", erläutert Schein. Denn - auch das ist ein Ergebnis der Befragung - viele Fehler sind in Folge einer falschen Anbieterwahl geschehen, weil Anwender sich von den Einsparversprechen der Provider haben locken lassen. Dieses Vorgehen versperrt möglicherweise den Blick auf andere und nützlichere Fähigkeiten der Service-Provider. Zum Beispiel könnten sie die Effektivität oder Flexibilität der Umgebung verbessern.

Trotz aller Diskussionen um Qualitätsverbesserung sind die Kosten nach wie vor das ausschlaggebende Argument für Outsourcing, seien es die Betriebsaufwendungen oder die erforderlichen Investitionen. Knapp drei Viertel der befragten Banken müssen sparen und betrachten die Auslagerung als geeignetes Mittel. Doch wer mit seinem späteren Anbieter in die Kostendiskussion eintritt, sollte verstehen, wie sein Gegenüber das Sparziel erreichen will. McKinsey hat dazu eine Modellrechnung erstellt: Ausgehend von einer gewünschten Kostenverringerung von 15 Prozent beim Anwender, muss der Anbieter nach dem Betriebsübergang die gleichen Leistungen zu 60 Prozent der ursprünglich beim Kunden entstandenen Kosten erbringen (siehe Grafik "Sparen mit Outsourcing: 15 Prozent sind ein großes Wort"). Diese Quote kann der Anbieter erreichen, indem er Skaleneffekte nutzt, Personal abbaut (oder besser auslastet) sowie die übernommene Infrastruktur besser und billiger verwaltet.

"Outsourcing kann allerdings nur funktionieren, wenn beide Seiten zufrieden sind. Es bringt nichts, die Marge des Vertragspartners immer weiter drücken zu wollen", warnt Schein. Die Kunden sollten sich auf einen permanenten Balanceakt zwischen eigenen Ansprüchen und den Gewinnzielen der Anbieter einstellen. Um in diesem Spannungsfeld ein ausgewogenes Verhältnis zu pflegen, müssen sich vor allem die nach dem Betriebsübergang im Anwenderunternehmen verbliebenen Mitarbeiter umorientieren: Gefragt ist nun eine professionelle Serviceorganisation. "Die Erhebung hat gezeigt, dass zufriedene Outsourcing-Nehmer über ein sehr gutes Relationship-Management-Team verfügten, das zum Großteil von außen eingekauft wurde", berichtet Schein.

In jedem Fall benötigt ein Unternehmen mit ausgelagerten IT- und Betriebsdiensten Experten, die über ausgewiesenes IT- und Prozess-Know-how verfügen. Das können durchaus Mitarbeiter aus der ehemaligen IT-Abteilung sein. Heikler gestalten sich die Aufgaben der Relationship- beziehungsweise Service-Level-Manager, denn sie sollten ähnlich wie KeyAccount-Manager der Herstellerfirmen arbeiten. Sie müssen Kontakte pflegen, Informationen austauschen und Verhandlungen führen. Interne Kräfte sind hier selten erste Wahl. Schein berichtet von einem Unternehmen, das sehr gute Erfahrungen mit einer leitenden Mitarbeiterin gemacht hat, die aus einem Beschwerde-Call-Center eingestellt wurde. Sie brachte enorme Erfahrungen im Umgang mit Konfliktsituationen ein. Schließlich benötigen die Unternehmen Juristen zur Vertragsgestaltung und -entwicklung. Geschickte Anwender haben dazu in der Vergangenheit gezielt Rechtsexperten aus dem Lager der Outsourcing-Anbieter eingekauft. Ihnen obliegt unter anderem die Aufgabe, die Kontrakte so zu gestalten, dass ein guter und sauberer Ausstieg aus Outsourcing-Vereinbarungen möglich ist. Den Weg zurück, also das Insourcing, halten die Unternehmensberater von McKinsey für sehr problematisch. Aber die Leistungsbeziehungen im Outsourcing sollten unbedingt so gestaltet werden, dass ein Provider-Wechsel jederzeit möglich ist. (jha)

Die Studie

McKinsey befragte in Zusammenarbeit mit IBM Emea (Europe, Middle East, Africa) und der European Financial Management & Marketing Association die CIOs oder COOs von zehn mittelgroßen Banken mit einem verwalteten Vermögen (Assets under Management = AUM) zwischen 15 und 80 Milliarden Euro, neun großen Banken (AUM: 80 bis 300 Milliarden Euro) sowie zwölf Großbanken (AUM: über 300 Milliarden Euro) aus sieben europäischen Ländern. Weitere Experteninterviews (insgesamt gab es 70) fanden mit Industrieexperten und Anbietern statt. Die Erhebung wurde zwischen Januar und Mai 2002 betrieben, betrachtet wurden insgesamt elf Servicekategorien, und zwar sechs IT-Dienste (Desktop, Data Center, Netzwerk, Call-Center, Geldautomaten sowie Applikationen) und fünf Betriebsdienste (Drucken, Clearing, Kreditvergabe, Kredit- und Debit-Abwicklung, Kontoführung). Kombiniert repräsentieren sie etwa 30 bis 40 Prozent der Gesamtkosten einer durchschnittlichen Bank.

Unter den 31 untersuchten Banken hat nur eine den kompletten Betrieb ausgelagert, alle anderen haben mindestens eine Aufgabe externen Providern übertragen. 44 Prozent der Befragten gaben an, Kostendruck sei der einzige Hauptgrund für das Outsourcing. Andere Finanzdienstleister ließen weitere Gründe wie bessere Funktionalität, höhere Verfügbarkeit und den Gewinn an Flexibilität gelten. Aus den Experteninterviews haben die McKinsey-Berater unter anderem Outsourcing-Methoden sowie eine Matrix erarbeitet, die die Wertschöpfung und Machbarkeit verschiedener Outsourcing-Dienste aufzeigt. Die Auslagerung von Applikationen bietet beispielsweise gutes Sparpotenzial, ist aber schwer zu betreiben. Desktop-Dienste auszulagern fällt hingegen leicht, sparen lässt sich jedoch kaum etwas.

Abb: Sparen mit Outsourcing: 15 Prozent sind ein großes Wort

Ausgehend von 100 Prozent IT-Budget vor der Auslagerung und gewünschten Einsparungen von 15 Prozent muss der Provider IT-Leistungen zu 60 Prozent der ursprünglichen Kosten erbringen. Quelle: McKinsey