Dezentrale Verarbeitung und Computer-Power im Wohnzimmer:

TI-Mini-Netzwerk contra Mainframe-HobelVon Dieter Bülow*

08.01.1982

MÜNCHEN - Nicht die Computer seien in den Unternehmen heute Diskussionsthema, sondern die Kommunikationsmethoden. So lautet ein Statement von Peter Göbel, Diplom-Mathematiker in Diensten der Unilever-Tochter UIMC. Göbel referierte auf einer Informationsveranstaltung des ADI (Landesverband Bayren) in München. Der Texas-Instruments-Anwender entwickelte ein Minicomputer-Netzwerk, das von Zulieferern des Einzelhandels für Zustelldienste benutzt wird.

"Elbe" heißt die Tochtergesellschaft von Unilever, für die UIMC unter der Projektleitung von Peter Gabel ein EDV-Konzept entwickelt und verwirklicht hat. Es beruht auf einem Netzwerk von Minicomputern. Elbe ist ein Zustelldienst für Lebensmittel, Waschmittel und ähnliche Produkte von Zulieferern des Einzelhandels. Die Idee dahinter: "Statt einer Lieferung zu einem Abnehmer Sammelzustellung für mehrere von mehreren Lieferanten." Dieser Gedanke kam während der ersten Ölkrise auf. Tourenplanung, Absatzinformationen, Sicherheitskontrolle und andere organisatorische Gesichtspunkte sollten über den Standard des konventionellen Speditionsbetriebes hinaus perfektioniert werden. Als Hilfsmittel hatte man sich die Datenverarbeitung auserkoren. Gabel sprach denn auch vor den ADI-Mitgliedern von Texas-Instruments-Produkten.

Mainframer ins Abseits

Das Elbe-Projekt erforderte die übliche Ausschreibung. Es bewarben sich knapp 30 Unternehmen. Der Vergleich von Leistung und Preis geschah Göbel-Angaben zufolge sehr sorgfältig. Texas Instruments (TI) selbst wies in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die Komponenten der bei Elbe installierten Systeme "in dem wohl größten privaten Netzwerk der Welt, nämlich dem Texas Instruments eigenem, erprobt sind".

Göbel und sein Team, ergänzt durch TI-Ressourcen (Projektleiter Wendelin Blokesch) und die in diesem Projekt als TI-Subunternehmer wirkende RGD in Berlin, Unternehmensberatung und Softwarehaus, wollten größtmögliche Distribution der Verarbeitung an die Zentral- und die Auslieferungslager. Gabel sieht in diesem Vorgehen einen Trend, der allmählich die großen Mainframes obsolet machen könne. Dabei fuße sein Konzept auf dem Industriestandard: Protokoll 3780, Sprache Cobol als Beispiel. Das TI-Datenbanksystem hat nach Aussage Göbels eine Schlüsselfunktion in der Anwendung. Beispiel: Neugestaltung umfangreicher Listen, wie Elbe sie braucht und im Handumdrehen mit Query "herauslockt", wäre in herkömmlichen Dateisystemen kaum nutzbringend und wirtschaftlich programmierbar. Die selbständigen Datenbanken der Lager kämen dabei mit 4 Megabyte aus. Programme, Kommandos und Betriebssystem belegten weitere 4 MB.

Die Konfigurationen: In zwölf Zentrallagern stehen Minicomputer der Serie TI 990 Modell 4 mit jeweils 320 KB Hauptspeicher. An sie sind jeweils zwei bis vier lokale Terminals angeschlossen. Eine Reihe von Auslieferungslagern wird jeweils von einem Zentrallager über ein entferntes Terminal bedient.

Einen Angelpunkt der weiteren Entwicklung der Datenverarbeitung sieht Gabel generell in der Akzeptanz durch die Benutzer. Sie sei nach seinen Erfahrungen häufig problematisch. Aber in diesem Fall hätten die Elbe-Mitarbeiter "fantastisch mitgezogen" - und dies sei keine Altersfrage. Einer der kreativsten Elbe-Benutzer arbeite gar jenseits der Pensionsgrenze. Gabel meint, daß dies das Ergebnis eines Versuches sei, die DV nicht nur "aufzupfropfen", sondern in Zusammenarbeit mit Management, Benutzern, Lieferanten und Abnehmern als Maßanzug für die bestehende Organisation zu entwerfen.

"Groschen" kein Problem

Der zweite Anwendungsvortrag der ADI-Veranstaltung kam von der ÖVA, einem regionalen Versicherungsunternehmen im Badischen. Diplom-Kaufmann Robert Baresel von der Zentrale in Mannheim stellte sich als "Nicht-Spezialist für EDV" vor. Er ist Schulungs- und Verkaufsförderungsleiter des Unternehmens. Seine Texas-Anwendung: Tragbare Terminals. Das Konzept wurde der Presse bereits vor zwei Jahren zum Start vorgestellt. Jetzt ging es um die Erfahrung.

Die ÖVA wollte den Außendienstmitarbeitern die "Computer-Power" im Wohnzimmer des Versicherungskunden zur Verfügung stellen. Das tragbare Terminal - Größe und Gewicht einer elektrischen Schreibmaschine entsprechend - sollte vom Telefon des Kunden aus über Akustikkoppler den Zugriff zum Zentralrechner ermöglichen. Beispiele: Wegen der konkreten Daten des potentiellen Kunden werden genaue Prämien, Rückkaufwerte zu bestimmten Zeitpunkten, Endkapital samt Gewinnausschüttung errechnet oder Deckungsbestätigungen für Kfz-Versicherungen ad hoc ausgestellt. Baresel tönte, daß die Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern gar übertroffen wurden. So habe sich die Methode beispielsweise als, "äußerst hilfreich" bei der Gegenüberstellung einer Hypothekentilgungsversicherung und einer üblichen Bankhypothek erwiesen. Trivial aber typisch: Das Terminal druckt die Gebühren aus, die die Verbindung zum Hauptcomputer der ÖVA gekostet hat. Der Vertreter soll sie dem Kunden ersetzen.

Die Methode komme laut Baresel bei der Klientel so gut an, daß kaum einer, "die paar Groschen" zurückhalten wolle. Umfangreichere Tilgungspläne könnten auf größere Entfernung allerdings auch auf vier bis sechs Mark klettern. Ausweg dafür sei seit neuestem Datex-P. TI-Portables gingen asynchron ohne, "Black box" in das Post-Paketnetz. Die ÖVA probiere es derzeit zwischen Mannheim und Karlsruhe. Pro Kunde mache dies rund dreißig bis vierzig Pfennige aus, lange Texte inklusive. Der Preis würde sich auch dann nicht ändern, wenn ÖVA im äußersten Norden der Republik akquirieren würde. Die Datex-P-Gebühren richten sich unabhängig von der Entfernung nach der Datenmenge.

* Dieter Bülow ist Fachjournalist für Datenverarbeitung in Bad Homburg