Effiziente Zusammenarbeit basiert auf Kommunikation, Wissensaustausch sowie der Koordination von Mitarbeitern und Teilaufgaben. Um dies zu unterstützen, waren bis vor wenigen Jahren mächtige, aber damit oft auch schwerfällige Lösungen zum Dokumenten- beziehungsweise Wissens-Management sowie Groupware-Lösungen mit Kalender- und Planungsfunktionen das Mittel der Wahl.
Ein Blick auf sogenannte Freizeitanwendungen des Social Web wie Facebook, Google+ oder Ähnliches zeigt: Dort wird Vergleichbares geleistet, aber meist ausgesprochen schnell, flexibel und selbstkoordinierend. Zudem ist dank Nutzer-Feedback die Qualität des Ergebnisses schnell offensichtlich. Gerade diese Vorteile machen Social Business Collaboration (SBC), die Übertragung der Prinzipien des Web 2.0 in die Unternehmenswelt, so interessant.
Social Web im Business
Hinter SBC verbirgt sich jedoch mehr als nur die Kopie der Social-Web-Anwendungen. Hier werden Gegebenheiten wie die Anbindung an übergreifende User Directories, strenge Sicherheitsvorkehrungen und der Schutz der Privatsphäre mit den Prinzipien des Social Web in Einklang gebracht.
Hat sich eine Firma entschlossen, eine Plattform für Social Business Collaboration einzuführen, hat sie die Qual der Wahl. Das verfolgte Ziel spielt dabei eine zentrale Rolle. Zu den gewünschten Resultaten zählen verbessertes Wissens-Management durch schnelleres Finden bereits vorhandener Inhalte, rasches Ermitteln interner Experten, leichtes gemeinsames Generieren von Ideen sowie weniger Aufwand beim schnellen Kommunizieren.
Neben den Zielen spielen die Eigenschaften der internen Prozesse, Arbeitsweisen und IT-Systeme eine wichtige Rolle. Beide Aspekte sind bedeutsam, weil sich viele Softwareanbieter zwar SBC auf die Fahnen schreiben, aber mit ihren Angeboten unterschiedliche Schwerpunkte setzen.
Anwendungsklassen
Grob lassen sich drei Anwendungsklassen unterscheiden, die sich in den untersuchten Lösungen spiegeln:
1. Collaboration mit einem starken Fokus auf freie, persönliche Interaktion ist typisch für die erste Kategorie. Dazu gehört "Jive SBS" von Jive Software, hier in Version 5.0 untersucht.
2. Strukturierte Interaktion durch Portalfunktionalität, ECM und/oder Prozessausführung macht diese Gruppe aus, wobei diese Eigenschaften um Social-Collaboration-Funktionen ergänzt wurden. Beispiel: Microsoft Sharepoint 2010.
3. Anwendungen, die kollaborative Dokumenten- und Wissensverwaltung dokumentenzentriert unterstützen und jetzt mit weiteren SBC-Funktionen ausgestattet werden, bilden die dritte Kategorie. "Confluence" von Atlassian Software in der Version 4.1 gehört dazu.
User Interface
Kollaboratives Verhalten lässt sich nicht erzwingen. Es ist vielmehr Folge einer durch Anreize, Führung und Strukturen gelebten Kultur, die von Social Software unterstützt wird. Eine gute Lösung fängt bei einer intuitiven Oberfläche und niedrigen Zutrittsbarrieren an. Hierzu zählt zunächst der vom Nutzer empfundene Wiedererkennungswert.
Alle drei Plattformen haben hier ihre Vorzüge. Während Sharepoint ein gewohntes Bild für den MS-Office-Anwender bietet, ist die Interaktion mit einem Wiki wie Confluence vielen zumindest aus der Nutzerperspektive durch Wikipedia bekannt. Die Interaktionskomponenten in Jive sind denen aus Internet-Foren oder Social Networks wie Facebook oder Xing sehr ähnlich. Insbesondere Jive macht das Kommunizieren und Zusammenarbeiten durch seine ansprechende Web-2.0-Oberfläche sehr nutzerfreundlich.
Nachteilig ist bei Jive jedoch, dass die persönliche Startseite nicht mehr an die eigenen Bedürfnisse angepasst werden kann beziehungsweise nur noch über einen etwas umständlichen App-Mechanismus. Das ist bei Sharepoint mit MySite, wo alle Informationen zusammenlaufen, einfacher umgesetzt. Confluence lässt zumindest in eingeschränktem Umfang die Einrichtung einer Dashboard-Seite zu.
Blickt man auf andere Interaktionsaspekte, zeigt sich deutlich, wie entscheidend die mit der SBC-Einführung verfolgten Ziele sind: Fokus auf formlosere Interaktion oder auf Kooperation am Dokument? Confluence ermöglicht Nutzern eine unkomplizierte Seitengestaltung und schnelle Veränderungen an Dokumenten. Jive offeriert keine vergleichbar ausgereifte Möglichkeit der gemeinsamen Arbeit an einem Dokument, bietet aber vielseitige Kommunikationsmöglichkeiten. Sharepoint ist stark auf Microsoft-Office- Dokumente ausgerichtet und nicht so unkompliziert in der Handhabung wie Confluence.
Unterschiedlicher Fokus
Auch die Konzepte zur Informationsstrukturierung für den Endnutzer unterscheiden sich zwischen den drei SBC-Plattformen merklich. Getreu seiner Tradition fördert Sharepoint eine starke Strukturierung der SBC-Elemente in Ordnerstrukturen, globalen Taxonomien oder Seiten, die häufig nach unternehmensweiten Richtlinien erstellt wurden. Für eine geordnete Dokumentenablage ist das von Vorteil, jedoch erschwert die starke Strukturierung häufig die freie Interaktion.
Jive steht hierzu im starken Kontrast. Während mit Bereichen und Subbereichen eine hierarchische Strukturierung zwar möglich ist, weisen die häufig genutzten themenbezogenen Gruppen keine Hierarchie auf. Der Anwender arbeitet also eher mit der Suche nach für ihn relevanten Themen und interagiert themenbezogen. Durch die geringe Strukturierung wird eine Navigation ohne Suche jedoch schwieriger. Ist dann die richtige Gruppe gefunden, wird der Nutzer über den sogenannten Activity Stream über die wichtigsten Interaktionen in diesen Gruppen auf dem Laufenden gehalten.
Confluence geht einen Mittelweg. Dokumente werden strukturiert abgelegt in Bereichen und Subbereichen, doch kann jeder - wenn nicht durch Berechtigungskonzepte eingeschränkt - die Struktur anpassen. Auch Confluence setzt stärker auf die Arbeit am gemeinsamen Dokument als auf informelle Diskussion.
Streams als Informationsfilter
Neben der Struktur ist auch die Informationsfilterung eine wichtige Funktion, denn je aktiver eine Plattform genutzt wird, desto eher droht der einzelne Anwender in Informationen zu ertrinken. Andererseits sollen relevante Informationen nicht verloren gehen, da sonst der Vorteil der Plattform ebenso erodiert.
Jive zeigt deshalb die Interaktion in drei Streams an. Im ersten sieht der Nutzer sämtliche Interaktionen auf der Plattform, im zweiten Stream findet er alle Interaktionen zu den Themen, in die er irgendwann involviert war oder die er explizit verfolgt. Im dritten erkennt er alle Interaktionen, die von ihm Aktivität verlangen. Jeder Stream kann dann noch angepasst werden. Sharepoint hingegen begrenzt die Benachrichtigung zunächst auf neue Aktivitäten von Mitarbeitern aus derselben organisatorischen Einheit. Zusätzlich lassen sich die Interaktionen beliebiger anderer Mitarbeiter verfolgen. Confluence bietet auf einem Dashboard - der persönlichen Startseite - eine Liste aller Aktivitäten und eine nach Favoriten gefilterte Aufstellung. Es gibt jedoch keine Mechanismen, um diese Filterung anzupassen.
MS-Office-Integration
Auch aus Sicht der IT-Abteilung unterscheiden sich die drei SBC-Ansätze. Die Plattformen lassen sich natürlich einfacher einführen, wenn bereits Erfahrungen mit der Software selbst oder zumindest mit der Softwarekategorie vorhanden sind. Wird eine komplett neue Software installiert, stellen sich Fragen der technischen Integration und der Interface-Gestaltung. Dabei sind Landschafts- und Standardsoftwareintegration zu unterscheiden.
Unter den ersten Punkt fallen Aspekte wie der Anschluss an eine zentrale Nutzerverwaltung (LDAP-Server) oder Single-Sign-on. Alle drei betrachteten Lösungen bieten in dieser Klasse vergleichbare Funktionen. Anders sieht es bei der Integration in die Standardsoftware des Büroalltags - Microsoft Office - aus. Hier punktet Sharepoint naturgemäß mit guter Integration, dicht gefolgt von Jive, das sich über ein kommerzielles Plugin recht gut in die Office-Welt einpasst. Confluence braucht für die Arbeit mit Office-Dokumenten einen Konnektor, der nur die Ansicht- und Editiermöglichkeiten direkt in der Confluence-Oberfläche erlaubt.
Plugins
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Handhabung von Plugins und ähnlichen Konzepten. In Sachen Vielfalt sticht hier Confluence mit vielen, teils kostenfreien Erweiterungen positiv hervor. Jive hingegen bietet ein Plugin-Konzept und zusätzlich einen optional aktivierbaren App Market an. Auch um Share-point hat sich ein ausgeprägtes Ökosystem entwickelt, das allerdings an Vielfalt nicht mit Confluence konkurrieren kann und kein dem App Market vergleichbares System bietet.
Interessant wird es, wenn Funktionen selbst nachgebaut werden müssen. Sharepoints Herz schlägt in der .NET-Welt, Confluence und Jive bauen auf JEE auf. Die Kosten für die Erweiterung hängen also davon ab, welche der beiden Entwicklungswelten im Unternehmen bereits etabliert ist.
Rechte-Management
Aber auch aus Prozessgestaltungs- und Überwachungssicht unterscheiden sich die Plattformen. Während der offene Informationsaustausch vordergründiges Ziel einer SBC-Plattform ist, gibt es auch Inhalte, die nur mit eingeschränktem Zugriff versehen werden sollen. Sharepoint blendet hierzu mittels Security-trimmed Views Oberflächenbestandteile vollständig aus, für die ein Nutzer keine Berechtigung hat. Bei Jive können Oberflächenbestandteile nicht rechtebasiert ausgeblendet werden, allerdings die darin enthaltenen Inhalte. Außerdem gibt es geheime Gruppen, die nur ihren Mitgliedern angezeigt werden. Confluence kann mit Space-bezogenen Berechtigungskonzepten ein vergleichbares Leistungsniveau erreichen. Blickt man jedoch auf eine stärkere Kontrolle der ausgetauschten Inhalte mittels expliziter Freigabemechanismen, wartet Sharepoint mit den Vorteilen einer guten Workflow-Unterstützung auf. Jive nutzt dagegen ein Moderationskonzept und ein separates Freigabesystem, die jeweils über Benachrichtigungen, aber ohne eigentliches Workflow-Management operieren. Confluence steht den beiden hier etwas nach und bietet dies nativ nicht an - es muss per Plugin bei Bedarf erweitert werden.
Fazit: Bei der Wahl der richtigen SBC-Lösung steht die Frage nach dem Ziel im Vordergrund. Ist die Arbeit am gemeinsamen Dokument entscheidend, dann empfiehlt sich eine Herangehensweise aus der Wiki-Welt, unterstützt durch Anwendungen wie Confluence, als guter Start. Richtet sich das Unternehmensumfeld stärker an Prozessen aus und soll es sich langsam der unstrukturierten Interaktion öffnen, bietet sich die Unterstützung einer breiter aufgestellten Plattform wie Sharepoint an, insbesondere wenn diese als Bestandsanwendung schon genutzt wird. Jive hingegen kann die Lösung der Wahl sein, wenn das Unternehmen bereit ist, schnell in eine unstrukturiertere, freiere Interaktion der Mitarbeiter und damit einen ungebremsten Informationsfluss einzutauchen. Auf diese Arbeitsweise setzt die Software klar ihren Fokus.
Gemischte Anforderungen
In der Praxis trifft man häufig auf gemischte Anforderungen. Dann bietet die Integration von zwei oder drei dieser Anwendungen die größten Vorteile für das Unternehmen. Welches System in solchen Fällen als führendes genutzt werden soll, wird zu einer spannenden Frage, die nur im Einzelfall zu beantworten ist. (wh/ms)
Merkmal | Sharepoint | Jive | Confluence |
Arbeiten mit Dokumenten | Arbeiten mit Microsoft-Office-Dokumenten sehr gut umgesetzt, andere nur eingeschränkt | Erstellung mit Rich Text Editor, Dokumentenstrukturierung eingeschränkt möglich | Intuitive Bearbeitung und Strukturierung durch Rich Text Editor und viele Templates |
Informationsstrukturierung | Konsequente, ordnerartige Strukturierung | Hierarchien möglich in Bereichen; Gruppen hierarchiefrei | Inhalte strukturiert, hierarchisch verwaltet; jeder kann Hierarchie anpassen |
Informationsfilterung | Zunächst nur Aktivitäten von Kollegen; erweiterbar | Zunächst alles, schrittweise gefiltert über Activity-Stream-Konzept; frei anpassbar | Ansicht aller Interaktionen und gefiltert auf Favoritenbereiche |
Social Analytics/Empfehlung | Basierend auf neuen Beiträgen mit Tags des Nutzers | Cloud-basierter Empfehlungsdienst mit ausgefeilten Algorithmen | Keine vergleichbare Funktion |
Integration in Microsoft Office | Sehr gute Integration direkt möglich | Sehr gute Integration über Plugin möglich, Ansicht direkt in Plattform über Plugin möglich | Ansicht- und Editiermöglichkeit innerhalb von Confluence, keine Integration in Office-Anwendungen |
Funktionserweiterung | Etablierte Anbieter von Erweiterungen, kein App-Market | Plugin-Konzept und Ökosystem über App-Market | Breite Palette, teils kostenfreie Erweiterungen |
Customized Extensions | Setzt auf .NET auf | Setzt auf JEE und Open-Source-Frameworks wie Spring und Freemarker auf | Setzt auf JEE und Open-Source-Frameworks wie Spring auf |
Freigabemechanismen | Umsetzbar über Workflow-Funktionalität | Moderationskonzept auf Bereichsebene, Freigabesystem mit Benachrichtigungen | Nur über Erweiterung mit Plugin nutzbar |
Quelle: Schmidl, Reebs, Wucher |
Vergleichskriterien
- Personalisierbarkeit,
- Wiedererkennungswert,
- Arbeiten mit Dokumenten,
- Informationsstrukturierung,
- Informationsweiterleitung,
- Social Analytics,
- Integration in IT-Landschaft,
- Funktionserweiterung,
- Berechtigungs-Management,
- Unterstützung standardisierter Interaktion.