Verkauf von Plusnet an Esprit

Thyssen Telecom verabschiedet sich von TK-Carrier-Szene

22.05.1998

Mit dem Verkauf ihrer hundertprozentigen Tochter Plusnet besiegelt die Thyssen Telecom ihren Rückzug aus der Sprachtelefonie. Im letzten Jahr hatte das Unternehmen mit dem Abschied vom Mobilfunk bereits einen ersten Schritt in diese Richtung getan: Damals wurden die E-plus-Anteile an den TK-Anbieter Otelo verkauft. Jetzt streicht Thyssen Telecom endgültig die Segel vor der Carrier-Konkurrenz.

Nach Angaben von Hans-Peter Kohlhammer, dem Sprecher des Vorstands der Thyssen Telecom AG, liegt der Grund für den Deal jedoch einzig in der bevorstehenden Fusion der Konzerne Krupp und Thyssen. Die Verschmelzung der beiden Stahlproduzenten erfordere die Konzentration auf "andere Geschäftsfelder". Lediglich in Zusammenarbeit mit der Thyssen Informatik GmbH sollen auch weiterhin TK-Dienstleistungen angeboten werden, doch dies nur in Zusammenhang mit "komplexeren Kommunikationslösungen".

Esprit baut Position im TK-Markt aus

Die 1994 gegründete Plusnet Gesellschaft für Netzwerk Services GmbH hat derzeit etwa 1000 Kunden. Eigenen Angaben zufolge stammen 80 Prozent davon aus dem Mittelstand, 20 Prozent sind Großkunden. Das Unternehmen besitzt TK-Lizenzen der Klassen drei und vier, die unter anderem das Anbieten von öffentlichen Telefondiensten erlauben.

Für die bereits in acht europäischen Ländern aktive Esprit Telecom bedeutet die Transaktion eine wesentliche Stärkung ihrer Position nicht nur im deutschen TK-Markt. Das 1991 gegründete Unternehmen besitzt ein paneuropäisches digitales Netz und spezialisiert sich auf TK-Dienstleistungen für Geschäftskunden. David Oertle, Chief Executive Officer des Unternehmens, bezeichnet den Deal als einen Schritt auf dem Weg, zu einer "führenden unabhängigen Telekommunikationsgesellschaft in Europa" zu werden. Daher läßt sich Esprit die Übernahme von Plusnet 315 Millionen Mark kosten, wobei dieser Preis nach Abschluß des Geschäftsjahres (Ende September 1998) noch leicht korrigiert werden könnte. Als Ober- beziehungsweise Untergrenze für den Deal wurden 370 und 260 Millionen Mark genannt.

Plusnet wird mit der deutschen Esprit-Filiale zusammengelegt. Die Leitung der neuen gemeinsamen Gesellschaft werden Jürgen Hernichel, derzeit Geschäftsführer von Plusnet, und Bernd Buchholz, der Geschäftsführer von Esprit Telecom Deutschland GmbH, übernehmen. Nach Angaben einer Sprecherin der Thyssen Telecom ist im Zuge des Verkaufs der Tochtergesellschaft nicht mit Entlassungen zu rechnen.