Integrationstechniken sollen auch nach Übernahme separat angeboten werden

Tibco zögert Integration von Staffware hinaus

30.07.2004

Rund 217 Millionen Dollar ließ sich Tibco im April den Kauf der britischen Staffware kosten. Dafür gewann der Hersteller aus dem kalifornischen Palo Alto laut Analystenmeinung vor allem potenzielle Kunden und Partner in Europa hinzu. Trotz des neuen offiziellen Namens Tibco BPM Group stehen jedoch die Zusammenführung der sich überlappenden Angebote und die Vertriebsstrategie beider Anbieter noch am Anfang.

Eine jetzt vorgestellte Roadmap zumindest betont mehr die Stärken der einzelnen Produkte statt die bei der Übernahme beworbenen Vorteile einer Kombination beider Angebote. So soll Staffwares "Process Suite" zur fachlichen Integration und Automatisierung von Workflows und Geschäftsprozessen als separates Angebot für BPM vermarktet werden, während Tibco sein Kernprodukt "Businessworks" auch weiterhin als Plattform für eine technische Anwendungsintegration (Enterprise Application Integration = EAI) positioniert.

Für Jesco Schumann, Vice President Services Industries Deutschland beim Staffware-Partner Capgemini, gibt die zweigleisige Vermarktung Sinn, da beide Hersteller unterschiedliche Anwendergruppen und Branchen ansprechen.

In Deutschland, wo Capgemini exklusiv für Staffware die Versicherer betreut, kennt Schumann denn auch keine gemeinsamen Kunden. Auch bedeute die Übernahme für bisherige Anwender und Partner von Staffware seiner Ansicht nach zunächst wenig. Zwar hatte Tibco 1999 durch die Übernahme der Xerox-Tochter Inconcert einen Einstieg ins BPM-Geschäft versucht und bietet die Software seitdem unter dem Namen "Businessworks Workflow" als Zusatzmodul an. Faktisch sei der Hersteller laut Schumann aber mit dem Produkt am Markt gescheitert und versuche deshalb nun mit Staffware einen Neuanfang.

Erste Versuche mit Inconcert

Matt Quinn, Director of Technology bei Tibco, erklärte im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE, dass Inconcert lediglich als Erweiterung von Businessworks zur Integration manueller Prozessschritte genutzt wurde, aber nicht für BPM. "Technisch gibt es Ähnlichkeiten zu Staffware, aber nicht im Gebrauch." Grundsätzlich bestehe im Markt bis heute ein großes Missverständnis bezüglich BPM, sagte Quinn. Auch Tibco habe noch vor zwei Jahren geglaubt, ein Anbieter von BPM-Technik zu sein. Tatsächlich ermögliche EAI seiner Ansicht nach in erster Linie nur eine Automatisierung vorhandener Prozesse und könne über eine einfache Oberfläche "mit bunten Kästen" einige Prozessschritte abbilden. Staffware bringe hingegen ein viel tieferes, Business-orientiertes Prozessverständnis im Produkt mit.

Quinn räumte ein, dass es zwischen Tibco und Staffware Überschneidungen gebe, da beide Integrationsplattformen beispielsweise einen Präsentations-Layer hätten. Die Core Engines seien hingegen verschieden. Tibco wolle beide Produktlinien fortführen, allein schon um keine Branchenkunden zu verunsichern. So bleiben die bisherigen Abteilungen für Service und Support vorerst getrennt, auch wenn es erste Interessenten für kombinierte Lösungen gebe. "Wir werden uns genau anschauen müssen, was jede Vertriebsorganisation am besten kann", erklärte Quinn.

Eine erste Annäherung der Portfolia soll zunächst in Form von "Shared Services" erfolgen. Die Idee dabei ist, die vermeintlichen Stärken beider Angebote wechselseitig verfügbar zu machen. So biete Tibco laut Quinn gute Funktionen für das Monitoring und Management der eigenen Software, eine leistungsfähige Infrastruktur für den Entwurf, Einsatz und Steuerung von Geschäftsprozessen, ein Portal, das die aktuellen Java-Portlet-Spezifikationen verwende, sowie Funktionen zur Prozesskontrolle, neudeutsch Business Activity Monitoring (BAM). Staffwares Process Suite unterstützte hingegen die Entwicklung und Wartung von APIs sowie die Integration mit Rules Engines gut.

Zunächst Verbindungen schaffen

Bis zum vierten Quartal soll nun zunächst die Connectivity zwischen den Produkten verbessert werden. So lässt sich beispielsweise optional Tibcos Java-Messaging-Server als Infrastruktur für Staffware nutzen und über sie Nachrichten per Web-Services austauschen. Die kommende Version 3.0 der Process Suite soll zudem zusätzliche Schnittstellen zu Datenbanken und System-Management-Lösungen, einen überarbeiteten "Process Definer" sowie Linux-Support erhalten. Zum ersten Quartal 2005 kommen dann laut Fahrplan Funktionen für BAM und Portalelemente hinzu. Die Staffware-Oberfläche sei indes so mächtig, dass sie laut Quinn nicht komplett abgelöst werden soll. Parallel dazu wird zum vierten Quartal auch Businessworks überholt. So lassen sich bei einer Prozessintegration künftig auch langlaufende Transaktionen unterstützen und bei technischen Problemen IT-Mitarbeiter informieren.