Big Blue kauft Know-how fuer objektorientiertes System-Management

Tivoli soll IBMs Karat neuen Glanz verleihen

09.02.1996

IBM wird saemtliche Aktien von Tivoli Systems zum Gesamtwert von 743 Millionen Dollar aufkaufen. Das entspricht einem Wert von 47,5 Dollar je Anteil. Bislang lag der Aktienkurs von Tivoli in der Regel deutlich unter 40 Dollar. Insgesamt zahlt Big Blue das 15fache des Tivoli-Umsatzes von 49,6 Millionen Dollar.

Tivoli soll ersten Stellungnahmen zufolge nicht in die IBM-Organisation eingegliedert werden, sondern einen aehnlich autonomen Status wie der Groupware-Spezialist Lotus erhalten. So bleiben CEO Frank Moss und sein Stab in Amt und Wuerden. Aufgrund dieser Uebernahmebedingungen wird der Deal von den Marktbeobachtern der International Data Corp. (IDC) positiv bewertet.

"Die Uebernahme ist zwar teuer, lohnt sich aber", urteilt Brian Burba, IDC-Analyst fuer den Bereich verteilte Management-Loesungen. Tivoli vefuege ueber objektorientierte Techniken, die ein umfangreiches Funktionsspektrum von der Leistungsueberwachung ueber Systemverwaltung bis zur Problembeseitigung bieten, unterstuetze eine Reihe unterschiedlicher Plattformen und verfuege zudem ueber langjaehrige Erfahrungen in diesem Markt.

Zur Aufgabe von Tivolis Eigenstaendigkeit ist es laut Burba wegen Ueberlastung im Projektgeschaeft gekommen.

Hatten die Dienstleistungen vor zwei Jahren noch 52 Prozent des Umsatzes ausgemacht, so waren es 1995 bereits 71 Prozent der erwirtschafteten 49,6 Millionen Dollar (Gewinn 5,5 Millionen Dollar). Als IBM-Tochter hat das 320 Mitarbeiter starke Softwarehaus nun Zugriff auf die rund 1000 IBM-Spezialisten, die im Bereich System-Management arbeiten, und kann sich wieder intensiver der Produktentwicklung widmen.

Insider vermuten, dass IBM mit dem Kauf ein ruecklaeufiges Geschaeft sowie Entwicklungsrueckstaende bei dem Projekt "Karat" wettmachen will. Unter dieser Codebezeichnung arbeitet die IBM an einer umfassenden objektorientierten System-Management-Umgebung, in die klassische Produktpakete wie "Netwiew" und "Systemview" eingebunden werden sollen. Dasselbe soll nun mit dem "Tivoli Management Environment" (TME) geschehen.

Funktionsueberschneidungen zwischen den grossrechnerorientierten IBM-Produkten und dem aus der Unix-Welt stammenden TME gibt es nach IBM-Angaben lediglich in den Bereichen der Leistungsanalyse und Softwareverteilung. Inwieweit Anpassungen der Messaging-Verfahren an IBMs System Object Model (SOM), eine Implementierung des offenen Corba-Standards, noetig sind, ist noch offen.

System-Management ist ein lohnendes Geschaeft. Insgesamt wurden dafuer im vergangenen Jahr mehr als sechs Milliarden Dollar ausgegeben, daran ist die IBM mit einem Umsatz von ueber einer Milliarde beteiligt. Vor allem aufgrund der komplexen Client-Server-Umgebungen erwartet Big Blue in den kommenden Jahren eine Vedoppelung dieses Marktes.