IT-Berater und -Beratung/Erfolgreiche IT-Strategien erfordern Consulting aus einer Hand

Trend zum Generalunternehmer

22.06.2001
"All inclusive" umschreibt nicht nur in der Reisebranche einen Trend. Gerade den Weg ins digitale Business beschreiten viele Unternehmen nach diesem Motto. Doch Vorsicht ist geboten: Wie so mancher Pauschalurlauber eine böse Überraschung erlebt und mehr bezahlen muss als gedacht, so kann es auch der E-Business-Strategie eines Unternehmens ergehen. Von Jürgen Dreckmann und Manfred Siegl*

All-Inclusive-Anbieter tauchen urplötzlich auf und zaubern aus ihrem E-Gemischtwarenladen alles, was das Herz höher schlagen lässt: Business Consulting, Marketing Communication, Creative Services und Systemintegration.

Schließlich soll der Weg ins digitale Busines schnell, zeitgemäß und professionell sein. Da klingt das Angebot der selbst ernannten Alleskönner sehr verlockend. Dienstleister der New Economy haben das schnell erkannt und werben heute verstärkt damit, alles aus einer Hand anzubieten.

Doch wer professionell Websites gestaltet, muss nicht unbedingt Ahnung von den technischen Tiefen einer E-Business-Plattform besitzen. Was passiert, wenn IT-Leute als Experten für Business Consulting auftreten oder Web-Designer "nebenbei" auch noch E-Shops implementieren und Geschäftsprozesse mit modernster Internet-Technologie optimieren wollen, lässt sich in leuchtenden Farben ausmalen.

Der Kunde zahlt immer (drauf)Sicher ist dabei auf jeden Fall eines: Am Ende zahlt immer der Kunde die Zeche. Denn Nachbessern oder im schlimmsten Fall nochmals von vorn beginnen ist nicht nur nervenaufreibend, sondern obendrein teuer. Und vor allen Dingen geht dadurch wertvolle Zeit verloren. Im Internet-Business ticken die Uhren ja bekanntlich anders, und aus diesem Grund kann ein Unternehmen auf keinen Fall mit "Try und Error" erfolgreich ins E-Business starten. In der heutigen Marktsituation sollte man es daher lieber erst gar nicht auf einen Versuch ankommen lassen. Es sei denn, man hat etwas zu verschenken. Das Fazit muss also lauten: Vorsicht vor Anbietern mit "Rundum-sorglos-Paketen". Kein Unternehmen kann "E-Spezialist" in jeglicher Hinsicht sein.

Auf welches Pferd soll der Kunde dann setzen, wenn er ein IT-Projekt wie beispielsweise den Aufbau eines E-Shops oder eines Business-Portals in Angriff nehmen will? Die Praxis zeigt: Erfolg ist nur dann garantiert, wenn jede einzelne Aufgabe im Verbund der Spezialisten erledigt wird. Es kommt darauf an, dass in jedem Bereich - Business Consulting, Marketing Communication, Creative Services und IT-Integration - wirkliche Profis zusammenarbeiten. Denn die Ansprüche der Kunden sind zu Recht hoch: Größtmögliche Ästhetik und Innovationskraft in puncto Web-Design, effiziente Abwicklung aller Geschäftsprozesse über das Internet für gezielte Marketing- und Sales-Aktivitäten sowie optimale interne Organisation und Kommunikation. Der Kunde sucht auf jedem Gebiet professionelle und kompetente Beratung. Fehlt nur in einem Bereich die Erfahrung oder das technische Know-how, werden Lösungsstrategien praxisfern und dilettantisch.

Ein entscheidender Punkt, der bei E-Business-Strategien oft vergessen wird: Websites werden gerade technisch immer anspruchsvoller, hochinteraktiv und transaktionsorientiert. Lassen sie sich nicht funktionsfähig und sicher in andere Netze, Plattformen und Systeme wie Kundendatenbanken oder ERP integrieren, erfüllen sie nicht ihren Zweck. Neue IT-Lösungen erfolgreich in die bestehende Systemlandschaft einzubinden und die unterschiedlichen Tools und Softwaresysteme in eine einheitliche Anwendungsarchitektur zu überführen, wird so zur Nagelprobe in der Realisierung des gesamten E-Business.

Angst um den technologischen AnschlussSeitdem das Web die treibende Kraft für die Geschäftsentwicklung geworden ist, will kein Unternehmen diesen technologischen Anschluss verpassen. Doch inzwischen prüfen die Firmen sehr genau die Voraussetzungen für erfolgreiche Innovationen, bevor sie sechs- oder siebenstellige Summen investieren. Was Unternehmen für umfassende und komplexe IT-Projekte unbedingt brauchen, ist jemand, der den Überblick behält und sich um alles kümmert. Spezialisten, die Teilaufgaben abdecken, aber nicht das Ganze sehen, müssen zusammengeführt werden, damit das Kundenunternehmen eine Lösung aus einem Guss bekommt.

Natürlich kann kein Consulting-Unternehmen alles. Da ist es nur ehrlich zuzugeben, dass "das nicht unsere Baustelle" ist, wenn ein Projekt Kompetenzen erfordert, in denen die Consultants nicht hundertprozentig fit sind. IT-Projekte drohen aber zu scheitern oder laufen aus dem Ruder, weil die durchgängige Beratung über den gesamten Veränderungsprozess hinweg fehlt. Spezialisten hinterlassen oft Insellösungen für Teilbereiche, die jedoch nicht optimal verknüpft sind, weil niemand darauf geachtet hat, ob die Puzzleteile am Ende auch zusammenpassen. Oder: Generalisten bieten ein Gesamtpaket aus einer Hand, doch es stellt sich heraus, dass sie nur in einigen Bereichen wirklich gut sind, in anderen aber höchtens in der zweiten Liga mitspielen.

Unternehmen benötigen für langfristige strategische E-Business-Projekte einen Ansprechpartner, auf den sie all ihre Management- und IT-Probleme abwälzen können und der für Aufgaben, in denen er selbst keine Top-Expertise besitzt, die richtigen Spezialisten zusammenbringt. Für die Bewältigung großer Veränderungen muss ein Berater die Fäden zusammenhalten und alle Probleme bis ins Detail im Blick behalten. Gute Berater wissen genau, was sie können und wo sie besser einen anderen Partner mit ins Boot nehmen. Entscheidend ist, dass sie die Arbeit der Spezialisten richtig beurteilen können. Wirklich Verantwortung zu übernehmen heißt deshalb, dass Berater ihren Kunden nicht allein lassen, wenn eine Teilaufgabe erledigt ist. Das ist die Art von "Rundum-sorglos-Paketen", die sich Kunden zwar wünschen, aber garantiert nicht von Spezialisten und auch nicht von Generalisten bekommen.

Ganzheitlicher Ansatz bewährt sichIT-Berater müssen in der Lage sein, ihren Kunden ganzheitlich zu sehen. Am Anfang steht immer eine genaue Analyse der Ist-Situation. Erst dann geht es an die Strategieberatung, gefolgt von der Konzeptentwicklung, der Technikauswahl und schließlich der Umsetzung bis hin zur funktionierenden Lösung. Dabei werden Technik und Unternehmensprozesse immer in engem Zusammenhang betrachtet.

In allen Phasen werden unangenehme, aber vitale Fragen aufgeworfen, die voraussetzen, dass Berater und Kunde eine gemeinsame Wellenlänge haben und sich gegenseitig vertrauen. So wie man sich einen Hausarzt wählt, der Vertrauensperson ist und bei speziellen Aufgaben die Expertise von Fachärzten einholt, macht es besonders für große Unternehmen Sinn, sich "ihren" Berater zu wählen, der im Laufe der Zeit ein Gespür dafür entwickeln kann, wie sein Kunde denkt, was er braucht und welcher Weg am meisten Erfolg verspricht.

Die Anforderungen an solche Beratungshäuser sind hoch. Sie brauchen Technikkompetenz im Verbund mit einem tiefen Verständnis für die Geschäftsprozesse und die Unternehmenskultur ihrer Kunden.

Ihr Ziel ist es, langfristige Lösungen für die "business pains" ihrer Kunden zu finden. Dazu gehört, dass das Beratungsunternehmen und jeder einzelne Consultant den Dienstleistungsgedanken internalisiert haben. Ein starkes "Commitment" für die Kundenbelange, auch über die normalen Geschäftszeiten hinaus, ist Grundvoraussetzung, um eine solche umfassende Beratung durchführen zu können.

Nicht zuletzt geht es um die Menschen im Unternehmen, die hinter den Veränderungen stehen und sie leben müssen. Ein Berater ist deshalb auch als Coach gefragt, der auf der Basis seines exzellenten Geschäftsverständnisses für das Unternehmen den Geschäftsführern und Managern persönliche Unterstützung angedeihen lassen kann. Fazit: Gute Berater sind wie ein guter Hausarzt, und nicht umsonst gilt die ganzheitliche Medizin als der zukunftsfähige Ansatz schlechthin.

*Jürgen Dreckmann ist Vorstand der Gauss Interprise Consulting AG in Hamburg, Manfred Siegl ist Geschäftsführer der Cedar GmbH & Co. KG in München.

Plädoyer für Techniker"Ohne Technik-Spezialisten geht es nicht. Mit Vorsicht zu genießen sind Internet-Dienstleister, die mit einem überfüllten Gemischtwarenladen hausieren gehen, aus dem sie eilfertig alle Qualifikationen hervorzaubern. Die Unternehmen können sich daher im wahrsten Sinne des Wortes nicht alles bieten lassen Im Gegenteil: Sie sollten nach Beratern Ausschau halten, die in der Lage sind, auf ihrem jeweiligen Gebiet gute Arbeit zu leisten und die verantwortung dafür zu übernehmen. Auf echte IT-Spezialisten wird man deshalb auch künftig nicht verzichten können". Jürgen Dreckmann

Alles aus einer Hand" Es ist die Herausforderung unserer Zeit, Spezialisten so zusammenzubringen, dass Unternehmen Lösungen aus einer Hand bekommen. Für langfristige E-Business-Projekte brauchen die Firmen einen Ansprechpartner, auf den sie all ihre Management- und IT-Probleme abwälzen können und der für die Aufgaben, in denen er selbst kein Spezialist ist, die richtigen Leute zusammenbringt. Berater müssen wissen, was sie können und wann sie besser einen Partner mit ins Boot nehmen. Denn: Sich um alles kümmern, heißt nicht, alles selber zu machen."

Manfred Siegl