TK-Monopole und proprietaere Technik verhindern Erfolg Yankee Group: VSAT-Dienste in der EU machen PTTs nicht reich

22.04.1994

MUENCHEN (CW) - Ungeachtet dessen, dass einige Multimedia- Enthusiasten bereits vom Information-Highway nicht nur zu Lande, sondern auch im Weltall traeumen, haelt sich der Boom weltweiter Satelliten-Verteildienste bis dato in Grenzen. Dies gilt insbesondere fuer Europa, wo sich im Geschaeft mit VSAT-Services (Very Small Aperture Terminal) nicht einmal annaehernd der Erfolg einstellte, wie er etwa in den 80er Jahren in Nordamerika zu verzeichnen war. Zu diesem Ergebnis kommt die Yankee Group Europe in ihrer Studie "Satellite: Limited Star Potential in Europe".

"Der Markt fuer VSAT-Ausruestungen und Dienstleistungen wird gegenwaertig auf 350 Millionen Dollar geschaetzt. Seit den spaeten 80er Jahren ist dieser Industriezweig enorm gewachsen. Man geht davon aus, dass sich das jaehrliche Wachstum in den 90er Jahren bei 20 Prozent einpendeln wird", hiess es vergangenes Jahr noch in einer Marktanalyse des VSAT-Systemanbieters Scientific Atlanta; und Prognosen dieser Art stehen immer noch auf der Tagesordnung, wenn es um weltweite Satellitendienste geht.

Fuer derlei Euphorie gibt es jedoch nach Ansicht der Yankee Group Europe nur wenig Anlass - insbesondere in Europa. 66 000 interaktiven Satelliten-Empfangsanlagen (Terminals) allein in den USA stehen ganze 5500 auf dem Alten Kontinent gegenueber; ein deutliches Indiz dafuer, dass, wie die britischen Marktforscher nuechtern bilanzieren, der VSAT-Markt in Westeuropa weit hinter den in den 80er Jahren in Nordamerika geweckten Erwartungen zurueckgeblieben ist. Dort hatte bekanntlich - neben geografischen Gegebenheiten - vor allem die Zerschlagung des alten AT&T-Monopols kurzzeitig fuer enorme Nachfrage nach Satellitendiensten gesorgt und eine Vielzahl von Experten bereits einen Milliardenmarkt wittern lassen. So gingen grosse US-Konzerne, darunter einige Luftverkehrsgesellschaften, dazu ueber, nicht nur im Telefonverkehr die lokalen Vermittlungsstellen der neu entstandenen Baby-Bell- Gesellschaften zu umgehen, sondern auch wichtige DV-Applikationen (Reservierung und Ticketverkauf inklusive Datenbankanbindung an einen Zentralrechner) via Satellitennetz abzuwickeln.

Dass sich in Westeuropa keine vergleichbare Tendenz manifestierte, liegt, so die Aussage der Yankee-Group-Studie, vornehmlich in zwei Ursachen beguendet: Erstens habe die bis dato nur unzureichend umgesetzte Liberalisierung einzelner nationaler TK-Maerkte die Schaffung eines homogenen, paneuropaeischen Satellitennetzes und damit quasi die Grundvoraussetzung seines Erfolges - naemlich groesstmoegliche geografische Ausdehnung - verhindert; und zweitens fehle es aufgrund nicht vorhandener politischer, wirtschaftlicher sowie kultureller Harmonisierung schlichtweg am Bedarf fuer den Alten Kontinent umspannende Satellitendienste. Einzige Ausnahme sei hier Osteuropa - aber auch nur so lange, wie dort entsprechende terrestrische Infrastrukturen fuer die Geschaeftskommunikation, vor allem in den Bereichen Telefondienst und LAN-to-LAN-Interconnection, fehlten.

Die Crux des VSAT-Dienstes ist, wie es in der Studie weiter heisst, die Tatsache, dass die Satellitenkommunikation - neben allen politischen und regulatorischen Schwierigkeiten - immer mit terrestrischen Netzen beziehungsweise neuerdings auch verstaerkt mit digitalen Funknetzen konkurrieren und dabei zumindest in Europa zwangslaeufig den kuerzeren ziehen muss. So sei beispielsweise in dem bei VSAT-Uebertragungen moeglichen Geschwindigkeitsbereich von 64 Kbit/s ein terrestrisches X.25-Netz fuer die meisten Anwender die sinnvollere Loesung - weil preisguenstiger und nicht proprietaer beziehungsweise herstellergebunden. Hinzu komme das technische Problem der immer wichtiger werdenden Integration von interaktiver Sprach- und Datenuebertragung in einer Netzinfrastruktur. Nicht verstecken muessen sich die VSAT-Dienste hingegen beim Thema Ausfallsicherheit, wo nach einer in der Studie zitierten Untersuchung der European Association of Information Services (Eusidic) paneuropaeische X.25-Netze deutlich schlechter abschneiden.

Soll sich das VSAT-Business in Europa - ausgenommen die momentane Wachstumsnische Osteuropa - doch noch zu einem dauerhaft lukrativen Marktsegment in einer mit Nordamerika vergleichbaren Groessenordnung entwickeln, sind, wie die Yankee-Group-Experten anmahnen, jedoch dringend weitere Schritte in Sachen Liberalisierung und Deregulierung angesagt. Erste Massnahmen der EU-Kommission wie etwa die Oeffnung des Satellitenfunk-Terminal- Geschaeftes (1988) fuer private Hersteller oder die seit 1990 in den einzelnen EU-Mitgliedslaendern unterschiedlich praktizierte Erteilung von Betreiberlizenzen koennen hier, wie es in der Studie heisst, nur der Anfang sein. Gefordert seien dabei in erster Linie eine weitergehende technische Harmonisierung der verfuegbaren proprietaeren Techniken, die vollstaendige Oeffnung des sogenannten "Ground Segments" (erdgebundene Vermittlungsstellen und Empfangsanlagen) fuer private Hersteller und Anbieter sowie die uneingeschaenkte Moeglichkeit zur Sprachuebertragung via Satellit im Einklang mit der fuer 1998 vorgesehenen Aufhebung des Telefondienstmonopols.

Bezueglich der Durchsetzung ihres Forderungskataloges sehen die Marktforscher der Yankee Group Europe jedoch eher schwarz, zumindest was die in letzter Konsequenz auch anstehende Freigabe entsprechender Hertz- beziehungsweise Gigahertz-Frequenzen betrifft. Die in Europa nach wie vor tonangebenden PTTs wehren sich, wie es im Schlusskapitel der Studie heisst, mit Haenden und Fuessen gegen eine Schleifung ihrer quasi letzten Bastion im Weltall, von der sie momentan noch im gleichen Masse profitieren wie etwa bei der Vermietung terrestrischer Trunks an private Netzbetreiber oder an grosse Firmenkunden. Unabhaengig davon wird es in Europa, so das Fazit der Studie, auch in Zukunft nur ein begrenztes Marktpotential fuer VSAT-Dienste geben, nicht zuletzt aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung oeffentlicher terrestrischer Netze sowie einer - auch fuer die kuenftigen paneuropaeischen Datenautobahnen - unweigerlich kommenden Tarifanpassung nach unten.