Management-Suite für sechs Disziplinen vorgestellt

Tivoli strebt in den Mittelstandsmarkt

18.06.1999
LISSABON (jha) - Tivoli Systems Inc. weitet seine Geschäfte auf den Mittelstand aus. Die Hausmesse Planet Tivoli nutzte der Anbieter von Management-Lösungen für Großkunden, um die neue Strategie dem europäischen Publikum zu präsentieren. Sie besteht im wesentlichen aus sechs Management-Paketen inklusive Framework sowie dem exklusiven Vertrieb über qualifizierte Partner. Die Software soll sich mit kurzen Einführungszeiten gegenüber der dieses Marktsegment dominierenden Konkurrenz von Computer Associates und Hewlett-Packard behaupten.

Die IT-Welt ist in Bewegung, und sie ist heterogen. In Bewegung, weil neue Verfahren und Vertriebswege wie Supply-Chain-Management und ERP-Lösungen sowie E-Commerce und das Internet die IT-Abteilungen der Unternehmen ständig vor neue Herausforderungen stellen; heterogen, weil keines der heutigen Betriebssysteme alle anderen verdrängen wird. Den Beweis der letzten These tritt derzeit die IBM an, die mit ihrem S/390-Betriebssystem dem Mainframe zu einer Renaissance verhilft.

Diese bunte und sich schnell verändernde Landschaft, erklärte der Hersteller auf seiner Hausmesse "Planet Tivoli", will verwaltet werden. Nur so lassen sich neue Dienste für interne und externe Abnehmer von IT-Ressourcen schnell innerhalb einer zuverlässigen Installation etablieren sowie neue Aufgaben für die IT-Abteilung mit gleichbleibenden Mitarbeiterstamm bewältigen. "Die Unternehmen, egal welcher Größe, müssen sich diesem Trend stellen", lautete die Schlußfolgerung von Steve Basil, Vice-President für Field and Sales Marketing Programs bei der IBM-Tochter. In großen Unternehmen sei diese Botschaft auf fruchtbaren Boden gefallen. "95 Prozent der Top-1000-Unternehmen der Welt sind Tivoli-Kunden", wußte Jan Lindelow zu melden. Diese vom Tivoli-Chairman und -CEO präsentierte Erfolgsbilanz wirft jedoch einen Schatten auf künftige Entfaltungsmöglichkeiten der IBM-Tochter, denn ist die Ernte im Großkundengeschäft einmal eingefahren, sind die Grenzen des Wachstums erreicht.

Die IBM-Tochter plant daher, ihr Geschäft auf den Mittelstand auszudehnen, der bislang kaum Interesse an der Tivoli-Lösung zeigte. Die Ursache für diese Zurückhaltung liegt vor allem in der Struktur der Management-Plattform "Tivoli Enterprise Software" (TES). Sie ist als Lösung für sehr große, heterogene und verteilte IT-Installationen ausgelegt. Außerdem gilt sie als teuer und komplex, auch wenn Tivoli-Chef Lindelow heftig widerspricht: "Wir haben sehr viel in die Vereinfachung investiert, so daß die Software jetzt unkomplizierter einzuführen ist."

Für die Installation müssen die Anwenderunternehmen in der Regel dennoch einige Millionen Mark und viel Beraterressourcen bereitstellen. Tivoli selbst hat in der Vergangenheit etwa Zahlen bestätigt, die das Verhältnis von Lizenz- zu Einführungskosten auf eins zu zehn beziffern. Eine Gewähr auf Erfolg beinhaltet dieser Aufwand dennoch nicht. 55 Prozent der Projekte zur Einführung einer Management-Plattform scheitern laut einer Erhebung der Gartner Group.

Angesichts dieser Umstände ist das Desinteresse der Anwenderunternehmen außerhalb der Großkundenklientel keineswegs verwunderlich. Sie haben in der Regel weder die finanziellen Möglichkeiten noch die internen IT-Fachleute, um derartige Projekte zu stemmen. Zudem erwarten mittelgroße Firmen eine schnelle Amortisierung von Investitionen, und die kann die Verwaltungslösung von Tivoli derzeit nicht bieten. Laut Gartner Group verstreichen schnell einmal zwei Jahre, bevor sich ein Management-Projekt auszahlt.

Für Lindelow und seine Mannen gibt es also reichlich Hürden, die auf dem Weg in den Mittelstand genommen werden müssen. Ermutigen soll eine eigens angefertigte Studie, für die weltweit mehr als 500 Anwenderunternehmen mit 750 bis 3000 Mitarbeitern befragt wurden. Sie bescheinigt dem Anbieter, daß der Mittelstand sich inzwischen ähnlichen IT-Sorgen und -Nöten gegenübersieht wie die Großunternehmen. Beide haben sich in der Vergangenheit eine heterogene IT-Umgebung ins Haus geholt. Sie unterhalten in der Regel mehrere Niederlassungen und sind zugleich an einer zentralen Verwaltung sämtlicher IT-Systeme und Anwendungen interessiert - Probleme, die Tivoli mit seiner Plattform zu lösen verspricht.

Mit einer Studie lassen sich jedoch keine Anwender zum Kauf animieren. "Wir müssen von diesem hohen Preisniveau herunter", nennt Mike O''Rourke, Vice-President Packaged Solutions, eine der Vorgaben für eine erfolgreiche Mittelstandsstrategie. Des weiteren müsse man eine Lösung anbieten, die sich innerhalb einiger Wochen in einem Unternehmen installieren lasse.

Zu diesem Zweck bricht Tivoli die Management-Plattform TES in sechs Einzelsuites auf. Jede beinhaltet das Framework mit seinem agentenbasierten und dreistufigen Hierarchiekonzept, konzentriert sich jedoch anders als die Komplettlösung auf lediglich eine Management-Disziplin. Im einzelnen sind dies die Bereiche

- Operations-Management für das Job-Scheduling, das Backup und die Optimierung des Netzes;

- Problem-Management für die Einhaltung von Service-Level-Vereinbarungen und zur Sicherung der Verfügbarkeit der IT;

- Change- und Asset-Management zur Kontrolle der IT-Ressourcen und der Änderung der Umgebung;

- Security-Management für die Gewährleitung der Sicherheit in der Unternehmens-IT;

- Applikations-Management zur Verwaltung geschäftskritischer Applikationen sowie

- IT-Readiness-Management für das Jahr-2000-Problem.

Bei dem Vertrieb dieser Pakete rückt Tivoli vom bislang gepflegten direkten Kundenkontakt ab. "Die Management-Suite wird exklusiv von Resellern vertrieben", erklärt O''Rourke. Dieser Vertriebskanal wird derzeit aufgebaut, in Deutschland werden voraussichtlich zehn bis 20 Wiederverkäufer aktiv werden. Sie müssen in ihren Reihen fünf Fachleute mit Tivoli-Zertifikat führen, die die Implementierung vornehmen können. Dabei können sie auf vom Anbieter vorgefertigte Scripts zurückgreifen, die die Einführung der Suite erleichtern sollen.

Mit diesem Modell hofft Tivoli, einerseits einen Fuß in den Mittelstandsmarkt zu bekommen, anderseits aber auch auf Folgegeschäfte mit den gewonnenen Kunden. "Die Partner führen das Modul ein und bringen es zum Laufen. Ist der Kunde zufrieden und sieht den Return on Investment, können wir die Lösung ausweiten", beschreibt O''Rourke den Plan. Dabei ist die Preisgestaltung so ausgelegt, daß für Unternehmen mit 5000 Mitarbeitern die Einführung einer Suite finanziell günstiger ist als die Implementierung der gesamten Management-Plattform. Will er jedoch zwei Management-Pakete, ist die Installation des kompletten Funktionsumfangs lohnender.

Tivoli sieht sich in diesem Markt nicht nur einer zurückhaltenden Klientel gegenüber, sondern auch einer starken Konkurrenz. Laut O''Rourke tun im Mittelstand häufig der "Sunnet Manager" von Sun Microsystems und "Spectrum" von Cabletron ihren Dienst. Beide Lösungen sind für das Netz-Management geschaffen und Cabletrons Produkt ist in die Tivoli-Plattform integrierbar.

Doch die Gartner Group hat Wettbewerber von einem anderen Schlag ausgemacht. Die Analysten sehen diesen Markt von Computer Associates (CA) und seiner Plattform "Unicenter TNG" sowie von Hewlett-Packard (HP) mit "Openview" besetzt. Eine herausragende Rolle gestehen sie HP zu, das laut Gartner Group in 70 Prozent der Unternehmen präsent ist. Für Lindelow ist das Vergangenheit: "Es ist richtig, daß dieser Markt bislang von HP und CA dominiert wurde." Mit der Management-Suite und einem langen Atem glaubt er das Verhältnis zu Tivolis Gunsten verändern zu können. "Tivoli wächst heute sehr schnell. Es hat etwas gedauert, bis wir das geschafft hatten. Das gleiche Szenario wird es im Markt für mittelgroße Unternehmen geben", zeigt sich der Tivoli-CEO zuversichtlich.