Tipps für ein erfolgreiches Enterprise 2.0

04.07.2007
Von Jochen Günther 
Die Begeisterung über das Web 2.0 schwappt auch in die IT-Industrie und Anwenderunternehmen. Insbesondere beim Aufbau von Communities werden aber viele Anfängerfehler gemacht.

Die Begriffe Web 2.0 und Social Software beherrschen die aktuelle Diskussion über den Einsatz kollaborativer Technologien in Unternehmen. Web 2.0-Anwendungen ermöglichen es beispielsweise den Mitarbeitern, unkompliziert direkt in Kontakt zu treten und Wissen selbst auszutauschen.

Technologisch-organisatorisch spielen vor allem Weblogs (kurz: Blogs), Wikis oder Communities, also virtuelle Gemeinschaften, eine wesentliche Rolle. Erstere bieten ein einfaches Management von digitalen Inhalten, in Form eines chronologisch sortierten Journals oder als Multinutzer-editierbare Seitensammlung. Communities können dazu beitragen, im Unternehmen existierende Kompetenzen transparent werden zu lassen sowie Beziehungen zwischen Mitarbeitern zu etablieren. Dabei gehen die Leistungen einer Community weit über die eines typischen Portals hinaus. So bieten sie meist Gruppen- oder Forenfunktionalitäten für den Erfahrungsaustausch. Ihre Mitgliederverzeichnisse geben einen Überblick über beteiligte Personen und Kompetenzen.

In der Regel stammt in einer Community der größte Teil der Inhalte von den Mitgliedern und wird nur zu einem geringen Anteil von einer Redaktion erstellt. Sie realisieren damit einige wesentliche Aspekte des Web 2.0 und stellen nach Hagel und Armstrong ("Net gain") eine "Virtual Community" dar.

Die Bandbreite von Unternehmen, die diese Technologien intern und extern einsetzen, reicht dabei vom kleinen Mittelständler bis zu Großunternehmen. So etablierten Sun Microsystems oder SAP bereits erfolgreich Communities in ihren Unternehmen. SAP hat beispielsweise seine öffentliche "Business Process Expert Community" für Geschäftsprozess-Experten im April dieses Jahres um elf branchenspezifische Foren erweitert. "Die Branchenforen der Business Process Expert Community bündeln das Know-how der Experten und zeigen unseren Kunden, wie sie ihre Geschäftsprozesse mit SOA optimieren und die Herausforderungen ihrer Branche bewältigen können", betont Zia Yusuf, Executive Vice President Global Ecosystem and Partner Group bei SAP.

Ganz wie in der realen Welt entstehen damit in Unternehmen Gemeinschaften verschiedenster Art, die den Meinungs- und Wissensaustausch in Unternehmen verbessern. Aber auch jenseits der Firmengrenzen können sie zur Imageförderung und als Maßnahmen der Kundenbindung eingesetzt werden.

Virtuelle Gemeinschaften sind damit zu geschäftlichen und kommunikativen Ballungszentren geworden. Darüber hinaus liegen die Vorteile der dafür genutzten Werkzeuge darin, dass diese Anwendungen wenig Geld kosten, intuitiv bedienbar sind und sich meist mit relativ geringem Aufwand implementieren lassen.

Das Web 2.0 sollte jedoch nicht allein aus technischer Sicht betrachtet werden, für die Umsetzung solcher Anwendungen ist die Berücksichtigung organisatorischer Aspekte wesentlich. Dann bietet der Einsatz von Collaboration-Tools eine ganze Reihe von Vorteilen: Intern können sie die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch der Mitarbeiter untereinander verbessern, extern bieten Communities neue Möglichkeiten, um Kunden zu binden und die Glaubwürdigkeit von Marken zu verbessern. Trotz der scheinbaren Einfachheit dieser neuen Anwendungen erfordert ihr Einsatz die Beachtung einiger Grundregeln. Die wichtigsten Erfahrungen, die das Fraunhofer IAO in den letzten zehn Jahren in verschiedenen Kundenprojekten für Politik, Wissenschaft und Industrie gewinnen konnte, sollen nachfolgend skizziert werden.

Beteiligung als K.o.-Kriterium: Der Aufbau von Communities ist in hohem Maße von der Mitwirkung und Beteiligung der Mitarbeiter abhängig. Die Erfahrung zeigt, dass nicht wenige Communities an diesem Punkt scheitern. Durch ein aktives Technologie-Management kann dieses Ziel erreicht werden.

Anreizsysteme müssen an die Zielgruppe angepasst sein: Um eine hohe Beteiligung zu erreichen, sollte gezielt über Anreize nachgedacht werden. Aktive Mitarbeiter, die sich stark in der Community engagieren, müssen Anerkennung erfahren und gegebenenfalls Auszeichnungen bekommen. Auf organisatorischer Ebene kann beispielsweise eine Verzahnung mit den Zielvereinbarungen eines Mitarbeiters helfen, auf technischer Ebene kann so etwas durch die Bewertung oder Kommentierung von Inhalten durch die Nutzer ermöglicht werden.

Mit sanftem Zwang zur kritischen Masse: Je nach Organisation und Umfeld kann in der Anfangsphase auch "sanfter Zwang" das Zusammenkommen einer kritischen Masse von Beiträgen und Teilnehmern für eine solche Community unterstützen. Zum Beispiel kann es sinnvoll sein, bestehende Abläufe oder Prozesse nur noch über die Community abzubilden. Dieses Vorgehen hilft über die anfängliche Hemmschwelle hinweg.

Personalisieren, personalisieren, personalisieren: Eine gute Community hat keine anonymen Beiträge, sondern aktive Beteiligte, die sich mit ihren Beiträgen identifizieren. Die Möglichkeit zur Steigerung der eigenen Reputation eines Teilnehmers ist oftmals der stärkste Anreiz für ein Engagement. Das Ansehen erarbeitet sich ein Teilnehmer primär über die Qualität und Quantität seiner Beiträge, die automatisiert ausgewertet werden können.

Kultur der Offenheit: Die Einführung von Communities in Organisationen, das Prinzip "Jeder kann Inhalte einstellen ohne zentralisierten Redaktionsprozess", erfordert Mut und Offenheit. Eine grundlegende Voraussetzung, dass eine solche Plattform angenommen wird, ist, dass im Unternehmen auch insgesamt eine Kultur des Vertrauens und des offenen Meinungsaustauschs gepflegt wird.

Eine gute Community kontrolliert sich selbst: Die Furcht vor destruktiven Beiträgen in Communities ist noch immer einer der Hauptgründe für Unternehmen, davon Abstand zu nehmen. Eine große Zahl an Teilnehmern stellt nicht nur kontinuierlich Beiträge ein, sondern relativiert auch durch die rege Teilnahme negative Äußerungen innerhalb kürzester Zeit. Communities haben also einen Mechanismus der Selbstkontrolle. Zentralisierte Redaktionsprozesse, die lediglich stichprobenartig Beiträge prüfen können, besitzen nicht die gleiche Effektivität.

Nutzernahe Spezifikation und Rapid Prototyping: Die Spezifikationsphase, die Bedienung und Weiterentwicklung des Systems sind weitere wichtige Punkte für eine erfolgreiche Umsetzung. Unverzichtbares Hilfsmittel von großer Bedeutung in der Spezifikationsphase ist die Verwendung sogenannter Mock-ups. Anhand von bildhaften Entwürfen wird die grundlegende Funktionalität der Community-Plattform gemeinsam mit den Nutzern spezifiziert. Eine möglichst frühe Nutzung der Web-2.0-Anwendungen im prototypischen Betrieb hilft Anwendern, die Funktionen zu verstehen und Fehlentwicklungen zu vermeiden.

Keep it simple, stupid: Bei Communities handelt es sich um Web-Anwendungen, mit denen viele Nutzer in Berührung kommen. Sie haben unterschiedliche Vorkenntnisse im Umgang mit Internet-Technologien. Absolute Bedienerfreundlichkeit, selbsterklärende Einfachheit und glasklare Nutzenkommunikation sind daher ein absolutes Muss. Registrieren, Navigieren und Erstellen von eigenen Beiträgen muss von jedem Nutzer ohne Vorkenntnisse möglich sein.