IT-Arbeitsmarkt/Professionelles Verfahren der Personaler hilft Bewerbern

Transparentere Mitarbeiterauswahl

09.05.2003
Der Stellenmarkt hat in der IT-Branche eine dramatische Umkehrung erfahren: Die Personalknappheit von vor zwei Jahren ist einem großen Überangebot nachfragender Stellensucher gewichen. Das bedeutet, dass das Einstellen von Mitarbeitern professionalisiert werden muss, ohne dabei die Bewerber zu vernachlässsigen.Von Niels Fischer*

Für die Personaler wurde aus einer Gleichung mit nur wenigen Unbekannten das Spiel der unbegrenzten Möglichkeiten. Ob die Rekrutierung damit einfacher und die Ergebnisse besser geworden sind, bleibt indes offen. Sicher ist jedoch, dass der professionellen Rekrutierung und Bewerberauswahl wesentlich mehr Bedeutung zukommt als bisher.

Die Personalauswahl ist arbeitsintensiver geworden. Die Flut von Anschreiben erfordert wesentlich mehr Zeit. Allein das Lesen einiger hundert Bewerbungsschreiben - schließlich will man jedem Jobinteressenten gerecht werden - ist aufwändig, ebenso die Auswahl selbst. Das alles lässt Fehlentscheidungen bei der Besetzung von freien Stellen erheblich teurer werden als ein Auswahlverfahren unter etwa nur zwölf Bewerbern. Der Zeit- und Kostenaufwand für die Rekrutierung einer IT-Führungskraft für das mittlere Management hat sich erheblich vergrößert.

Der aus Personalabbau und Überkapazität bei den IT-Dienstleistern entstandene Bewerberüberhang sorgt für ausreichend qualifizierte Mitarbeiter. Spitzenkräfte sind rar gesät, da diese in den Betrieben - auch unter dem Einfluss der aktuellen wirtschaftlichen Situation - so lange wie möglich bleiben. Die Masse der auf Suche befindlichen Bewerber möchte möglichst schnell in Brot und Lohn. Der Hintergrund dafür ist neben der finanziellen Situation vor allem der Wunsch, den Lebenslauf nicht durch Brüche wie etwa die Zeiten der Nichtbeschäftigung zu beeinträchtigen.

Viele Bewerber sind zu Kompromissen bereit oder suchen lediglich schnelle Lösungen zur Überbrückung. Solche Kandidaten mögen zunächst zwar betriebswirtschaftlich interessant sein, weil sie ein geringeres Gehalt akzeptieren. Allerdings werden sie das Unternehmen wieder verlassen, sobald sie sich verbessern können.

Hinzu kommt eine wachsende Routine bei den Kandidaten, was das Erstellen von Unterlagen und das Verhalten in Einstellungsgesprächen angeht. Es besteht die Gefahr, dass der Jobsuchende mit jeder erfolglosen Bewerbung das Bild korrigiert, das er von sich geben will, und dabei auch Stärken erfindet. Erschwerend für den Kandidaten kommt hinzu, dass der Arbeitgeber unter Umständen der Bewerbung nicht die Beachtung schenkt, die sie verdient. Gute Kandidaten beim ersten Lesen zu identifizieren und diese Vorauswahl im Rahmen des Entscheidungsprozesses mehrfach zu verifizieren ist die Herausforderung.

Notlösungen bei Einstellung vermeiden

Trotz aller Zeitnot gilt es, den jeweils richtigen Bewerber zu finden und dabei Notlösungen auszuschließen. Zudem sind alle Belange der Qualifikation, der Position, Team- und Motivationsfähigkeit zu beachten. Gerade die Regularien des Bewerbungsprozesses, von der Eingangsbestätigung über die Betreuung und den laufenden Dialog bis zur Vertragsgestaltung, sind von höchster Wichtigkeit. Dies gilt vor allem, wenn es um die Besetzung von Management-Positionen geht, wenn der Ablauf des Bewerbungsverfahrens auch den Standards entsprechen muss, die später im Unternehmen als Umgangsformen und Führungsgrundsätze eingeführt sind.

Checkliste für Personalverantwortliche

Wie lassen sich Fehlentscheidungen vermeiden? Bestimmte Schlüsselfaktoren sind zu beachten, die den Erfolg der Rekrutierung im IT-Bereich berechenbarer machen. Im Einzelnen sind das:

-Klare Positionsprofile, Interviewleitfäden und strukturierende Tools für den Bewerbervergleich;

-Prüfung der Qualifikation über das Interview hinaus durch Arbeitsproben, Präsentationen und Referenzgespräche;

-Check der Belegbarkeit von Aussagen in den Gesprächen und der Plausibilität gemachter Aussagen;

-klare Darstellung von Kandidaten- und Anforderungsprofil mit Feststellung der Defizite und Diskussion über Kompensationsmöglichkeiten;

-Diskutieren der Motivation des Jobsuchenden, um Not- und Überbrückungslösungen zu vermeiden;

-Herausfinden der Motivationslage (Interesse an fachlicher Herausforderung, Wunsch nach Verantwortung oder familiäre Aspekte);

-Abklären der Zukunftserwartungen des Bewerbers in Abstimmung mit den betrieblichen Möglichkeiten;

-Gespräche in wechselnden Umgebungen und mit wechselnden Gesprächspartnern, etwa auch mit künftigen Kollegen;

-unterschiedliche Eindrücke dieser Gesprächspartner auswerten und mit Hilfe von Checklisten überprüfen;

-gutes Zusammenspiel von Personalabteilung und IT-Fachbereich, um ein optimales Ergebnis zu erzielen;

-Diskussion der Einkommensfrage und damit Klärung von Finanzbedarf und Vermögenslage sowie

-offenes Gespräch über frühere Einkommen und aktuelle Erwartungshaltung.

Dieser Katalog hilft, die Rekrutierung zu systematisieren. Das ist bei dem erhöhten Arbeitsaufwand von großer Bedeutung. Trotz vieler Bewerbungsunterlagen sollte jeder Arbeitgeber den Interessenten das Gefühl individueller Zuwendung geben, um die ernsthaft interessierten Bewerber bei der Stange zu halten und auch gegenüber den Abgesagten das gute Image des Unternehmens zu bestätigen. Nicht zuletzt muss "die Chemie" stimmen: Der Bewerber sollte zum Team und den Vorgesetzten passen und sich in die Unternehmenskultur einfügen. Denn einerseits ist die Einarbeitungszeit gegenüber früher knapper geworden und andererseits muss mit der Einstellung ein Vertrauensverhältnis beginnen, das die Basis für eine lange Zusammenarbeit bilden sollte. (hk)

*Niels Fischer ist Geschäftsführer der Schickler Personalberatung in Hamburg.

Angeklickt

Seit Firmen deutlich mehr Bewerbungen auf ihre offenen Stellen erhalten, stehen die Personalverantwortlichen vor der schwierigen Aufgabe, aus der Vielzahl der Kandidaten den richtigen Mitarbeiter auszuwählen. Um Fehlentscheidungen zu vermeiden, sollte die Rekrutierung systematisiert werden. Ein Personalberater hat die wichtigsten Kriterien für die Stellenbesetzung zusammengestellt.