Weitere Übernahmen geplant

Tiscali ordnet sein Geschäft neu

30.03.2001
HANNOVER (wh) - Der italienische Tiscali-Konzern ordnet sein Geschäft neu. Mit zwei getrennten Unternehmen für Privat- und Geschäftskunden in Deutschland will das Management Ressourcen bündeln und hierzulande zum drittgrößten Internet-Service-Provider (ISP) aufrücken. Europaweit soll sich Tiscali zur führenden Internet-Company entwickeln.

"Wir sind ein europäisches Unternehmen, kein italienisches." Mit diesen Worten machte Renato Soru, Gründer und Executive Chairman von Tiscali Spa, die internationalen Ambitionen des Internet-Providers deutlich. Europaweit will der Manager das größte Unternehmen im Bereich Internet-Communication aufbauen. Weitere Übernahmen seien in Kürze zu erwarten. Nach dem Kauf von World Online im Dezember 2000 und dem Erwerb der französischen Liberty- surf kann der Konzern mit Hauptsitz im sardischen Cagliari eigenen Angaben zufolge 10,7 Millionen Kunden vorweisen und wäre damit der zweitgrößte Internet-Provider auf dem alten Kontinent.

Reibungslos war die Übernahme von World Online allerdings nicht verlaufen. James Kinsella, ehemaliger Vorstandsvorsitzender des niederländischen ISP und später CEO von Tiscali, nahm im Februar seinen Hut. Wenige Tage später hatte auch Pierre Besnainou, CEO von Libertysurf, seinen Rücktritt erklärt.

Ein ausgeglichenes Geschäftsergebnis erwartet Soru erst in der zweiten Jahreshälfte 2001. Im Februar hatte Tiscali Kosteneinsparungen um bis zu 600 Millionen Euro angekündigt, die unter anderem durch einen rigorosen Stellenabbau erreicht werden sollen.

Im deutschen Markt soll sich der Internet-Provider innerhalb von zwölf Monaten als drittstärkster Player etablieren, so Soruweiter. Dabei helfen werde eine organisatorische Trennung der Geschäftsbereiche für Privat- und Geschäftskunden. Letztere werden künftig von der Tiscali Business GmbH mit Sitz in Dreieich bedient. Darin sind die Aktivitäten des einstigen Gemeinschaftsunternehmens aus World Online und Nacamar gebündelt. Als Geschäftsführer agiert Carl Mühlner, der schon die World Online Nacamar Deutschland GmbH leitete.

Mühlner sieht den Schwerpunkt von Tiscalis B-to-B-Angeboten in netzwerkzentrierten Dienstleistungen. Dazu zählten die elektronische Verteilung von Content und Applikationen ebenso wie Sicherheitslösungen für das Web. Daneben offeriert Tiscali Verfügbarkeitsgarantien für bestimmte Netzdienste und so genannte Value Added Communication Solutions, beispielsweise Voice over IP.

Schwieriger als das Profisegment dürfte sich für die Italiener die Bearbeitung des Privatkundenmarkts gestalten. Hier konkurriert der Konzern mit den Schwergewichten Telekom/T-Online und AOL. Joachim Schlange, Leiter der für dieses Segment verantwortlichen Tiscali GmbH in München, will dazu die "Wertigkeit des Portals steigern". Ähnlich wie T-Online plant auch er, künftig attraktivere Inhalte von Partnern aus der Medienindustrie anzubieten. Im Gegensatz zur Telekom-Tochter, die gerade eine Content-Kooperation mit dem ZDF angekündigt hat, konnte Schlange allerdings noch keinen prominenten Partner vorweisen.

Mit rund 1,2 Millionen Abonnenten stehe man in Deutschland gegenwärtig auf Platz fünf der ISPs, berichtete der neue Geschäftsführer. Ziel sei es, auf Rang drei vorzurücken. Wie T-Online sieht sich indes auch Tiscali mit einem defizitären Zugangsgeschäft konfrontiert. Dieser Bereich müsse rentabel werden, so Schlange: "Wir haben die Preisuntergrenze erreicht." Eine weitere Parallele zum deutschen ISP ergibt sich durch die Konzentration auf neue Einnahmequellen. Auch Tiscali will, kaum überraschend, die Umsätze aus E-Commerce und Online-Werbung steigern.

T-Online und ZDF: Vorbild für Tiscali?Gemeinsam mit dem ZDF will die Telekom-Tochter ein werbefreies Nachrichtenportal aufbauen und dort Inhalte des Fernsehsenders exklusiv vermarkten. Im August soll der Nachrichtendienst "heute.t-online.de" ans Netz gehen. Mittelfristig wolle man den Dienst als das führende deutsche Nachrichtenportal etablieren, verkündete Telekom-Chef Ron Sommer. Das ZDF wird den bestehenden Vertrag mit dem US-Sender NBC und Microsoft bis zum Start des neuen Portals auflösen, erklärte Intendant Dieter Stolte. Das bedeutet das Ende des Internet-Nachrichtendiensts MSNBC.

T-Online erhält exklusive Vermarktungsrechte an den Nachrichteninhalten des ZDF. Laut Medienstaatsvertrag darf der öffentlich-rechtliche Sender keine Werbung für seine Inhalte im Internet treiben; für die Finanzierung eines Online-Auftritts bleibt deshalb nur der Weg über einen Partner. Für den Darmstädter Provider ergibt sich daraus der Nachteil, keine Werbeanzeigen auf dem neuen Portal verkaufen zu dürfen. T-Online-Chef Thomas Holtrop hofft jedoch, über attraktivere Inhalte mehr Benutzer auf die T-Online-Seiten zu locken und die Verweildauer dieser Besucher zu erhöhen.

Wegen schlechter Geschäftsergebnisse war T-Online in den vergangenen Wochen immer wieder in die Kritik geraten. Der neue Vorstandsvorsitzende Holtrop hatte zwar kürzlich mit großem Marketing-Getöse eine strategische Ausrichtung auf das Portalgeschäft angekündigt, konnte jedoch bis dato keinen Partner vorweisen, der die dringend benötigten Inhalte liefert.

Nach der Ankündigung legte der Kurs der T-Online-Aktie kurzfristig zu, sackte dann aber wieder ab. Ob die Partnerschaft mit dem ZDF dazu angetan ist, dem Papier auf längere Sicht Auftrieb zu verschaffen, wird in Finanzkreisen bezweifelt. Ein Content-Partner allein wird kaum ausreichen, den angekündigten Wandel vom Internet-Service-Provider zum "Internet-Medienhaus" zu schaffen. Holtrop versprach, weitere Partnerschaften würden folgen.