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Trau keinem ASP vor dem Jahr 2002

15.02.2001
Anbieter sucht Kunde - auf diese kurze Formel lässt sich die derzeitige Situation im ASP-Markt reduzieren. Gestützt wird diese Behauptung durch die Studie von Pierre Audoin Conseil (PAC) und der COMPUTERWOCHE.

CW-Bericht von Joachim Hackmann

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Der ASP-Markt lockt, denn er ist jung, gilt als attraktiv und zukunftsträchtig. Doch das Geschäft mit Mietsoftware ist auch anspruchsvoll, investitionsintensiv und wird viele Opfer fordern. Erst in zwei Jahren werden sich die verlässlichen ASP-Anbieter herauskristallisieren.

Anbieter sucht Kunde - auf diese kurze Formel lässt sich die derzeitige Situation im ASP-Markt reduzieren. Gestützt wird diese Behauptung durch die Studie von Pierre Audoin Conseil (PAC), München, die das Beratungshaus zusammen mit der COMPUTERWOCHE erarbeitete: Auf 103 eindeutige als solche zu klassifizierende Anwender, die sich an der Internet-Umfrage beteiligten, kamen 521 Teilnehmer, die die Spezialisten von PAC als aktuelle und potenzielle ASPs betrachten.

Vieles, was heute als ASP-Angebot angepriesen wird, kann nicht als solches gelten, legt man folgende, von PAC in der aktuellen Studie verwendete Definition zugrunde:

Der Anbieter ist Eigentümer der Software und verwaltet die Lizenzen;

die Infrastruktur befindet sich im Datenzentrum des ASP, ihm gehört die Hardware;

der Service wird über Pauschalen oder nutzerabhängig abgerechnet;

Standardimplementierungen sind durch die Gebühren abgedeckt, darüber hinaus gehende Leistungen kosten extra;

der Anbieter ist für das System-Management und den Betrieb verantwortlich;

die Applikationsfunktionen werden via IP-Techniken (Internet oder Virtual Private Networks) zur Verfügung gestellt und

die Lizenzen werden an mehrere Nutzer vermietet (one-to-many) und müssen daher mandantenfähig sein.

PAC selbst räumt ein, dass es sich hierbei um eine sehr "strenge" Definition von ASP handelt. Insbesondere über den Standardisierungsgrad lässt sich streiten, denn andere Analysten und viele Anbieter fassen auch kundenspezifische Entwicklungen unter ASP-Modell.

PAC sieht zur Zeit nur zirka 25 reine ASPs (allesamt Startups) im deutschen Markt agieren. Das Gros der übrigen Anbieter sind Unternehmen aus dem IT-Dienstleistungs-, Outsourcing- und dem Telekommunikationsumfeld. Das schärft zwar nicht unbedingt das Profil, ist aber nicht zwangsläufig als Mangel zu bewerten. Denn ASP-Anbieter müssen Systeme, Softwarelizenzen, eine Infrastruktur anschaffen und mit einem detailierten und stark zu bewerbenden Geschäftsmodell in Vorleistung treten. Diesen finanziellen Kraftakt können sich nur etablierte Unternehmen leisten, die ihre ASP-Diensten Anschubhilfe durch Querfinanzierung leisten.

In diesem Licht ist es wenig verwunderlich, dass nur 18 Prozent der Studienteilnehmner die ASP-Startups als Anbieter mit Zukunft einschätzen. Zwar haben, so die Ausführungen der PAC-Analysten zu dieser Anbietergruppe, die ASP-Startups den Markt gut verstanden, könnten auch mit den erforderlichen IT-Ressourcen und Vertriebskanälen aufwarten, doch fehle ihnen häufig das Geld, um lange Durststrecken zu überbücken. Zudem haben die Neueinsteiger zunächst keine Kundenbasis zur Quersubventionierung des neuen Geschäftsmodells.

Doch auch in den übrigen Anbieterklassen wechseln Licht und Schatten. Die TK-Anbieter dürften kaum in Geldnöte geraten, haben gut ausgebaute Vertriebswege, um die Kunden anzusprechen, und können auf vorhandenes Know-how im Infrastrukturbereich aufbauen. Was vielen jedoch fehlt, ist die Servicekultur auf der Softwareseite und die Erfahrung mit dem Vertrieb von IT-Dienstleistungen.

Die PAC-Studie

Die der ASP-Studie zugrunde liegende Befragung wurde zweigeteilt im Internet vorgenommen. Zwischen Mitte Oktober und Mitte Dezember letzten Jahres konnten Anwender auf COMPUTERWOCHE-Homepage einen Fragebogen ausfüllen. Nahezu gleichzeitig (Anfang Oktober 2000 bis Ende Januar 2001) konnten sich Anbieter auf der Web-Page www.pac-online.de eintragen. Unter den vermeintlichen Anwendern gaben allerdings auch viele aktuelle und potenzielle ASPs ihre Einschätzung über den ASP-Markt ab, so dass die PAC-Experten von den 694 Antworten 521 Fragebögen unter der Rubrik Anbieter verbuchten. Weil sich 70 Fragebögen nicht eindeutig dem Anwender- oder Anbieterlager zuordnen ließen, fielen sie aus der Bewertung heraus, übrig blieben 103 echte Anwender. Die Ergebnisse der Befragung veröffentlicht PAC in der Studie "ASP und Outsourcing Germany 2001", die im Mai erscheinen wird. Darin enthalten sind auch die Anbieterprofile sowie die Analysen, Interpretationen und Aussichten des ASP-Marktes in Deutschland. Außerdem finden sie einen ausführlichen Bericht über die Ergebnisse der Anwenderbefragung in der CW Extra, die der nächsten COMPUTERWOCHE beiliegt.

Der Gruppe der heutigen Beratungshäuser räumen insgesamt 28 Prozent der Befragten die größten Chancen ein, im Markt zu bestehen. Aufgeschlüsselt nach IT-Dienstleistern mit und ohne eigene Softwareprodukte, zeigt sich, dass erstere Gruppe wohl eher zu den Gewinnern zählen dürfte, weil diese Anbieter das Geschäft mit der Mietsoftware von einer soliden Produktbasis aus aufbauen können.

Aber auch unter den bisherigen Serviceunternehmen, die sich im ASP-Markt versuchen, ist nicht alles Gold, was glänzt. Abhängig von ihren angestammten Tätigkeiten haben die Dienstleister unterschiedliche Stärken und Schwächen. Klassische Outsourcer wissen etwa um den Betrieb einer IT-Installation und den Wert eines guten Kundenservice, richten sich mit ihren bisherigen Angeboten jedoch überwiegend an große Unternehmen, die nicht die erwartete typische ASP-Klientel bilden. Projektdienstleister müssen sich dagegen das Wissen um den IT-Betrieb erst aneignen, haben dafür aber meistens gute Kundenkontakte, so dass sie die Bedürfnisse der Anwender kennen.

Große Softwarehäuser zögern noch

Über die Rolle der Softwarehäuser im ASP-Umfeld kann man derzeit nur spekulieren, denn die Großen der Branche halten sich noch zurück. Eine Schlüsselrolle werden sicher Unternehmen wie Microsoft, SAP oder Oracle. einnehmen. Übereinstimmend mit vielen Analysten sehen auch die PAC-Experten diese Hersteller künftig im ASP-Revier wildern, die Frage ist allein, wann sie im großen Stil einsteigen. Für die heutigen Produktanbieter gibt es zwingende wirtschaftliche Gründe, aktiv im Dienstleistungsumfeld zu agieren: In dem Maße, wie ASPs vermehrt Softwarelizenzen en gros und zu Sonderkonditionen bei den Herstellern kaufen, leiden deren Margen. Zudem verlieren die Produktanbieter durch das neue Vertriebsmodell den Kontakt zur Kundenbasis, wenn sie nicht selbst am ASP-Markt partizipieren.

Startups, Telcos, Outsourcer, Beratungsunternehmen und Softwareanbieter sind die üblichen Verdächtigen, wenn es um den Ausbau von Softwareangeboten und Dienstleistungen geht. Eine völlig neue Anbietergruppe formiert sich jedoch unter den heutigen Anwendern von IT-Ressourcen. Erste Beispiele weisen auf Möglichkeiten hin, das klassische Kerngeschäft um Extradienste auszuweiten. Eine Schweizer Versicherung bietet etwa ihren Vertriebspartnern, also kleineren Versicherungsagenturen, einen Dienst zur Lohnabrechnung an. Der Service reicht von der einfachen Vermietung der entsprechenden Software bis hin zur kompletten Abrechnung.

Denkbar sind ASP-Szenarien auch in Branchenverbänden, die eine Vermittlungsrolle zwischen Unternehmen und Mitgliedern einnehmen und dafür bereits eine Anwendung erstellt haben. Diese ließe sich als Portal, Marktplatz oder Mietsoftware der Kundschaft zur Verfügung stellen. Überhaupt bieten viele Tätigkeiten im E-Commerce-Bereich Potenzial für heutige Anwender, ihren Partnern ASP-Dienste offerieren: Kleinere Zulieferer könnten etwa über Mietsoftware dazu ermuntert werden, sich in eine Supply-Chain-Management-Kette einbinden zu lassen.

Alle Anbieter werden eine lange Durststrecke überwinden müssen. Im vergangenen Jahr entfielen vom gesamten Outsourcing-Geschäft lediglich 0,45 Prozent auf den ASP-Markt. Dieser Faktor wird sich bis zum Jahr 2004 zwar verzehnfachen, doch anteilige 4,5 Prozent können nicht die Erklärung für die derzeitige Aufregung um das Mietsoftwaremodell begründen. Was den ASP-Markt so attraktiv erscheinen lässt, sind die langfristigen Wachstums-Prognosen. PAC erwartet, dass der deutsche ASP-Markt die Umsatzbarriere von einer Milliarde Mark im Jahr 2004 durchbrechen wird. Bis zum Jahr 2010 könnte das Volumen auf zehn Milliarden Mark anwachsen.

Achtung vor Pseudo-ASP-Services

Die heutigen Anbieter bringen sich also vornehmlich in Stellung, um sich schon frühzeitig einen Platz im lukrativen Geschäft zu sichern. Ihre derzeitige Taktik, sich mit Pseudo-ASP-Angeboten zu profilieren, könnte aber fatale Folgen haben. Viele Anwender bekunden zwar Interesse an ASP-Angeboten, haben aber auch große Bedenken. Mogelpackungen machen den Markt intransparent, verunsichern die Kunden und spielen den Skeptikern in die Hände.

Mit dem ASP-Modell hoffen die Anwender, ohne eigenen Aufwand stets in den Genuss aktueller Techniken und Anwendungen zu kommen. Kostentransparenz, Konzentration auf das Kerngeschäft, Skalierbarkeit und kurze Einführungszeiten sind weitere Triebfedern für die ASP-Nutzung. Bedenken haben die potenziellen Nutzer, weil sie die Abhängigkeit von einem Dienstleister fürchten, die Kontrolle über ihre Daten schwinden sehen und Unbehagen beim Verlust der eigenen IT-Kompetenz empfinden. Zudem kritisieren viele Auskunftgeber das Internet als unzuverlässig und unsicher.

Laut PAC wird der Erfolg des ASP-Modells davon abhängen, ob es gelingt, diese Zweifel an der Sicherheit zu widerlegen. Hier müssen die Anbieter noch glaubwürdige Antworten und Lösungen finden. Aber auch ein transparenter Anbieter- und Angebotsmarkt ist für die Entwicklung des ASP-Geschäfts unabdingbar. Dafür sorgt aller Wahrscheinlichkeit nach eine Selbstregulierung des Marktes, denn die Zahl der derzeitigen "Möchtegern-ASPs" wird aufgrund der immer kritischere Betrachtung durch die Anwender drastisch sinken. Die Bereinigung der Anbieterschar, sei es durch Pleiten, Übernahmen und Kooperationen, wird in den nächsten Jahren einsetzen. Breite Marktakzeptanz wird laut PAC das ASP-Modell ab 2002 oder 2003 erfahren. Zu diesem Zeitpunkt soll sich auch der Nebel im Anbieterlager lichten, so dass PAC zum Schluss kommt: Interessenten sollen nicht nur das Angebot, sondern die langfristigen Erfolgschancen ihrer künftigen Partner genau analysieren.