IBM propagiert Server-Konsolidierung

Trend zur Rezentralisierung oder Marketing-Gag?

13.03.1998

Das Hauptargument des IBM-Lösungsteams um Michael Woydich lautet: Es zeigt sich inzwischen, daß die Ende der 80er Jahre massiv propagierte Dezentralisierung aus Sicht der Anwender erheblich problematischer ist als ursprünglich erwartet. Vor allem die Supportkosten in verteilten Umgebungen laufen aus dem Ruder.

Durch die Verlagerung von Kompetenzen in Fachabteilungen sind die Kosten, die ein Unterneh- men tatsächlich in die Informationstechnologie investiert, immer undurchschaubarer geworden. Auch Kostenmodelle, wie sie etwa die Gartner Group mit ihren Total Cost of Ownership (TCO) etabliert hat, können laut Woydich bestenfalls einen Trend aufzeigen: "Jede generelle Antwort zum Thema Total Cost of Computing kann eigentlich nur falsch sein. Zuviel liegt im Einzelfall, in der installierten Infrastruktur, im Anwendungs- und Anforderungsprofil, in der Aufgabenstellung des Unternehmens verborgen."

Die vielbeschworene Konsolidierung soll Abhilfe schaffen. Allerdings läßt sie sich oft nur gegen massive Proteste derer durchsetzen, die einst von der Dezentralisierung profitierten. Hans-Jürgen Rehm, für die S/390 zuständiger Öffentlichkeitsarbeiter, befürchtet: "Bei der Server-Konsolidierung stoßen Sie auf enorme Widerstände in Fachabteilungen. Die Leute wollen sich die Dinge nicht gern aus der Hand nehmen lassen. Es ist oft ein echtes Politikum, diese Entscheidung zu treffen." Darüber hinaus gestaltet sich bereits die Definition des Begriffs kompliziert. "Konsolidierung ist kein Einzelphänomen. Sie ist weitreichend und betrifft alle Plattformen", erläutert Brian Jeffrey, Managing Director beim Marktforschungsinstitut International Technology Group im kalifornischen Mountain View.

So reicht denn auch das Spektrum möglicher Auslegungen von der gemeinsamen Unterbringung verschiedener PC-Server in einem DV-Raum bis hin zur kompletten Umstellung der IT-Struktur mit Re-Engineering von Applikation und Datenbanken für den Betrieb mit einem Großrechner und angeschlossenen Thin Clients. Die IBM unterscheidet zwischen räumlicher, logischer, physikalischer und kombinierter Konsolidierung (siehe Kasten).

Dieter Wendt, S/390-Chef bei der IBM Deutschland, verdeutlicht die Problematik am Beispiel des eigenen Unternehmens: "Die IBM setzt selbst derzeit noch rund 6000 Web-Server ein. Auch wir sind zu dem Ergebnis gekommen, daß das nicht sehr produktiv ist. Eine Konsolidierung bringt uns bei Kosten und Management-Aufwand in jedem Fall erhebliche Reduzierung."

Nicht Konsolidierung um der Technologie willen, sondern geringere Kosten und Komplexität sind laut Wendt gefordert. Treibendes Element solle jeweils die IT-Umgebung des Anwenders und dessen Anforderungsprofil sein: "Wir wollen nicht wieder ein Monopol mit dem Nutzen allein für uns. Die Frage des Kunden soll lauten: Welcher Hersteller löst meine Business-Probleme am besten und am kostengünstigsten?" Dabei befürchtet der /390-Manager keineswegs, daß die IBM leer ausgeht: "Wenn wir nicht nur unseren eigenen Gewinn steigern wollen, sondern bei der technischen Entwicklung vorne mit dabei sind - etwa mit Network Computern - und die Business-Probleme unserer Kunden am besten lösen, dann werden wir immer auch Geld verdienen."

Server-Konsolidierung gebe es schließlich auch bei der Konkurrenz. Pressemann Rehm erläutert: "Das ist beileibe kein IBM-Thema, sondern ein Thema im gesamten Markt. Ein Indiz dafür sind zum Beispiel die Unix-Mainframes bei HP oder Sun."

Einen allgemeinen Leitfaden, wie Server-Konsolidierung vonstatten gehen kann, liefert Woydich: "Durch die 2- und 3-Tier-Architektur neuer Anwendungen entstehen bei großen Anwendern Server-Farmen und große, verteilte Netze." Deshalb müsse ein Unternehmen, das solche Anwendungen sinnvoll betreiben wolle, zunächst eine System-, Daten- und Verfügbarkeits-Management-Lösung installieren, mit der man die Vielfalt und Heterogenität steuern könne. In einem zweiten Schritt müsse dann geprüft werden, ob man die Services, die in den verschiedenen Ebenen der Anwendung benötigt werden, effektiv auf nur einer Plattform bereitstellen könne. Die Frage nach der richtigen Plattform sei dabei eher sekundär und entwickle sich oft über die Lebensdauer einer Anwendung durch Skalierung.

Dennoch ist die IBM verständlicherweise der Meinung, daß ein /390-System inzwischen oft die beste, weil kostengünstigste Alternative ist. Das war nicht immer so.

Nachdem das Mainframe-Betriebssystem MVS respektive OS/390 jahrelang antiquiert erschien, hat Big Blue die Hausaufgaben gemacht und offeriert nun eine zeitgemäße Version. Damit beherrscht die /390 nun Lotus Domino, Novell Directory Services sowie Unix-File- und -Print-Services genauso wie Verschlüsselung oder E-Commerce.

Hinzu kommen die aus der 35jährigen Geschichte des Systems gewachsenen Eigenschaften, die den Großrechner nach Meinung des Herstellers von allen anderen Plattformen abheben. Wendt erläutert: "Die Mainframe-Welt schafft Verfügbarkeit, Sicherheit, TCO-Vorteile und Skalierbarkeit, die der Mitbewerb nicht bieten kann. Mit Parallel Sysplex erreichen wir Data-Sharing und eine Verfügbarkeit von 99,999 Prozent."

"Verfügbarkeit wird durch E-Commerce und Globalisierung immer wichtiger für Unternehmen", meint auch Woydich, "Zentrales Unterscheidungsmerkmal der /390 gegenüber dem Rest der Welt ist aber der Workload Manager. Er stellt die Basis dar, die den Mainframe attraktiv macht. Ansonsten ist es die Gesamtumgebung, die durchorganisiert und durchrationalisiert ist - etwa bei der Datensicherung - und damit den Betrieb effizient macht.

Was denn?

-Große Groupware-Installationen-Business Intelligence (=Data-Warehousing, Data-Mining, Entscheidungsunterstützung).-Standardsoftware, Enterprise-Resource-Planning-(ERP-)Anwendungen (R/3, Oracle, Baan, Peoplesoft usw.)

Definitionen

1. Räumliche Konsolidierung-Server an einem Ort zusammenziehen

2. Logische Konsolidierung-Gemeinsames Management verteilter Server-Nutzung verteilter Tools für System- und Netzwerk-Management

3. Physikalische Konsolidierung-Verringerung der absoluten Server-Zahl-Systeme durch größere gleicher Art ersetzen

4. Kombinierte Konsolidierung-Datenbanken/Anwendungen re-engineeren-Multi-Plattform-Umgebung vereinfachen