Kriterien für zukünftige DV-Schulungen

Training muß sich am Anwender - nicht am Programm orientieren

24.05.1991

GRASBRUNN/MÜNCHEN (hk) - Berührungsängste vor der neuen Technik und der Wunsch nach Praxisbezug und Verwertbarkeit des Gelernten sind entscheidende Kriterien, die DV-Schulungsanbieter berücksichtigen müssen, wollen sie auf dem zwar boomenden, aber auch härter werdenden DV-Aus- und Weiterbildungsmarkt überleben. So lautete das Fazit einer HMT-Tagung in Grasbrunn.

Unter dem anspruchsvollen Titel "DV-Schulung der Zukunft" veranstaltete die HMT Informationssysteme GmbH, Grasbrunn, eine eintägige Konferenz mit einem breiten Inhaltsspektrum. Der Bogen spannte sich von Themen wie Schwachpunkte in der DV-Ausbildung über die Gestaltung von DV-Seminaren für Führungskräfte bis hin zu Möglichkeiten der Vor- und Nachbereitung von Kursen und der Vorstellung eines eigenen Konzeptes "Train the DV-Trainer".

In einer Deutlichkeit, wie man es von Firmenvorträgen kaum kennt - normalerweise loben die Vortragenden ihren Arbeitgeber -, wies Birgit Waszkewitz, Bildungsbeauftragte der Hypo-Bank, München, auf die vielen Schwachpunkte der DV-Ausbildung in ihrem Unternehmen hin.

In einer Fragebogenaktion listeten die Hypo-Bank-Trainer die Mängel der DV-Ausbildung in ihrem Unternehmen auf. Es zeigten sich die altbekannten Probleme, mit denen im Grunde jedes Unternehmen zu kämpfen hat, wenn es um die DV-Schulung seiner Mitarbeiter, geht.

Schwierigkeiten bei Teilnehmern und Trainern

Es beginne mit dem Raumproblem, oft spielten organisatorische Mängel und die Technik eine Rolle, aber die meisten Schwierigkeiten treten bei den Teilnehmern und den Trainern auf. Letzteren fehlt, so Waszkewitz, "Praxisnähe und Weiterbildungsmöglichkeiten", aber es mangele auch an methodischen und didaktischen Fähigkeiten. Bei den Teilnehmern gehe es in erster Linie um die Motivation. Waszkewitz dazu: "Mitarbeiter werden zu Seminaren geschickt, ohne daß sie es wollen, deshalb lassen sie zunächst einmal Dampf ab."

Aufgrund der festgestellten Mängel will nun die Hypo-Bank im Juni ein Trainer-Seminar veranstalten, um zumindest die kurzfristig lösbaren Probleme in Griff zu bekommen.

Über eine weitere Schwachstelle der DV-Aus- und Weiterbildung referierte Guido Betz, und zwar über die Schulung von Führungskräften. Der Unternehmensberater zitierte Umfrageergebnisse, wonach 65 Prozent der Führungskräfte begeistert und 35 Prozent aufgeschlossen gegenüber der DV seien.

Allerdings gäbe es nur wenige Unternehmen, die in ihren umfangreichen Seminarkatalogen auch DV-Kurse für Führungskräfte anböten. Und bei den Schulungsinstituten sei es oft so, daß zu viele dieser Veranstaltungen "mit Bits und Bytes und CPU beginnen".

Der technische Hintergrund müsse sehr gering sein, "es darf kein Fachseminar werden", dozierte Betz. Wichtig sei, bei der Führungskraft eine Initialzündung auszulösen, "der Manager muß über die Einstellung zur DV kommen".

Wie letztlich DV-Kurse zu gestalten seien und was man aus heutiger Sicht verbessern könnte, darüber referierte Uwe Lehnert von der Freien Universität Berlin, der im Auftrag von HMT zusammen mit Gerhard Ortner von der Fernuniversität Hagen ein Train-the-DV-Trainer-Seminar entworfen hat.

Wichtig sei es - darauf wies der Berliner Professor immer wieder hin -, die Zielgruppe eindeutig zu definieren. Es nütze niemandem, wenn man zum Beispiel ein Seminar "Einführung in MS-DOS" nenne, es müsse richtig heißen "Einführung in MS-DOS für Sekretärinnen" oder für eine andere Zielgruppe.

Lehnert nannte vier Grundsätze eines guten DV-Trainings:

- Ermutigendes Lernklima herstellen: Der Dozent muß von Anfang an Interesse an Thema und Teilnehmer zeigen. Sein Verhalten soll "wertschätzend, ermutigend und verständnisbemüht" sein.

- Das Einführungstraining nicht am Programm, sondern an der Anwendung ausrichten. Lehnert wirft in diesem Zusammenhang vielen Dozenten vor, daß sie sich am Aufbau des Handbuchs orientierten, statt "berufstätigkeitsspezifische Anwendungsbeispiele" oder auch Anwendungen vorzustellen, die sich in der Praxis als besonders schwierig erwiesen.

- Lehr-/Lernmedien so gestalten, daß sie das Lernen unterstützen: So sollten die Kursunterlagen das Verstehen des Gelernten, aber auch ein gründliches Wiederholen ermöglichen. Lehnert erinnert an die aus seiner Sicht arg verbreitete Unsitte, Inhalte nur grafisch darzustellen. Entscheidend sei letztlich die inhaltliche Aussage; "die grafische Gestaltung hat nur unterstützende Funktion", postuliert der Wissenschaftler.

- Hilfe zur Selbsthilfe bieten: Damit sei zum Beispiel das Üben im Umgang mit dem Handbuch gemeint. Der Professor empfiehlt aber auch die Gründung von Lerngemeinschaften oder betriebsinterne Selbsthilfegruppen. Ziel muß sein, so faßt es Lehnert zusammen, "den Anwender selbständiger zu machen".