Asienkrise I: Nur Branchenführer IBM tanzt aus der Reihe

Thailand: IT-Hersteller feilen am Preis und am Service

25.09.1998

Als sich im Juli 1997 dunkle Wolken über den bis dahin boomenden asiatischen Tigerstaaten bildeten und sich wenige Monate später in dem bislang größten Finanzgewitter entluden, schlitterte auch Thailands IT-Industrie in eine Krise. Erste unmittelbare Auswirkung: Das vergleichsweise bescheidene Volumen des thailändischen IT-Marktes blieb 1997 mit 1,4 Milliarden Dollar bereits deutlich hinter dem Vorjahr (1,6 Milliarden Dollar) zurück. Nach Einschätzung von IDC wird es mindestens drei Jahre dauern, bis sich die dortige - nicht nur, aber vorwiegend aus Tochterfirmen US-amerikanischer IT-Giganten bestehende - Computerbranche vom bislang schwersten Wirtschafts-Crash erholt hat. Immerhin gibt es kaum ein IT-Unternehmen in dem rund 60 Millionen Einwohner zählenden Land, das von der Finanzkrise verschont geblieben ist.

Aus diesem Grund suchen die betroffenen Firmen nach Lösungen, um das Ausmaß der Krise in Grenzen zu halten. HP beispielsweise räumt Vertriebspartnern größeren Handlungsspielraum ein und will auch von der strikten Preisbindung abrücken. Innerhalb eines festgelegten Rahmens können jetzt auch lokale Händler bei der Preisgestaltung mitentscheiden. Hinzu kommt: Während vor Beginn der Währungsturbulenzen vorwiegend global ausgerichtete Unternehmen adressiert wurden, liegt der Fokus von HP heute auch auf kleinen und mittelständischen Firmen. Zudem planen die Kalifornier, ihre Preise einzufrieren; fakturiert werden soll jedoch weiterhin in thailändischer Währung.

Um den spürbaren Umsatzeinbruch im thailändischen Markt wettzumachen, hält beispielsweise Datenbank-Spezialist Oracle nach neuen Branchen Ausschau. Grund: Die mehr oder weniger traditionellen Märkte der Ellison-Company, nämlich Banken, Regierung und Einzelhandel, sind abgegrast. Und natürlich will der Softwareriese wie viele andere IT-Player auch das eigene Serviceangebot verstärken. Auch an der direkten Kundenfront gibt es bei den thailändischen Oracle-Aktivitäten nichts fundamental Neues: Man zeigt sich in puncto Zahlungsfrist und Preisnachlaß flexibel. Aber Oracle hat auch Grund zu Optimismus: Beim Verkauf eigener Datenbank-Lösungen im Bundling mit Windows NT rechnet man 1998 in Thailand mit einer Umsatzsteigerung von über 50 Prozent. Den Siegeszug der Gates-Company dürfte man deshalb - Kenner der Datenbankszene ("SQL Server") wissen, was gemeint ist - mit einem lachenden und einem weinenden Auge zur Kenntnis nehmen.

Unter der anhaltenden Asienkrise leidet auch die thailändische Dependance von Sun Microsystems. Für Therasak Tangpoonphonvivat, Managing Director von Sun Microsystems Pte. Ltd. Thailand, ist die Vorstellung, über rückläufige Geschäftszahlen berichten zu müssen, eine nur "schwer zu schluckende Pille". Was sich für einen Geschäftsführer zunächst furchtbar banal anhört, bei näherer Betrachtung aber durchaus eine gewisse Dimension erhält - jedenfalls dann, wenn man sich vor Augen führt, daß die Kalifornier in den zurückliegenden Jahren überdurchschnittliche Zuwachsraten gewöhnt waren. So konnte Sun Microsystems IDC zufolge allein 1997 gegenüber dem Vorjahr ein Umsatzplus von 222 Prozent verbuchen.

Will das Unternehmen in Thailand jedoch weiterhin die Nummer eins in puncto Wachstum bleiben, muß es sich neuen Märkten wie beispielsweise dem Finanzsektor und der Telekommunikation öffnen, meinen Kenner der dortigen IT-Szene.

Mit Fonds gegen Währungsschwankungen

Jenseits aller Strategieüberlegungen haben indes auch die Mannen um Sun-Chef Scott McNealy Sofortmaßnahmen ergriffen, um die Absatzkrise in den Griff zu bekommen. So hat Sun beispielsweise für seine Vertriebspartner und Kunden die Auflage eines speziellen Fonds angekündigt, der Währungsschwankungen ausgleichen soll. Zudem will McNealy - entsprechende Aktivitäten der Wettbewerber lassen grüßen! - die eigene Servicetruppe personell aufstocken.

Eine andere, zum Teil verblüffende Strategie fährt IBM - natürlich auch in Thailand der dominante IT-Anbieter. Kein Gejammere und erst recht keine Betonung eigener Serviceanstrengungen kennzeichnen in Bangkok die Aktivitäten der Armonker. Dafür bläst Big Blue mit einer Marketing- und Produktoffensive zum Angriff. Vor allem IBMs Serverplattformen von der S/390 über die AS/400 und RS/6000 bis hin zur PC-basierten Lösung Netfinity sollen den von der Krise gebeutelten Anwenderfirmen bei der notwendigen Restrukturierung und Neupositionierung im Wettbewerb helfen - ganz so, als gäbe es keine akuten Schwierigkeiten. Einziges Zugeständnis an die darniederliegende Konjunktur: Kunden, die mit Liquiditätsproblemen kämpfen, erhalten besonders günstige Leasing- oder Finanzierungsangebote. Und noch einen weiteren Standortbeitrag können die Armonker vorweisen: Erst vor kurzem eröffnete IBM im thailändischen Prachinburi eine neue Fabrik, in der Laufwerke getestet und montiert werden. Investitionssumme: 560 Millionen Dollar.

Auch dem taiwanische PC-Hersteller Acer, der bereits in seinem Heimatmarkt mächtig unter Druck geraten ist, macht die schwierige Situation in Thailand zu schaffen. Harry Yang, zuständiger Country Manager, rechnet für 1998 mit einem Umsatzrückgang von sage und schreibe 60 Prozent. Diesem katastrophalen Ergebnis stehen die Taiwaner bis dato mehr oder weniger hilflos gegenüber. So versucht man bis dato, wenigstens die Währungsverluste durch entsprechende Preiserhöhungen auszugleichen.

Wie schwierig die Situation für Acer, aber auch für seine Wettbewerber, in Tailand ist, machen erneut Zahlen von IDC deutlich: Demnach wurden im ersten Quartal 1998 im Vergleich zum Vorjahr 49 Prozent weniger PCs abgesetzt. Die US-Marktforscher gehen davon aus, daß die Verkäufe im gesamten Jahr um rund 40 Prozent einbrechen werden. "Noch ist auf dem PC-Markt keine Erholung in Sicht, zumal auch die IT-Ausgaben der Regierungsbehörden sehr niedrig sind", lautet die Einschätzung der IDC-Thailand-Expertin Piyawan Homthavil. Hoffnungsträger sind allenfalls der Bildungs- und Bankensektor. Die Erwartungen der Hersteller richten sich deshalb vermehrt auf die Kaufkraft der privaten Anwender, die derzeit ihr Auge auf günstige Marken-PCs unter 1000 Dollar werfen. Mit zusammen 55 Prozent Marktanteil waren laut IDC im ersten Quartal 1998 Acer, Compaq, Hewlett-Packard (HP), Digital Equipment und IBM im Desktop-Bereich die wichtigsten Anbieter. Im Notebook-Geschäft, das ebenfalls rückläufig ist, gehören auch Toshiba und Dell zu den Top-five-Anbietern in Thailand.

Berichte aus anderen asiatischen Staaten folgen.