TK-Branche fehlt es an Ideen

02.11.2004
Zwischen Investoren und der TK-Branche klafft ein tiefer Riss. Während die einen neue Geschäftsmodelle fordern, haben die anderen nur Sparen und Abwarten im Sinn.

Das Vertrauen der Finanzmärkte in die gesamte Telekommunikationsindustrie ist tief erschüttert. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young unter 47 Topmanagern bei Investmentfirmen, Banken sowie der TK-Branche in Europa. Der Vorwurf der Investoren an die Netzbetreiber lautet, nur noch zu reagieren. Statt geeignete Geschäftsmodelle zu entwickeln, würden die Carrier in einer Warteposition verharren. Verantwortlich für dieses Klima der Unsicherheit, so die Studie, seien vor allem Überkapazitäten, der technische Wandel sowie unvorhersehbare regulatorische Eingriffe.

Besonders auffällig an den Resultaten der Befragung ist, dass Netzbetreiber und Investoren völlig unterschiedlicher Ansicht darüber sind, wie die Branche aus der Talsohle kommen könnte. Nur in der Kundenzufriedenheit als wichtigstem Ziel der Anbieter besteht zwischen beiden Lagern weitgehend Konsens. Allerdings stellt Gerhard Müller, Leiter des Bereichs Technology, Communications und Entertainment bei Ernst & Young, den Providern kein gutes Zeugnis hinsichtlich ihrer Kundenorientierung aus: "Wie sie Kunden gewinnen und halten können, davon hat die Mehrzahl der Unternehmen keine klare Vorstellung - sie wissen schlichtweg nicht, wohin die Reise geht", kritisiert er die Branche.

Neue Strategien gefordert

Den tiefen Riss zwischen den Netzbetreibern und Kapitalgebern spiegelt die unterschiedliche Einschätzung wider, welcher Weg einzuschlagen ist. Über die Hälfte der befragten Investoren und Banken hält eine neue strategische Ausrichtung der TK-Unternehmen für unverzichtbar, von den Netzbetreibern ist jedoch nur ein Viertel dieser Meinung.

Auch bei den Bewertungsstandards klafft eine große Lücke, die eine Kommunikation zurzeit erschwert. Die Betreiber halten die Rentabilität für die wichtigste Kennzahl zur Bewertung der Wertschöpfung, gefolgt von Cashflow, Rendite und Return on Investment (RoI). Dagegen ist auf Seiten der Investoren der Cashflow der wichtigste Messwert, gefolgt von Rendite, dem RoI und der Rentabilität.

Der Umfrage zufolge sehen fast die Hälfte der Geldgeber und Banken Voice over IP (VoIP) als Wachstumsmotor für die Branche, 35 Prozent drahtlose Anwendungen und 30 Prozent die Funktechniken Wimax und WLAN. Bei den Carriern haben hingegen Breitbandtechniken Priorität, gefolgt von VoIP und drahtlosen Anwendungen.

Nach Ansicht von Ernst & Young müssen sich die traditionellen Netzbetreiber dem Thema VoIP offensiver stellen, auch wenn es ihre derzeitigen Umsätze mit der klassischen Telefonie gefährde. Darüber hinaus prognostizieren die Wirtschaftsspezialisten für den Markt der alternativen Netzbetreiber, die unter Überkapazitäten und Preiskrieg leiden, eine weitere Konsolidierung. Den Mobilfunkanbietern im Speziellen, aber auch den anderen Marktsegmenten rät die Studie, stärker mit ausländischen Partnern zu kooperieren oder zu expandieren.

Nur knausern bringt nichts

Die Anbieter, so Ernst & Young, müssten den Wandel von einer auf Produkten und Zeitabrechnung basierenden Industrie hin zu Providern für Services und Bandbreite aktiver nachvollziehen. "In der Vergangenheit hat die Branche verstärkt auf Kosteneinsparungen gesetzt. Damit kommen die Unternehmen nicht mehr weiter. Sie müssen sich als findig erweisen und den Kunden ins Zentrum rücken", rät Müller zu mehr Innovation. (pg)