Komplexere Systeme stellen höhere Anforderungen an die Systemsoftware:

Third-Party-Markt für die VAX-Welt in Sicht

21.07.1989

FRAMINGHAM (IDG) - Ein "unabhängiger" Systemsoftwaremarkt, wie er für die IBM-Mainframe-Welt existiert, fehlt im DEC- VAX-Bereich bislang. Doch je näher die VMS-Maschinen der blauen Konkurrenz in puncto Kapazität und Anwendung rücken, desto lauter wird die Nachfrage nach VAX- Systemsoftware für das Performance- und Resource-Management.

Über lange Zeit konnte die Digital Equipment Corp. (DEC) ihr Betriebssystem VAX/VMS unwidersprochen als leicht zu handhaben ausgeben - vor allem im Vergleich zum IBM-Produkt MVS. In der Vergangenheit haben die Anwender ihre VAX-Systeme teilweise auch in Ad-hoc-Manier gemanagt. Doch die Komplexität der Maschinenkonfigurationen und der Einsatz für kommerzielle Anwendungen erfordert ein zunehmend professionelleres Management. Und mittlerweile gibt es hier für die Entwickler von Systemsoftware etwas zu verdienen.

Mißverständnis zwischen Hard- und Software

Kevin Kalkhoven, Gründer und Chief Executive Officer des VMS- Newcomers Demax Software, begründet die gestiegene Nachfrage nach Systemsoftware für die VAX- Rechner mit dem Mißverhältnis zwischen der wachsenden Hardwarebasis und dem State of the Art des Betriebssystems, des damit fertig werden muß: Vor fünf Jahren hatte ein großes VAX-System ein paar Laufwerke und 20 bis 30 Anwender; heute ist es keineswegs ungewöhnlich, wenn zu einem System 50 bis 100

Laufwerke mit einer Million Dateien gehören. Das VMS bleibt jedoch im Prinzip dasselbe."

Wild wuchernde Hardware-Kapazitäten bringen steigende Anforderungen an das Speichermananagement und die Dateiorganisation mit sich. Diese Marktlücke haben nun auch die traditionellen Mainframe-Software-Anbieter erkannt. So stellte beispielsweise die BGS Systems Inc. kürzlich ein Performance-Planungswerkzeug für die VAX vor, das sie unter der Bezeichnung Best/1 vermarkten will.

Die aus der Fusion von Morino Associates und Duquesne Systems hervorgegangene Legent Corp. traf jetzt ein Abkommen mit der britischen UIS Ltd., das den Brückenschlag zwischen deren VAX-Tools und den eigenen IBM-Mainframe-Werkzeugen zum Ziel hat. Erst Anfang des Jahres hatte Morino seinen DEC-Geschäftszweig American Management Company (AMC) gegen eine achtprozentige Beteiligung an UIS verkauft.

Computer Associates bekundete ebenfalls sein Interesse am VMS-Markt. Nach Ansicht von Branchenkennern hat der Software-Goliath auch beim Erwerb der Cullinet Corp. vor allem deren DEC-Produkte im Auge, während die IBM-Mainframe Software wie IDMS lediglich als notwendiges Übel betrachtet würde.

Im Gegensatz zur IBM-Welt ist bei den VAXen das Werkzeugangebot für Performance-Monitoring und -Optimierung oder Resource-Management eher dürftig. Bislang können die Anwender solche Software vor allem von kleineren Unternehmen kaufen - in Deutschland beispielsweise von der Wiesbadener Tauris Data GmbH, die gerade das System-Tuning-Programm "Dynamic Load Balancer" angekündigt hat.

Einen zusätzlichen Kick könnte der VMS-Systemsoftwaremarkt durch die für dieses Jahr geplante Ankündigung der "Aridus"-VAX erhalten. Erläutert Bob Desautels, Software-Marktforscher bei der International Data Corp. mit Sitz in Framingham/Massachusetts: "Wenn die Aridus tatsächlich ein Mainframe ist, dann wird es einen Bedarf geben, die deutlich größere Speicherkapazität in den Griff zu bekommen."

In der Vergangenheit, so der US-Analyst weiter, sei DEC-Hardware relativ billig gewesen, weshalb die Anwender zumeist in mehr Speicherkapazität anstatt in Software und Personal investiert hätten. Aber seit sich das Kosten-Nutzen-Verhältnis den IBM-Mainframes annähere und DEC-Maschinen auch für kritische OLTP-Anwendungen eingesetzt würden, gehe es nicht mehr ohne ein Resource-Management.

Allerdings versucht die Analystengilde bereits, einer allzu optimistischen Einschätzung von seiten der Softwarehäuser gegenzusteuern. So zum Beispiel Christian Christianson, Direktor der Midrange Systems Stragies Group bei der Meta Group mit Sitz in Westport/Connecticut; er hält es für möglich, daß DEC die eigenen Systemsoftware-Angebote verbessern und möglicherweise sogar Resource-Management-Utilities mit VMS koppeln könnte. Ergänzt Desautels: "Außerdem könnten sich Mixed-Hardware-Anwender auch entschließen, ihre DEC-Ressourcen mit Hilfe von IBM-Tools und DEC-Interfaces zu managen."