Der PC wird demnächst genauso zur Ladeneinrichtung gehören wie die Tiefkühltruhe:

Trends für den Rechnereinsatz im Handel

22.05.1987

Der Personalcomputer wird demnächst genauso zur Ladeneinrichtung gehören wie die Tiefkühltruhe - eine Anwenderaussage, die darauf hinweist, daß Computer im Einzelhandel zukünftig betriebswirtschaftlich sinnvoll eingesetzt werden können. Verschiedene Trends der Computertechnik wie auch des Einzelhandels beeinflussen dabei den Rechnereinsatz im Handel.

Elementare Bausteine der "EDV Landschaft" im Handel sind:

- Arbeitsplätze, die mit Kassen, Bildschirmen, Druckern, etc. ausgestattet sind,

- Server auf der Filialebene, die diese Arbeitsplätze mit Logik, Speichern und zusätzlichen peripheren Geräten sowie Kommunikationsleistungen unterstützen

- Gateways für die Verbindung zum Hostrechner beziehungsweise zur Außenwelt,

- zentrale EDV-Stationen mit leistungsfähigen Superminis und Großrechnern.

Basisausstattung

Systeme für Warenwirtschaft, Zeiterfassung und Energie-Management sowie Lern- und Lehrsysteme gehören zur "Basisausstattung" für den Rechnereinsatz im Einzelhandel. Neben spezifischen, meist auf den einzelnen Arbeitsplatz bezogenen Anforderungen und der sich daraus ergebenden Bereitstellung von Hard- und Software-Komponenten muß eine effiziente EDV-Konfiguration zur Bewältigung der an sie herangetragenen Aufgaben hardware-seitig generell folgende Kriterien erfüllen:

- Die Hardware muß in der Lage sein, die anfallenden Datenmengen sowohl in Hinblick auf die Speicherung der Informationen als auch auf den Durchsatz rationell und effizient zu bewältigen.

- Das System muß so ausgelegt sein, daß die betrieblich notwendige Anzahl parallel einzusetzender Bildschirm-Arbeitsplätze und Drucker unter der Gewährleistung ausreichend schneller Antwortzeiten unterstützt werden kann.

- Die Hardware soll nach Möglichkeit stufenlos modular ausbaufähig sein, um wachsende Mengengerüste und Anwendungen abdecken zu können, ohne dafür Kapazität von Anfang an bereitstellen zu müssen.

- Die Gesamtheit der Konfiguration muß einen optimalen Ausfallschutz garantieren, also auch gegen Störungen einzelner Komponenten unempfindlich sein. Unter optimal ist das Abwägen von Mehrkosten und Mehrnutzen durch die höhere Verfügbarkeit der Geräte zu verstehen. Nicht jede technische Möglichkeit ist auch kaufmännisch zu rechtfertigen.

Die Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten für Personalcomputer im Einzelhandel wird deutlich, wenn man sich die heutigen Angebote der Industrie an Systemen für

- Kassen

- Warenwirtschaft

- mobile Datenerfassung

- Waagen

- Plakatdruck

- Zeiterfassung und -abrechnung

- Energie-Management

- Kommunikation über Bildschirmtext (Btx)

vor Augen führt. Die hiermit verbundenen Anforderungen weisen den Weg zum Rechnereinsatz im Handel.

In den letzten Monaten sind in Ergänzung zu den Scanner-Verbundsystemen zunehmend auch elektronische Registrierkassen (ECR = Electronic Cash Register) verbundfähig geworden. Sie verfügen über Anschlüsse für Personalcomputer.

Die mit dem Kassenwesen verbundenen Probleme sind in allen Einzelhandelsgeschäften mit mehreren Kassenplätzen gleichgelagert: Pflege der PLU-Daten für alle Kassen, Kassiererabrechnung und Konsolidierung der Berichte möglichst nur an einer einzigen Stelle des Unternehmens gehören hier zu den wichtigsten Anforderungen. Auch die Personalqualifikation und damit die Bedienung der Kassen wirft überall so

ziemlich die gleichen Fragen auf. Im Zuge der Ergonomie-Diskussion sind viele Anbieter dazu übergegangen, die Ausgabe auf schmalen Kassenbons durch großflächige Bildschirm-Displays und Druckerausgaben (80 Stellen) zu ergänzen oder zu ersetzen, um so den Bediener wirksam zu unterstützen. HILFE-Funktionen ersetzen zu einem großen Teil bereits die bisher erforderlichen Bedienerhandbücher. Daten, die von den ECRs erfaßt und lokal gespeichert werden, sind übrigens für die Weitergabe an ein Teilwarenwirtschaftssystem gut geeignet.

Mobile Datenerfassung (MDE)

In den letzten Jahren haben sich mobile Datenerfassungsgeräte stark durchgesetzt. Problemlose Bedienung und niedrige Investitionskosten gingen Hand in Hand und haben die Kommunikation mit Großhandel und Lieferanten wesentlich verbessert. Allerdings mußte in der Regel eine spezielle Datenübertragung über Akustikkoppler verwendet werden, und ein Protokoll der erfaßten Daten war am Entstehungsort meistens nicht vorhanden.

Hierin sehen viele Unternehmen und Filialleiter eine entscheidende Schwäche. Sie würden es vorziehen, wenn sie aussagekräftige Kontroll-Listen vor Weitergabe der Daten an den Partner haben könnten.

Das in der zweiten Hardware-Generation mögliche Laden der MDE-Geräte mit Stammdaten oder ähnlichen Informationen setzt eine bedienerfreundliche Verbindung zu lokalen Computern voraus. Spätestens mit der Diskussion anderer als der über MDE schon abgedeckten Kommunikationsbedürfnisse beginnt deshalb die Integration der MDE selbst in den Personalcomputer.

Waagen

Noch auffälliger ist die rasante Entwicklung des Geschäfts mit intelligenten Waagen und Waagenverbundsystemen. Der Zusammenschluß mehrerer Geräte verlangt einen Konzentrator, über den der Datenaustausch, die PLU-Pflege und das Berichtswesen für alle Waagen gesteuert werden können. Die Waage eignet sich ebenso wie die Kasse allerdings nur begrenzt als Eingabestation für unterschiedliche Vorgangsarten, so daß die Waagenhersteller heute weitgehend zusätzliche Tastaturen, Displays und Drucker anbieten, um Bedienerfreundlichkeit und Auswertung der Daten unterstützen , zu können.

Der Einsatz computergestützter Waagensysteme hat in den letzten Jahren in vielen Sparten stark zugenommen. Sie ermöglichen es, die gewonnenen Daten leicht lesbar zu machen und vor allem auch warenwirtschaftlich auszuwerten.

Plakatdruck

Ob auch der Plakatdruck von Personalcomputern unterstützt werden sollte, hängt letztlich von dem zu bearbeitenden Volumen ab. Zudem besteht in Unternehmen mit zentralisierten Dekorationsabteilungen und -kompetenzen mehr und mehr der Wunsch nach einer Vereinheitlichung der Schriftbilder und des Layouts für alle gewünschten Formate. Gleichzeitig möchte man aber auch von der "Tagesform" des Graphikers unabhängig sein.

Der Plakatdruck am PC bietet viele Vorteile. Die Entwurfsphase wird zum Beispiel dadurch vereinfacht, daß man am Bildschirm zunächst im richtigen Größenverhältnis sehen kann, wie das Plakat in seiner textlichen Anordnung später wohl aussehen wird. Korrekturen können erfolgen, bevor das erste Plakat gedruckt wird.

Sofern das Plakat zentral für mehrere Häuser vorbereitet wird, entfällt die Entwurfsphase für die Filialen komplett. In der Zentrale werden entweder die Plakete in den entsprechenden Mengen gedruckt und bereits mit Filialnummern für den Versand vorbereitet oder es werden Disketten mit den Entwürfen verschickt und "im Stapel" in den Filialen gedruckt. Der Plakatdruck verlangt wegen der erforderlichen Druckqualität und der notwendigen Geschwindigkeit hochwertige und leistungsfähige Drucker. Die Einführung der 38,5-Stunden-Woche und der hohe Grad an Teilzeitbeschäftigung machen gerade im Personalwesen Planung und Abrechnung immer aufwendiger. Während in der Industrie Zeitmodelle jeweils für eine Schicht entwickelt werden können, benötigen Einzelhandelsunternehmen fast für jeden einzelnen Mitarbeiter eine eigene Kombination aus Tages- und Wochenmodellen, da nicht selten auch die freien Tage innerhalb der Woche im Monatsrhythmus wechseln.

Der manuelle Abgleich von Kundenfrequenzen und Mitarbeiteranwesenheit, die Fortschreibung der Zeitsalden, die monatliche Weiterleitung der Daten an die Gehaltsabrechnung und die Zuordnung aller anfallenden Personalkosten auf die verschiedenen Kostenträger und/ oder Kostenstellen für die Mitarbeiterplanung ist entsprechend aufwendig,

Alles deutet darauf hin, daß sich der Rationalisierungsdruck an dieser Stelle noch verstärken wird, weshalb das Angebot an elektronischen Zeiterfassungssystemen auf großes Interesse stößt.

Energiekosten

Energiekosten sind oft nur deshalb so hoch, weil ein ungünstiger Tarif zum Ansatz kommt oder weil "Energiefresser" unerkannt im Haus eingesetzt werden. Zu diesem Komplex gibt es Software für das Nachvollziehen der Tarifabrechnungen. Ziel ist es, Tarifoptimierungen etwa dadurch zu erreichen, daß bestimmte Energiespitzen während des Tages vermieden werden. Mit Meßfühlern lassen sich zudem Verbraucher lokalisieren, die einen überhöhten Stromverbrauch durch zu lange Einschaltzeiten haben. Auch hier dient ein Computer als Konzentrator für die Meßinstrumente. Bildschirm und Drucker sind für die Ein- und Ausgabe vorgesehen.

Bildschirmtext

Gegenwärtig verstärkt sich der Trend am deutschen Markt, Btx im gewerblichen Bereich unterstützend für die Kommunikation mit den

Marktpartnern und der Konzernzentrale einzusetzen. Für den Handel, der mit Btx zum Beispiel Bestellungen plazieren, Berichte abliefern oder Betriebsvergleiche abfordern will, reicht ein einfaches Btx-Gerät nicht aus. Vielmehr empfiehlt sich hier der Einsatz eines leistungsfähigen standardkompatiblen Personalcomputers, der neben zahlreichen Rechner- und Verwaltungs-Funktionen den Zusatznutzen Btx bietet.

Eine effiziente Btx-Kommunikation setzt allerdings verschiedene Leistungsmerkmale voraus, über die nicht alle Systeme, die heute am Markt angeboten werden, verfügen. So muß die Vor- und Nachbereitung der Daten offline erfolgen können wie auch die Übertragung der Daten möglichst bedienerlos mit automatischem Verbindungsaufbau verlaufen soll. Der Offline-Einsatz eines Btx-Systems ist auch für die Personalschulung und Verbraucherinformation interessant, weil Erläuterungen zum Sortiment einfach aktualisiert und durch Videoplatten und andere Bildträger optisch unterstützt werden können.

Multifunktionale Geräte

All diese Punkte weisen darauf hin, daß der Personalcomputer "multifunktionalen Informationsknotenpunkt" des Unternehmens wird, der verschiedene Systeme mit zentralen Stellen und/oder Dritten verbindet. Die meisten Anbieter des PC-Marktes haben sich erfreulicherweise inzwischen auf einen Industrie-Standard eingestellt: Systeme und ihre peripheren Komponenten sind kompatibel zueinander. Für den Einzelhandel bedeutet dies, daß die vielfältigen Anforderungen, wenn das Mengengerüst sowie die Anzahl der erforderlichen Arbeitsplätze es zulassen, in der Regel durch nur eine Investition in PC-Hardware abgedeckt werden können.

Je mehr Angaben vom Rechner unterstützt werden und je umfangreicher die zu verarbeitenden Datenmengen dadurch werden, desto "größer" muß auch die Konfiguration des Gesamtsystems ausgelegt werden. Dabei werden mit der "Größe" des Systems natürlich nicht dessen Abmessungen angesprochen. Mehrplatz-Computer werden hier ebenso erforderlich wie eine stufenlose Erweiterung der Rechnerleistung und der Peripherie. Je stärker Computer die betriebliche Infrastruktur durchdringen, desto bedeutsamer wird auch ihre Ausfallsicherheit. Ein weiteres Kriterium ist, daß Anwender trotz dieser Zwänge in der Investitionspolitik möglichst flexibel bleiben wollen, also Kompatibilität zum Industriestandard wünschen. Nur so kann ihre Software gegebenenfalls auf anderen Rechnertypen laufen oder die Hardware mit Standard-Baugruppen erweitert werden.

Ausblick

Es deutet vieles darauf hin, daß sich bei Großbetrieben des Einzelhandels eine bestimmte System-Architektur mittel- bis langfristig durchsetzen wird. Dem bisherigen Host-Rechner für die traditionellen Aufgaben im Rahmen der Massendatenverarbeitung dürfte dann mindestens ein weiteres System zugeordnet werden, um die zeitkritischsten Aufgaben ausfallsicher durchzuführen. Über ein industriekompatibles Netz auf SNA-Basis werden die verschiedenen Rechner untereinander und mit den Filialen korrespondieren. In den Fällen dürften verschiedene Subsysteme wie Kassen, Zeiterfassungssysteme oder Waagen vorhanden sein, die über einen Rechner - häufig einen Personalcomputer oder bei größeren Anwendungen einen Mehrplatzrechner - konsolidiert werden.

Personalcomputer, Mehrplatzsysteme auf Unix-Basis und fehlertolerante Rechner haben neue Anwendungen möglich und finanzierbar gemacht. Vom Handel werden sie aus betriebswirtschaftlichen und Wettbewerbsgründen von einer heranwachsenden neuen Führungsgeneration zunehmend nachgefragt.

Hans Bertram, NCR GmbH, Augsburg