Der Stellenwert des DBS in der DV-Organisation:

Theoretisches Pro und praktisches Kontra zur Datenbank?

02.03.1979

In zwei Folgen wird die COMPUTERWOCHE diese Originalarbeit von Dr. Manfred Schumacher veröffentlichen. Sie setzt sich mit wissenschaftlicher Literatur zum Thema Datenbanken allgemein und insbesondere auseinander. Das Referat soll klären, wie und wo eine Datenbank in eine DV-Organisation einzuordnen beziehungsweise wie der Begriff Datenbank überhaupt zu definieren ist.

Die folgenden Ausführungen basieren auf mehrjährigen Arbeiten mit einem auf dem Dietz-Rechner 621 laufenden System. Der Versuch, die Daten auf einen anderen Rechner und auf eines der derzeit bekanntesten Datenbanksysteme zu übernehmen ergab, daß für das Aufbereiten und Auswerten der Daten nach einer solchen Umstellung mehr Personal notwendig und geringere Leistungen zu erwarten wären. Die Ursachen sind einmal die spezielle Gerätekonfiguration zum anderen aber auch die Konzeption des betreffenden Datenbanksystems.

Die Art dieser Konzeption gab den Anstoß für folgende generelle Überlegungen zu organisatorischen und begrifflichen Widersprüchen, die bei Datenbanken immer wieder auftauchen. Es erhebt sich zunächst die Frage, ob und wie die theoretisch überzeugende Idee der Datenbank auch praktisch für eine Ersparnis von Zeit, Arbeitsleistung oder Geld einsetzbar ist.

Mit guten Argumenten hat Tom Gilb dazu geschrieben: "Software für Großdatenbanken ist niemals ökonomisch gerechtfertigt." (Online-adl-Nachrichten 11/77.)

Bisher sind keine ernsthaften Gegendarstellungen bekannt geworden. Zwar stutzt sich Tom Gilb hauptsächlich auf das Datenbanksystem IMS der Firma IBM, doch kann aus Sicht der hier vorhandenen Erfahrungen für ein anderes ebenfalls sehr bekanntes Datenbanksystem Gilbs Aussage bestätigt werden.

DB-Anwendungen: modischer Trend oder praktische Notwendigkeit?

Veröffentlichte Erfahrungsberichte anderer Anwender gipfeln fast alle in Warnungen vor großen Erwartungen und Hinweisen auf zusätzlichen Personal-, Zeit- und Rechnerbedarf. Bei Installationen denen keine schriftlichen Berichte vorliegen findet man ähnliche Ergebnisse. Michael Bauer, seit Jahren Berater und Seminarleiter für Datenbankanwendungen, rückt in seiner Studie "Wann ist eine Datenbank sinnvoll?" die Datenbankanwendungen recht unverblümt in die Nähe eines Modetrends (Online-adl-Nachrichten 1-2/78). Das Faktum, daß die Datenbestände in Betrieben, Forschungsinstituten und in der Verwaltung allenthalben wachsen und einer systematischen Speicherung bedürfen, wird auch Bauer kennen. Er ist offenbar der Meinung, daß die eingesetzten Datenbanksysteme nicht immer das richtige Arbeitsmittel dafür sind.

Diesen Erfahrungen stehen theoretische Überlegungen mit hoher Überzeugungskraft für den Einsatz von Datenbanksystemen gegenüber. Die Argumente sind so gut, daß die großen Kosten für den Einsatz von Datenbanksystemen schon in vielen Fällen aufgebracht worden sind.

Wie kann es zu einer solchen Diskrepanz zwischen theoretischen Grundlagen und der praktischen Anwendung kommen?

Widersprüchliche Definition der Datenbank

Vor einer Antwort sei auf den Widerspruch um den Begriff Datenbanksystem hingewiesen. Einigkeit besteht darin, daß ein solches System die Speicherung, den Abruf und die Verwaltung von Daten erleichtern und von speziellen Anwendungen unabhängig machen soll. Es bestehen jedoch starke Tendenzen, bestimmte Betriebsweisen, zum Beispiel Online-Anwendungen für Eingabe und Abruf bei gleichzeitiger Benutzung durch mehrere Teilnehmer oder die Verwendung einer Datenbankabfragesprache als Kriterium zu nehmen. Nicht nur die Hersteller neigen zu dieser Art der Begriffsbestimmung. Der Bedarf nach systematischer Speicherung von Daten besteht aber gleichermaßen bei allen Betriebsformen der Datenanwendung, nicht nur bei Teleprocessing im Echtzeitbetrieb, sondern auch für reine Stapelverarbeitung. Die Verquickung von Funktion und organisatorischem Umfeld in einer Definition ist für sich allein betrachtet schon inkonsequent. Sie wird von Datenbanktheoretikern, zum Beispiel Hartmut Wedekind (5), auch nicht vollzogen (Datenbanksystem I und II, Mannheim 1974 und 1976), wenn man ihre Themen in den Veröffentlichungen als Kriterium nimmt; die zentralen Fragen sind dort Speicherstrukturen und Zugriffsverfahren.

Eine saubere begriffliche Trennung zwischen der Datenbank und dem Umfeld, in dem sie genutzt wird, hilft dazu, die Umstände, welche zu diesen despektierlichen Meinungen über die Wirtschaftlichkeit gewisser Datenbanksysteme Anlaß geben, besser zu analysieren. Die Schwierigkeiten mit dem Einsatz von Datenbanken liegen kaum noch bei den Speicherstrukturen und Zugriffsverfahren. Probleme gibt es einmal mit der Steuerung und Überwachung des Betriebes und zum anderen damit, den Arbeitsumfang mit dem Personalstand und den Ressourcen des Rechenzentrums (Arbeitsspeichergröße, Plattenkapazität, CPU-Belastung) in Übereinstimmung zu bringen. Diese organisatorischen Belange sind nämlich letztlich für die Leistungsfähigkeit entscheidend.

Untersucht man einen der wenigen Anwenderberichte, in dem Vorteile durch ein großes Datenbanksystem quantifiziert wurden, so stellt man fest, daß die von diesem System besonders gut unterstützte Betriebsweise des Teleprocessing im Mehrbenutzerbetrieb intensiv benötigt wurde und daß man die Änderungserlaubnis bei der Stapelverarbeitung auf ein Programm beschränkt hat, um die Steuerung zu vereinfachen. Ferner bestand ein besonderer Bedarf für die Datenkompression. Die einfache Speicherung wird gelobt, weil die (dortigen) Programmierer es vorziehen, die hierarchischen Strukturen selbst in den Programmen zu erzeugen (siehe F. A. Mayall, Experience with Adabas ... in: Database Journal Vol. 7, Nr. 2).

Nur wo das Datenbanksystem und der Anwendungsbetrieb derartig aufeinander abgestimmt werden können, sind positive Ergebnisse zu erwarten. Dabei ist es notwendig, daß bei Beschränken der Nutzungsmöglichkeiten eines Datenbanksystems sich auch der Bedarf an Systemressourcen entsprechend verringert. Konkret ausgedrückt: Für einen Abruf von Daten aus der Datenbank für die Weiterverarbeitung in einem Anwenderprogramm mußte ein Modul von wenigen KB genügen, das den übrigen Rechenbetrieb so wenig belasten würde wie irgendein Unterprogramm. Und die Einarbeitungszeit für einen solchen Anwendungsfall mußte sich in Stunden ausdrucken lassen.

In der nächsten COMPUTERWOCHE diskutiert der Autor abschließend fünf Problemkreise, die Einfluß auf die organisatorische Eingliederung eines Datenbanksystems in ein Rechenzentrum haben.

* Dr Manfred Schumacher ist DV-Organisator und Datenbankverwalter an der Bundesanstalt für Gewässerkunde in Koblenz.