Internet-Strategien/Tipps für den Einstieg

There is no Business like @-Business

26.05.2000
E-Business, virtuelle Marktplätze, E-Commerce - sogar die Begrifflichkeiten einer neuen Form des Wirtschaftens entziehen sich dem üblichen Sprachgebrauch. Der Sog Richtung Internet ist groß. Doch bei den neuen Geschäftsgebaren geht oft eine nüchterne Betrachtungsweise darüber verloren, welche Voraussetzungen für einen erfolgreichen Eintritt von Unternehmen ins E-Business gegeben sein müssen.CW-Bericht, Jan-Bernd Meyer

Jürgen Dreckmann beantwortet die Frage nach den größten Fehlern von Unternehmen bei der Auffahrt auf die Internet-Schnellstraße E-Business gerne mit einer Provokation, für die er nicht einmal Urheberschaft beanspruchen kann. Der Vorstand Consulting der Gauss Interprise AG aus Hamburg zitiert die Unternehmensberater von Gartner, wenn er auf folgenschwere Fehleinschätzungen verweist, die Unternehmen bei ihren Internet-Strategien immer wieder machen: "E-Business wird mein Unternehmen und dessen Geschäftsmodell nicht berühren" glauben, so die provokante These, tatsächlich noch viele Unternehmenslenker.

Einen groben Denkfehler machten ferner all die Zögerer und Zauderer in den Führungsetagen von Firmen, die der Überzeugung sind, es reiche, im E-Business-Geschäft nur mitzuschwimmen, anstatt sich an die Spitze dieser Bewegung zu setzen. Üble Folgen könne es darüber hinaus haben, sich blindlings in eine neue Geschäftsära zu stürzen unter der Annahme, ein Unternehmen auf ein E-Business-Geschäftsmodell umzustellen berge kein Risiko.

Böse Überraschungen erlebe schließlich, wer glaubt, der eigene Mitarbeiterstab werde die mit dem E-Business-Geschäftsmodell verbundenen Herausforderungen schon allein meistern.

Zwar mag gerade bei der letzten Argumentation auch eine Portion Eigeninteresse von Gartner und auch von Gauss Interprise als Beratungsunternehmen durchscheinen. Ohne Hilfe von externen Experten dürften aber die hausinternen Ressourcen beim Schritt in das Internet-Zeitalter schnell überreizt sein. Das Beispiel des auf Seite 63 dieser Ausgabe beschriebenen erfolgreichen Internet-Projekts der Versicherungskammer Bayern beweist, wie Unternehmen solche Klippen unter Zuhilfenahme externer Fachleute umschiffen können.

Auch bei E-Business-Projekten kommt es darauf an, den richtigen Mitarbeiter auf dem richtigen Platz einzusetzen. Da bei solch einem Projekt die nötigen Kenntnisse sehr vielfältig sind - neben Systemarchitekten, Entwicklern, Grafik- und Web-Designern werden auch Marketing-, Vertriebs- und Logistikexperten benötigt -, hat die banale Wahrheit zu gelten: Nicht jeder kann alles. Ist zudem der Termindruck, den sich ein Unternehmen bei der Projektdurchführung vielleicht auch selbst gesetzt hat, sehr hoch, dann ist die Chance gleich null, Mitarbeiter noch rechtzeitig für die neuen Aufgaben auszubilden. Die vielfältigen Kenntnisse, die für ein E-Business-Projekt nötig sind, können nicht, so Gauss Interprise, innerhalb weniger Wochen erworben werden.

Gauss Interprise hat die Erfahrung gemacht, dass bei einem E-Projekt rund 90 Prozent der Arbeiten auf die Integration bestehender Hard- und Softwaresysteme entfallen, hingegen lediglich zehn Prozent auf die Neuentwicklung von Lösungen. Entsprechend ist insbesondere das Know-how von Projektleitern, System-Managern und IT-Architekten gefragt und weniger das von Programmierern.

Dreckmann, dessen Firma sich auf Softwarelösungen für im Internet aufzubauende Wertschöpfungsketten spezialisiert hat und hierzu auch Beratung anbietet, empfiehlt Unternehmen, sich zunächst zu fragen, welches die größten Vorteile für ein E-Projekt sein könnten. Das kann eine verbesserte Kundenbindung sein - genau dieses Ziel setzte sich die Versicherungskammer Bayern (VKB) für die Implementierung ihres Portals. Damit verbunden ist meistens eine erhöhte Servicequalität, die wiederum bedingt sein kann durch kürzere Reaktionszeiten. Interessant ist auch die Frage, ob das Internet- beziehungsweise E-Business-Engagement eines Unternehmens auch zur Reduktion von Kosten beitragen soll und kann. Diese Frage hatte die VKB für sich ganz klar mit Nein beantwortet.

Zum Zweiten sollten Unternehmen zwei oder drei sehr wichtige Anwendungsbereiche in ihrem Konzern finden, in denen E-Projekte kurzfristig realisiert werden können. Wichtig ist dabei, dass der Vorstand solchen Projekten eine hohe Aufmerksamkeit schenkt. Von Anfang an sollten die Projektverantwortlichen darauf achten, vorhandene Hard- und Softwarelösungen in das E-Business-Modell zu integrieren. Auch sollte man danach trachten, die Erwartungshaltung der Beteiligten in realistische Bahnen zu lenken.

Megaprojekte laufen oft aus dem RuderKeinesfalls sollte ein Unternehmen mit einem "Megaprojekt" starten, das kaum beherrschbar ist. Eine kurze Realisierungsdauer von nicht mehr als drei bis sechs Monaten sei angebracht, argumentiert Gauss Interprise. Erste Projekte geht ein Unternehmen sinnvollerweise nicht ohne Betreuung von externen Beratern an. Wichtig ist auch, dass die eigenen Mitarbeiter vor Beginn des Projekts sehr gut für die neuen Aufgaben geschult werden, falls das nötige Know-how noch nicht vorhanden ist.

Von einer ausgedehnten Evaluierungsphase raten die Experten von Gauss Interprise ab. Die anfängliche Entwicklungsumgebung trage erfahrungsgemäß nur für die ersten Projekte. An Java und verteilten Objekten komme man bei E-Business-Entwicklungen nicht vorbei, auf diese Technologien müsse man sich also beizeiten einstellen. Von allem Anfang an müsse ein Unternehmen zudem darauf achten, so viel Funktionalität wie möglich auf Server zu legen.

Sicherheit im Netz ist ein weiteres Thema, das bei E-Projekten immer im Bewusstsein eines Unternehmens verankert sein müsse. Hier gelte es zu entscheiden, welche Form geschlossener Netze (Virtual Private Networks, Extranets etc.) und welche Art der Zugangssicherung (Firewalls, elektronische Ausweise etc.) installiert werden sollen.

Nicht unwesentlich zum Gelingen eines E-Projekts trägt bei, ob und wie Entscheidungsträger für solch ein Vorhaben motiviert werden können. Dabei ist es von Vorteil, erste Projekte und deren Ziele, Kosten und aus ihnen erwachsende Vorteile klar darzustellen. Risiken sollten nicht verschwiegen, Lösungswege sowie ein Zeitplan und die benötigten Ressourcen aufgezeigt werden. Die Entscheidungsträger der Führungsetage müssen, betont Gauss Interprise, von Beginn an in Ideenfindung und Projektplan einbezogen werden. Regelmäßige Informationen über den Stand des E-Business-Projekts sind genauso wichtig als vertrauensbildende Maßnahme wie Reports über aufgetretene Probleme. Von Bedeutung ist, so Gauss-Manager Dreckmann, mit ersten Ergebnissen eines Projektes nicht zu lange auf sich warten zu lassen.

Ein Unternehmen sollte sich darüber im Klaren sein, welche Kriterien eines E-Business-Projektes dem Konzern am wichtigsten sind, und dies in einer Rangfolge festhalten. Die Kriterien müssen nachvollziehbar, ihre Zahl darf nicht zu groß sein. Geschäftliche Kriterien müssen höher bewertet werden als technische.

Auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen für ein E-Projekt müssen deutlich umrissen sein: Die Projektfinanzierung muss hier genauso Erwähnung finden wie der realistisch zu erwartende Return on Investment (ROI) und die Total Cost of Ownership (TCO), also die möglichen Einsparungen bei den laufenden IT-Kosten. Schließlich sollte sich ein Unternehmen auch einen definierten zeitlichen Rahmen bezüglich der Einführung des E-Business-Projekts setzen.

Immer wieder betonen die Berater von Gauss Interprise, dass ein E-Business-Projekt in Größe und Komplexität beherrschbar bleiben muss. Hausinterne Mitarbeiter müssen über das nötige Know-how für solch ein Vorhaben verfügen. Auch die Auswahl der richtigen externen Partner, die die Planung, Konzeption und Umsetzung flankieren, ist von Bedeutung. Fatalerweise fragen sich Verantwortliche oft gar nicht, welche Auswirkungen ein E-Business-Geschäftsmodell auf die Unternehmensstruktur hat.

Auch der technischen Infrastruktur, auf der ein E-Business-Projekt aufsetzt, sollten die Betreiber einige Gedanken widmen. Hierzu gehören Überlegungen zu einer geeigneten Server-Landschaft, die ausreichend skalierbar sein und eine hohe Ausfallsicherheit sowie ein berechenbares Lastverhalten bieten muss. Sicherheitsaspekte wie Firewalls, Protokolle oder elektronische Zertifikate sind ein weiteres drängendes Thema. Die Frage geeigneter Web- und Applikations-Server gilt es ebenfalls im Vorfeld zu lösen. Bei der Wahl der Middleware sollten der Einsatz von Object Request Brokern (ORB), Transaktions-Servern und ein geeignetes Messaging-Verfahren erörtert werden. Natürlich muss die Frage der Entwicklungsumgebung geklärt werden (Workbench, Framework).

Internet-Content-Spezialist und Unternehmensberater Dreckmann spricht auch die Gretchenfrage an, ob nämlich Unternehmen E-Business-Projekte von externen Fachleuten, also etwa Gauss Interprise, betreiben lassen sollten - und ist da durchaus kritisch in der Einschätzung. Externe Experten sollten nur dann beschäftigt werden, wenn es klare Vorgaben und exakt beschriebene Anforderungen über das Projekt gibt. Nur so bestehe Aussicht auf Erfolg.

Unabhängig vom Einsatz externer Fachleute seien darüber hinaus Spezialisten aus dem eigenen Haus mit Kenntnissen über die eingesetzten Lösungen unbedingt erforderlich. Nur in den seltensten Fällen besitze ein Berater das gesamte erforderliche Know-how für ein E-Business-Vorhaben. Dreckmann rät deshalb, ein Generalunternehmen auszuwählen, das gegenüber dem Auftraggeber die Gesamtverantwortung für das E-Business-Projekt trägt.

Eine unumstößliche Wahrheit hatten schon die Verantwortlichen des E-Business-Projekts bei der Vereinigten Versicherungskammer Bayern formuliert, als sie sagten, nach Beendigung des Projektes gehe die Arbeit erst richtig los. Genau die gleichen Töne schlagen die Experten von Gauss Interprise an: Nach Projektschluss gilt es, die E-Business-Lösung weiterzuentwickeln und zu warten. Dies könnten entweder ein externes Generalunternehmen oder eigene Mitarbeiter erledigen. Eine durchaus interessante Option könnte für Unternehmen auch sein, eine auf das E-Business-Geschäftsmodell spezialisierte Tochtergesellschaft auszugründen. So steht das erforderliche Know-how immer zur Verfügung, muss aber nur nach Bedarf zugekauft werden.

Was die Experten raten-Keinesfalls alle Geschäftsprozesse auf einmal umstellen!

-Wichtige Regeln des Projekt-Managements gelten auch im E-Business.

-Technologie wird nicht alle Probleme lösen.

-Unternehmen sollten das Potenzial neuer Märkte und die Möglichkeit, mit innovativen IT-Methoden mehr Kundenzufriedenheit zu erzielen, nicht unterschätzen.

-Der größte Konkurrent eines Unternehmens ist nicht in herkömmlichen Firmenranglisten und -bewertungen zu finden.

-E-Business bedeutet Online Transaction Processing (OLTP) mit allen seinen Anforderungen.

-Die Softwareentwicklung gehört in die Hand von Internet-Spezialisten, die Erfahrung mit objektorientierten Programmiermodellen haben.

-Middleware und eine geeignete IT-Infrastruktur sind der Schlüssel zum Erfolg.

-Und: Ablaufumgebungen im E-Business-Umfeld sind vielfach komplexer als bisher.