Trotz PC-Boom im Soho-Markt Multimedia haelt noch keinen Einzug in die Privathaushalte

10.11.1995

MUENCHEN (CW) - Wunsch und Wirklichkeit klaffen beim Thema Multimedia weit auseinander. Waehrend die Topmanager der Herstellerfirmen offenbar jeden Blick fuer die Realitaet verloren haben, belegen die Ergebnisse einer europaeischen Studie, dass die multimediale Revolution bislang noch nicht stattgefunden hat.

PC und Fernsehgeraet entwickeln sich auseinander und naehern sich nicht an, wie immer behauptet wird. Das ist eines der Ergebnisse der Studie "Multimedia in the Home: Europe 1995", die das Marktforschungsunternehmen Inteco aus dem englischen Woking vorlegte. Befragungen von rund 16300 Haushalten in Grossbritannien, Frankreich, Italien, Spanien und Deutschland lassen ausserdem den Schluss zu, dass die Multimedia-Revolution bei den Heimanwendern noch auf sich warten laesst.

"Es gibt zwischen TV und PC zu viele Unterschiede hinsichtlich Gebrauch, Formfaktor und Preis, als dass die Konsumenten ihr Fernsehgeraet gegen einen Rechner eintauschen wuerden", so Miles Thistlethwaite, Senior Vice-President bei Inteco.

Hinzu komme, dass das Pantoffelkino - auch im Kaufpreis - ziemlich standardisiert ist, waehrend der PC staendigen Aenderungen unterworfen sei. Tatsaechlich haetten neue Techniken und Produkte wie CD-ROM-Laufwerke oder Windows 95 mit dem groesseren Speicherbedarf die PC-Preise, nachdem sie zwei Jahre lang gesunken waren, wieder steigen lassen.

So sei es nicht verwunderlich, dass der von den PC-Herstellern verkuendete Boom im Soho-Markt nur ein Trend war, alte PCs auszutauschen oder Zweitgeraete anzuschaffen, neue Kundschaft sei kaum gewonnen worden. Von den im vergangenen Jahr in England gekauften Heim-PCs haben 30 Prozent Amiga- oder Atari-Rechner ersetzt und zehn Prozent alte IBM- oder Apple-Maschinen. Zwar sei immerhin europaweit jeder dritte Privat-PC mit einem CD-ROM- Laufwerk ausgestattet, aber zwei von drei Haushalten ohne PC haben von dieser Moeglichkeit noch nicht einmal gehoert.

Nur als Nischenprodukte werde sich Multimedia-Equipment in den Wohnungen etablieren koennen, etwa wenn der PC als zweiter Fernseher diene oder der Kaeufer sich aus Platzmangel fuer ein Kombigeraet entscheide. Das damit verbundene Geschaeft mache jedoch nur rund 23 Prozent des PC-Marktes in Grossbritannien aus. Auch Low-level-PCs, die nicht fuer Arbeits- oder Studienzwecke benutzt werden, gibt Thistlethwaite keine grosse Verbreitungschance: "Wer zahlt schon einen Haufen Geld fuer einen PC, den er kaum nutzt." Etwas positiver beurteilt er kostenguenstige Spezial-PCs wie den von Oracle angekuendigten "Network"-Computer, der Zugang zu Online- Diensten ermoeglichen soll.