Thema der Woche/ Probleme gibt es vor allem bei Migrationsprojekten

Trotz hoher DV-Ansprueche sollen Anwender sparen

08.01.1993

Beim Preiskampf im PC-Bereich ist der Anwender der lachende Dritte", freut sich Juergen Rotter, DV-Leiter bei der Victoria Kapitalanlagegesellschaft. Die No-name-Hersteller lockten mit staendig reduzierten Preisen und konnten damit beachtliche Marktanteile erringen. Als der Billig-Cloner Vobis mit seiner aggressiven Preisstrategie 1991 in Deutschland Marktfuehrer wurde, mussten selbst die Markenhersteller umdenken.

Als Folge davon begannen die bisher von Verkaufszahlen verwoehnten Anbieter, wie IBM oder Compaq, in regelmaessigen Abstaenden die Preise nach unten zu korrigieren - fuer die Anwender natuerlich ein hoechst erfreulicher Umstand. Den Billiganbietern kam dabei zugute, dass sich die ehemals herstellertreuen Kaeufer mehr an der Leistung als am Label orientierten. "No-names koennen besser und billiger sein. Warum soll ich dann Markenrechner kaufen?", fragt sich sicher nicht nur Rotter.

Viele Anwender erhoffen sich auch anderweitig Preisreduzierungen. "Ich nehme an, dass es auch bei der Software zu Verbilligungen kommt, wenn auch nicht so krass wie bei der Hardware. Grund dafuer ist auch hier der verstaerkte Wettbewerb", freut sich Frank Ehrhardt, DV-Leiter der Suedfleisch GmbH. Im heissumkaempften PC- Markt ist diese Tendenz jetzt schon zu beobachten. Die Softwarehersteller wollen vor allem mit stark verbilligten und zeitlich beschraenkten Einfuehrungspreisen zum Kauf locken.

"Die Softwarekosten werden sehr stark durch die Gehaelter beeinflusst", erklaert Willi Wittstadt, Org./DV-Leiter der Hengstenberg GmbH. Da sich diese seiner Einschaetzung nach auf ein "normales Niveau" einpendeln werden, rechnet auch er mit Preissenkungen im Softwarebereich.

Das Thema Softwarepreise beziehungsweise -lizenzierung hat in letzter Zeit die Gemueter der Anwender erregt. Sie beklagen sich ueber den hohen Verwaltungsaufwand, der besonders bei Firmenaufkaeufen oder verschiedenen Standorten anfalle. Auch die gaengige Lizenzierungspraxis nach CPU-Groesse stoesst immer mehr auf Kritik. Deshalb gehen bereits einige Software-Anbieter dazu ueber, unternehmensweite Lizenzen anzubieten. In den Genuss dieser indirekten Rabatte kommen in der Regel aber nur grosse Konzerne.

Die grossen Preisunterschiede in den einzelnen Laendern sorgen zusaetzlich fuer Gespraechsstoff. So zahlt der deutsche Anwender fuer PC-Software 60 Prozent, der franzoesische 80 Prozent mehr fuer das gleiche Programm als der amerikanische Kollege. "Ich habe noch nie verstanden, dass dasselbe Produkt in Deutschland wesentlich teurer ist als in den USA. Es ist schwer vorstellbar, dass die Uebersetzungen so teuer sind", aeussert Rotter sein Unverstaendnis. Niedrigere Preise muessten fuer die Software-Industrie nicht zwangslaeufig ein Nachteil sein, da dies den legalen Erwerb foerdern und den Softwareklau eindaemmen wuerde. "Wenn eine Textverarbeitung 500 Mark statt wie bisher 1600 Mark kostet, waere sie auch fuer den Otto-Normalverbraucher erschwinglich", erklaert der DV-Leiter weiter.

Die wirtschaftlichen Eckdaten in Deutschland geben wenig Anlass zu Optimismus. Sparmassnahmen in allen Unternehmensbereichen sind die Folge, und auch die DV-Abteilungen kommen nicht ungeschoren davon. Damit befinden sich die Verantwortlichen in einer kniffligen Lage, da sie dem Unternehmen mit gleichbleibendem Budget eine immer effizientere Datenverarbeitung zur Verfuegung stellen sollen. Woran aber soll der IT-Manager sparen? "Durch das Ausnutzen der Fluktuation soll es im Personalbereich zu finanziellen Entlastungen kommen. Zudem haben wir begonnen, externe Vertraege entweder nicht mehr zu verlaengern oder zu stornieren", berichtet Ehrhardt.

Speziell die hohen Beraterhonorare sind den DV-Abteilungen ein Dorn im Auge. "Das sind Millionenbetraege, die sich relativ schmerzfrei einsparen lassen", meint der DV-Leiter einer Frankfurter Versicherung, der seinen Namen nicht genannt haben will. Aber auch eine sorgfaeltige Produktauswahl und intensive Preisvergleiche schonen das Budget. "Auf diese Weise zahlten wir fuer unser PC-Netz 40 Prozent weniger als veranschlagt, ohne Abstriche an der Qualitaet machen zu muessen", erzaehlt Rotter. Einige gehen auch dazu ueber, Investitionen zu verschieben. "Ob das neue System nun ein halbes Jahr frueher oder spaeter gekauft wird, ist nicht so entscheidend", meint dazu der DV-Leiter von Suedfleisch.

Doch nicht immer lassen sich die Investitionen auf die lange Bank schieben. "Es hat keinen Sinn, zehn Programmierer herumsitzen zu lassen, nur weil die Antwortzeiten des Rechners so lange sind", argumentiert Wittstadt. Ganz ohne Einsparungen geht es aber auch bei Hengstenberg nicht. "Beim Modellwechsel muessen wir sehr zum Leidwesen der Hersteller nicht immer zu den ersten gehoeren. Wir werden in Zukunft mindestens jedes zweite Modell ueberspringen."

Sein Kollege Hans Peter Nikkenig, DV-Leiter bei der B. Rawe GmbH, sieht kaum Moeglichkeiten, das Budget noch mehr zu schonen. Das Rechenzentrum ist rund um die Uhr sieben Tage pro Woche in Betrieb und wird von zwei Mitarbeitern betreut. "Mehr koennen wir nicht machen", kommentiert Nickenig. Anders sehe es im Hardwarebereich aus. Durch die neuen Rechner haetten sie bei der dreifachen Kapazitaet 40 Prozent der Kosten einsparen koennen. Chancen fuer Einsparungen sieht er auch bei der Software. "Als Mittelstaendler kann ich keine Millionenbetraege fuer die Software ausgeben. In der Vergangenheit waren kleinere Betriebe schon mit der Basissoftware von SAP finanziell ueberfordert. Ich erwarte, dass

R/3 auch fuer den Mittelstand in Frage kommt", meint Nickenig.

Bei langfristigen Softwarestrategien stehen allerdings in erster Linie Sicherheit und nicht finanzielle Mittel im Vordergrund. "Bei grundlegenden Entscheidungen, beispielsweise fuer eine relationalen Datenbank, stehen strategische, nicht so sehr finanzielle Ueberlegungen im Vordergrund. Ich muss sicher sein, dass der Hersteller auch die naechsten Jahre ueberlebt und die Wartung garantieren kann", erlaeutert Rotter.

Auch fuer Anwender ist der Jahreswechsel ein beliebter Anlass, Resuemee zu ziehen und sich gleichzeitig mit den Anforderungen des naechsten Jahres zu beschaeftigen. Die COMPUTERWOCHE fragte nach den ungeloesten und geloesten Problemen, Loesungsansaetzen und Zielen. Schwierigkeiten bereitet vor allem die Umsetzung von geplanten Migrationsprojekten.

"Es fehlt an Integrations- und Migrationskonzepten der Hersteller. Bei der Vorstellung ihrer neuen Produkte vergessen sie, dass die Anwender nicht auf der gruenen Wiese anfangen. Eine Anwendungsumgebung, die aus ueber 500 000 Statements besteht, kann ich doch nicht alle fuenf Jahre wegwerfen", macht Wittstadt seiner Veraergerung Luft. In den Werbeprospekten stehe zwar immer, alles sei portabel und kompatibel, in der Praxis habe er aber andere Erfahrungen gemacht.

Bei der Umstellung auf andere DV-Architekturen stehen offene Systeme und damit die Unabhaengigkeit von Hardwareherstellern im Vordergrund des Anwenderinteresses. "Oberstes Ziel bei uns ist Herstellerunabhaengigkeit. Deshalb sind wir dabei, auf Unix- Workstations umzustellen", erklaert Rotter. Dasselbe Ziel verfolgt auch die Suedfleisch GmbH, die auf eine Client-Server-Architektur mit verteilten Datenbanken setzt.

Als Server sollen Mehrprozessor-Systeme oder PCs unter Unix zum Einsatz kommen. Einen Zentralrechner, angestrebt wird ein Mehrprozessor-Host unter Unix, wird in erster Linie Auswertungsfunktionen uebernehmen.

Die Umstellung der Systemarchitektur nimmt in den meisten Faellen viel Zeit in Anspruch. "Wenn ich jetzt 3000 Programme installiert habe, die das ganze Unternehmen in allen Abteilungen betreffen, dann kann ich nicht zum Zeitpunkt X alles gleichzeitig umstellen", erklaert Nickenig. Durch das Konvertieren der Programme entstuenden in jeder Abteilung Fehlerquellen. Zudem muesste die DV-Mannschaft geschult und mit Unix konfrontiert werden. Die Konsequenz: "Die Umstellung dauert Jahre."

Lange Zeit nahmen die Anwender die Herstellerpolitik relativ klaglos hin. Inzwischen mehrt sich aber die Kritik vor allem im Zusammenhang mit den zahlreichen, kurz aufeinanderfolgenden Produktankuendigungen. "Es sind nur Schlagworte, die auf den Markt kommen, aber der gesamte Aufwand wird nicht weniger. Hinzu kommt, dass von der Ankuendigung bis zur eigentlichen Auslieferung grosse Zeitspannen liegen", kritisiert Wittstadt. Zwar gebe es Programme, die nuetzlich seien, aber dann scheitere es an der Integration mit anderen Softwareprodukten.

Von den Arbeitserleichterungen, die die Neuerungen laut Hersteller angeblich mit sich bringen sollen, spuert der DV-Leiter von Hengstenberg wenig: "Es existieren die gleichen Probleme wie seit Jahren. Zuerst gab es hierarchische Datenbanken, dann relationale, jetzt objektorientierte. Ich weiss gar nicht mehr, wie ich meiner Geschaeftfuehrung gegenueber argumentieren soll." Er muesse sich mit seiner grundsaetzlichen Strategie fuer mindestens zehn Jahre festlegen.

Vorgehensweisen im Hinblick auf eine langfristige Perspektive fordert auch Nickenig. Hierzu seien auch die Strategiediskussionen ueber Tendenzen wie Downsizing und Outsourcing nuetzlich.

Nur die reale Umsetzung sieht er noch nicht gegeben: "Die Auseinandersetzung wird als Bekennerdiskussion gefuehrt und nicht mit wirtschaftlichen Fakten. Es reicht nicht, dass ein Informatikpapst uns erzaehlt, was das A und O ist. Die neuen DV- Ansaetze muessen in die Industrielandschaft passen und auch umgesetzt werden."

Hiltrud Puf