Trend: Enterprise Applications und SOA

10.01.2008
Von Rüdiger Spies 
Service-orientierte Architekturen und neue Unternehmensanwendungen werden die IT-Landschaften und den Markt gründlich verändern.
Im kommenden Jahr bleibt Business Intelligence ein wichtiges Thema. Der Trend geht zu Echtzeitanalysen.
Im kommenden Jahr bleibt Business Intelligence ein wichtiges Thema. Der Trend geht zu Echtzeitanalysen.

Zu den Applikationen, die im Zusammenhang mit Enterprise Resource Planning (ERP) genannt werden, gehören Customer-Relationship-Management (CRM), Supply-Chain-Management (SCM), Logistik, Einkauf, Business Intelligence/Analytics, Master-Data-Management (MDM) und Product-Lifecycle-Management (PLM) - um nur einige zu nennen. Die wesentlichen Aktivitäten vieler Anwender werden auch 2008 der Einführung von Service-orientierten Architekturen (SOA) gelten.

Mashups als Alternative

Die Hersteller haben über die letzten Jahre viel Geld investiert, um ihre zum Teil veralteten Applikationsarchitekturen zu modernisieren, also beispielsweise auf Web-Basis zu stellen und in eine SOA einzubetten. SOA-Implementierungen setzen sich auch 2008 und 2009 bei den Kunden fort. Jetzt ernten die Her-steller die Früchte dieser Umstellung, indem auf Basis der Web-Services neue Anwendungsergänzungen beziehungsweise Erweiterungen einfacher und flexibler realisierbar sind. Diese stehen dann häufig als Com-posite Applications in Portalen zur Verfügung. Mit denselben Verfahren können die Applikations-Endkunden ihrerseits die Komponenten einfacher zusammenfügen. Somit werden neue Geschäftsprozesse flexibler unterstützt, so dass 2008 auch ein Jahr der Business-Innovationen wird, insbesondere durch neu-artige Softwareentwicklungen (Composites). Ein alternatives Funktionserstellungsverfahren liegt in Mashups (Erstellung neuer Inhalte durch die nahtlose (Re-)Kombination bereits bestehender Inhalte), die wiederum Web-Service-basierende Teilkomponenten zusammenfügen, um damit ad hoc geschäftsunterstützende Funktionen zu verwirklichen. Entscheidend ist in beiden Fällen, dass eine große Zahl von Komponenten und Applets beziehungsweise Portlets (beliebig kombinierbare Komponenten einer Benutzerober-fläche) in der jeweiligen Entwicklungsumgebung zur Verfügung stehen.

Business Intelligence bleibt spannend

Ein wichtiges Thema wird Business Intelligence (BI)/Analytics bleiben. Die beiden - schon fast vollzogenen - Übernahmen von Business Objects durch SAP und Cognos durch IBM zeigen deutlich, in welche Richtung die Entwicklung verlaufen wird. Die Stand-alone-BI-Anwendungen für historische Daten sind ein Auslaufmodell und machen Echtzeitanalysen Platz. Die entsprechende Software muss ständig auf Transaktionsdaten aus einem (oder mehreren) ERP-System/en zugreifen. Eine gemeinsame Architektur beziehungsweise Infrastruktur in Form von Middleware ist die beste Voraussetzung für ein derartiges Unterfangen. Dass BI interessant geblieben ist, beweisen die Marktzahlen. Danach lagen trotz eines Einbruchs des Geschäfts mit ERP-Software in den ersten fünf Jahren dieses Jahrzehnts die BI-Zuwachsraten immer relativ konstant bei knapp zehn Prozent. Ein verstärktes Wachstum zeichnet sich erneut ab, so dass IDC in den kommenden Jahren eher mit Werten zwischen zehn und elf Prozent rechnet. Die Aufkäufe von Business Objects und Cognos beflügeln den Markt, wovon auch die kleineren und mittleren BI/Analytics-Anbieter profitieren werden.

Im Zuge der weiteren Prozessorientierung werden auch Prozessmodellierungswerkzeuge auf der Basis von Business Process Execution Language (BPEL) zusammen mit Business Process Modeling Notation (BPMN), WS4People und WS-Human Task eine wachsende Rolle spielen. Die Hoffnung besteht darin, dass die Prozessverantwortlichen in den Fachabteilungen selbst die flexiblen Prozesse designen. BPEL als serialisierende Programmiersprache ist dazu sicher nicht geeignet, da sie kein grafisches Interface aufweist. Allerdings war das auch kein Designkriterium für BPEL. Deshalb ist BPMN so elementar wichtig. Unterbrechungen konnten im BPMN/BPEL-Workflow bisher nicht abgebildet werden. Diese entstehen immer dann, wenn der automatisierte Geschäftsprozess plötzlich auf ein unüberwindliches Hindernis stößt, weil es einen Widerspruch, zum Beispiel widersprüchliche Daten, gibt. Dann ist das menschliche Eingreifen, Reparieren und Korrigieren wichtig.

Für die Enterprise-Application-Hersteller wird es deshalb wichtig, sich mit Collaboration-Technologien a la Web 2.0 auseinanderzusetzen und diese Techniken (Blogs, Wikis, Chat, Search, Mail, Content-Management etc.) in ihre Applikationssuiten einzubauen. Das frühe Engagement von Herstellern für SOA zahlt sich jetzt aus. Diejenigen, die als Anbieter darauf verzichtet haben, werden nicht so schnell in der Lage sein, diese Techniken nachzuholen.

IBM wieder im Applikationsgeschäft

Weitere wichtige Initiativen sind Product-Lifecyle-Management und Master-Data- Management (MDM). Service-orientierte Architekturen setzen saubere Daten voraus. Master-Data-Management wird 2008 dabei helfen, die Datenbestände zu harmonisieren und strukturell aufeinander abzustimmen, ohne das Monster des unternehmensweiten Datenmodells bemühen zu müssen. PLM ermöglicht es hingegen, in den herstellenden Betrieben deutlich besser die Lebenszyklen von mechanischen Produkten zu managen, Kundenideen schneller einfließen zu lassen und insgesamt schnellere Produktzyklen zu realisieren.

IBM geht bei den Applikationen einen interessanten Weg. Das Unternehmen behauptet zwar unablässig, es werde sich hier nicht engagieren, seit dem Übernahmeangebot an Cognos lässt sich das aber endgütig nicht mehr aufrechterhalten. Ganz im Gegenteil. IBM bemüht sich schon lange darum, ins lukrative Applikationsgeschäft zurückzukommen, hat aber immer einen Weg gesucht, die genannte Beteuerung nicht zurücknehmen zu müssen.

Neue Entwicklungen in Sachen ERP

Die Übernahme von Cognos als bekanntem BI-Applikationsanbieter wird es nicht mehr möglich machen, die übernommene Software als Infrastruktur darzustellen. Darüber hinaus spricht IBM von "Asset Based Solutions", einem Konzept, das sich bei den IBM-Strategen ebenfalls schon länger abzeichnet. Service-orientierte Module, die von der Servicemannschaft in Projekten entwickelt werden, bilden die "Assets", aus denen dann mittels Infrastrukturkomponenten (Websphere, Entwicklungs-Frameworks etc.) neue (Composite-) Applikationen entwickelt werden. Auch hier kann man erkennen, dass IBM mächtig daran interessiert ist, mit Anwendungssoftware wieder eine wichtige Rolle zu spielen. Man darf sich von IBM nur nicht weismachen lassen, dass Applikationen nur ERP-Systeme im engeren Sinne sind. Von daher werden wir uns bei den Enterprise-Applikationen auf neue Entwicklungen einstellen müssen, die den klassischen Rahmen sprengen.

Alles andere als langweilig

Ebenfalls über den Standardrahmen von Applikationen hinaus gehen die Software-as-a- Service-(SaaS-) oder On-Demand-Modelle. SAP führt hierbei den ERP-Markt an. Es gibt aber auch neuartige Konzepte, die von Nicht-ERP-Anbietern massiv vorangetrieben werden. Salesforce.com, das seine Plattform geöffnet und eine große Zahl von Entwicklern angezogen hat, die nunmehr Applikationsteile entwickeln und für Mashup-Anwendungen zur Verfügung stellen, ist das bekannteste Beispiel.

Der Enterprise-Applications-Markt wird alles andere als langweilig. Dabei sind weitere Aspekte wie mobile Applikationen und der Fokus auf den Mittelstand noch gar nicht berücksichtigt. Aber auch diese Tendenzen werden sich 2008 kräftiger ausprägen als 2007. Der Weg ist frei für eine neue Ära.

(ciw)